Kommentar: Insolvenzen gehören zur Volkswirtschaft


Als der Schuhhändler im März in die Insolvenz musste, hatten Lieferanten teils schon seit sechs Monaten offene Rechnungen.
Keine Frage: Es war gut und richtig, dass zu Beginn der Pandemie Unternehmen von der Insolvenzanmeldung befreit worden sind. Doch bald war auch von Zombies die Rede, also lebenden Toten. In den vergangenen 20 Jahren war die Zahl der Unternehmensinsolvenzen stetig gefallen, auch während der Pandemie.
Nun steigt die Zahl der Insolvenzen wieder – und auch die Zahl derjenigen Unternehmen, die aus der Insolvenz heraus keinen Neustart hinlegen konnten.
Wer mit Insolvenzverwaltern, Sachwaltern und Restrukturierungsexperten spricht, der hört es unisono: Die Coronahilfen müssten jetzt bei steigenden Zinsen zurückgezahlt werden, aber das sei nur ein kleiner Teil des Problems. Vielmehr fehle es an Innovations- und Investitionskraft bei vielen Unternehmen und an Nachfolgern, die für ihr Unternehmen arbeiten wollen. Schließlich hängt an der Innovationskraft der Unternehmen auch die Wirtschaftskraft und damit das geopolitische Gewicht der EU.
Fachkräfte für die grüne Transformation
Damit sich etwas ändert, müssen alle anpacken: Nicht nur die Politiker, auch die Unternehmer, die Manager, die Mitarbeitenden, die Verbraucher. Sie alle brauchen mehr Mut, um die Zukunft zu gestalten.
Die gute Nachricht: Die steigenden Insolvenzzahlen müssen nicht automatisch zu mehr Arbeitslosigkeit führen. Es gibt genug zu tun, der Fachkräftemangel bei Unternehmen in der (grünen) Transformation ist groß. Die zweite gute Nachricht: Sie werden sich Arbeitgeber suchen, die produktiver und klimaschonender sein werden. So könnte der grüne Umbau der Wirtschaft an Fahrt aufnehmen.
Insolvenzexperten rechnen damit, dass vor allem die Immobilien- und Modebranche sowie Autozulieferer, die am Verbrenner hängen, künftig besonders betroffen sein werden. Deren Mitarbeitende werden nicht gleich zu Wind- oder Solarexperten, aber sie werden sich ganz automatisch in andere Branchen orientieren. Was es dafür braucht, ist mehr Bereitschaft von Unternehmen und Mitarbeitenden, in Weiterbildung Geld und Zeit zu investieren. Die Themen sind bekannt: Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Künstliche Intelligenz.


Das deutsche Insolvenzrecht bietet spätestens seit Einführung des Schutzschirmverfahrens 2012 genug Möglichkeiten, sich neu zu erfinden. Denn es ermöglicht den Unternehmen, sich in Eigenverwaltung zu sanieren.
Gelingt dies aber nun weniger Fällen als zuvor, dann geschieht dies in der Regel, nachdem Restrukturierer alles versucht haben, um die Unternehmen zu retten. Wenn Firmen trotzdem niemanden finden, der in sie investiert, dann ist es für die Betroffenen immer noch traurig, aber dennoch richtig, dass sie geschlossen werden.
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