Kommentar: Frankreichs Wette auf die Atomkraft stellt die nächste Bundesregierung vor ein großes Problem

Präsident Macron plant Milliardeninvestition in die Kernkraft.
Spätestens Ende 2022 sollen die letzten deutschen Kernkraftwerke vom Netz gehen. Mit dem Atomausstieg sieht sich die Bundesrepublik als Vorreiter. Auch in Frankreich wähnt man sich auf dem richtigen Weg – nur führt dieser in die entgegengesetzte Richtung.
Emmanuel Macron will eine Milliarde Euro in den Ausbau der Kernenergie investieren. In seinem Plädoyer bezeichnete der Präsident die Atomkraft nicht mehr nur als Brücke hin zu erneuerbaren Energien, sondern sprach von einer „Technologie der Zukunft“.
Der Umbau der Energieversorgung ist eine der zentralen Herausforderungen im Kampf gegen den Klimawandel. Seit dieser Woche befinden sich Deutschland und Frankreich in der Frage, welche Rolle die Atomenergie dabei spielen soll, mehr denn je auf Kollisionskurs. Macron hat Fakten geschaffen, die auch eine neue Bundesregierung mit grüner Beteiligung nicht ignorieren kann.
Zu Beginn seiner Amtszeit wollte der Präsident den Atomstromanteil zurückfahren und bis 2025 eine Reihe von Kraftwerken schließen. Die Frist wurde zwischenzeitlich auf 2035 verschoben, nun setzt Macron offensiv auf die Kernenergie. Der Präsident will die Entwicklung von Minireaktoren vorantreiben. Diese seien sicherer und würden weniger Atommüll verursachen, sagt er.
Paris macht Druck, die Atomkraft bei den geplanten grünen Investitionsregeln in Europa als klimafreundliche Technologie einzustufen. Berlin stemmt sich dagegen. Die französische Regierung steht in der EU aber keineswegs allein da und kann auf ein gutes Dutzend Mitglieder als Verbündete zählen.
Die Atomkraft bleibt der eingefrorene Konflikt




Während sich Deutschland nach der Wahl politisch neu sortiert, schlägt Macron mit seinem nationalen Investitionsplan für die Kernkraft einen Pflock ein. Will die nächste Bundesregierung keinen schweren Streit mit Paris riskieren, wird ihr kaum etwas anderes übrig bleiben, als dem französischen Drängen in Brüssel nachzugeben und das heikle Thema ansonsten weitgehend auszuklammern.
Die Atomkraft bleibt der eingefrorene Konflikt in den deutsch-französischen Beziehungen. Ehrlich geführt wird die Debatte ohnehin nicht: Die Deutschen argumentieren mit den Risiken der Atomenergie, ihre reflexhafte Ablehnung der Technologie trägt bisweilen aber ideologische Züge. Die Franzosen preisen die Kernkraft als emissionsarme und verlässliche Energiequelle. Doch sie verschweigen dabei, dass es ihnen natürlich auch um knallharte Exportinteressen der ‧heimischen Nuklearindustrie geht.
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