Kommentar: Künstliche Intelligenz stürzt uns in eine digitale Vertrauenskrise

Heute bleibt oft nur Frust. Die Bilder und Videos sehen perfekt aus. Zu perfekt. Balken schweben, Verbindungen halten keiner Statik stand. Das Problem ist weniger mein handwerkliches Können. Die Bilder sind synthetische Fiktion und halten keiner Physik stand.
Was auf den Online-Plattformen auffällt, ist längst Alltag geworden: Wir werden digital von synthetischen Bildern, Videos und Texten überflutet. Der Unterschied zwischen echt und künstlich verschwimmt nicht auf einen Schlag, sondern schleichend. Es ist nicht die große Lüge, die das Netz vergiftet, sondern der zersetzende Zweifel.
KI produziert Masse – und Zweifel
In der Forschung gibt es dafür einen Begriff: AI Slop. Das trifft es gut. Slop ist so etwas wie dünner Brei, Abfall oder minderwertige Masse. Und genau das spucken die KI-Systeme aus: synthetischen Müll.
Das ist nicht nur ärgerlich. Es ist eine konkrete Gefahr. Künstliche Intelligenz (KI) stürzt uns in eine digitale Vertrauenskrise. Wenn jede Aufnahme fälschbar ist, zerfällt das Fundament digitaler Kommunikation. Nichts hat mehr Bestand.
Ist das Bild echt oder vom Roboter erstellt? Ich weiß es nicht. Die Systeme sind zu gut geworden. Die zu vielen Finger waren einmal ein Warnsignal. Heute sind sie verschwunden – und mit ihnen unsere letzte Gewissheit. Was bleibt, ist der konstante Zweifel. Wir verlieren keine Information. Wir verlieren Gewissheit.
Diese Krise belastet nicht nur mein Hobby als Handwerker. Es lähmt meine Arbeit. Schon vor ChatGPT wurde mein E-Mail-Postfach überflutet. Aber mittlerweile ist es kaum noch zu bändigen.
Die Vertrauenskrise erreicht den Arbeitsalltag
Dutzende Mails am Tag, höflich, korrekt, leer. Geschrieben von Systemen, nicht von Menschen. KI macht es trivial, Kommunikation zu simulieren – und damit Vertrauen zu untergraben. Wenn jeder jeden automatisiert anschreibt, verliert jede Nachricht an Bedeutung.
Zuletzt habe ich mich gefreut, wenn ich Rechtschreibfehler in E-Mails gesehen habe. Das war für mich ein Hinweis, dass hier ein Mensch in die Tasten gegriffen hat. Heute gilt auch das nicht mehr, weder bei Texten, noch bei Bildern oder Videos. Die Maschinen haben gelernt, unsere Fehler zu imitieren. Sie machen jetzt genauso viele Fehler, dass wir sie nicht mehr erkennen. Perfektion war verdächtig. Heute ist selbst das Unperfekte keine Garantie mehr für Echtheit.
Künstliche Intelligenz erleichtert mir einige Schritte bei der Arbeit. Es lähmt mich aber auch. Wirtschaftliches Handeln wird gelähmt, wenn Verlässlichkeit verschwindet.
Technologischer Fortschritt ohne Sicherheitsnetz
Die KI-Firmen im Silicon Valley haben die Büchse der Pandora geöffnet. Sie wussten, dass sich KI-Inhalte nicht zuverlässig erkennen lassen. Sie haben es trotzdem skaliert. Was billig zu produzieren ist, wird produziert.
Ich kenne viele der Menschen, die diese Systeme bauen. Sie sind brillant, neugierig, oft idealistisch. Ihnen war klar, dass generative KI eine Vertrauenskrise auslösen kann. Aber sie waren auch Teil eines Wettrennens, das keine Pausen zuließ. Wer nicht skaliert, verliert.
Pinterest ist kein Bösewicht – sondern ein Symptom. Ich habe als Korrespondent im Silicon Valley gelebt. Ich bin begeistert von neuen Technologien. Aber ich bin erschrocken darüber, was KI-Müll mit unserer Gesellschaft anrichtet.
Aus Sicht der Plattform ist es ein Erfolg, wenn ein erfundenes Wohnzimmer zu einem realen Kauf führt. Wenn die Couch aus dem KI-Bild auch bei Amazon steht, zählt das als Conversion. Was heute monetarisiert wird, zerstört morgen die Grundlage des Geschäfts.
Persönliche Begegnung als Gegenbewegung
Die Ironie der KI-Revolution ist: Sie treibt uns zurück zum Analogen. Je künstlicher digitale Kommunikation wird, desto wertvoller wird das Persönliche. Authentizität entsteht wieder dort, wo sie nie verloren ging: im direkten Kontakt. Ein Handschlag, ein Gespräch, ein gemeinsames Arbeiten können nicht automatisiert werden.
Vertrauen entsteht nicht mehr automatisch durch Sichtbarkeit, Reichweite oder Professionalität. Es entsteht wieder durch Nähe. Je mehr Kommunikation simulierbar wird, desto wertvoller wird das, was sich nicht simulieren lässt.
Ein Handschlag ist kein reines Ritual. Er wird auch zum Prüfmechanismus. Im direkten Gespräch gibt es Rückfragen, Pausen, Unsicherheit. Genau das macht es glaubwürdig.
Diese Logik übertrage ich auch ins Digitale. Vertrauen entsteht für mich dort, wo persönliche Begegnung vorausging. Der Beitrag einer Gründerin, die ich selbst kennengelernt habe, zählt mehr als ein millionenfach geteilter Post einer Unbekannten. Und ein Artikel eines Forschers, mit dem ich schon gesprochen habe, hat mehr Gewicht als anonyme Inhalte aus dem Netz. Persönlicher Bezug wird zum Anker in einer unübersichtlichen Öffentlichkeit.
Die Knappheit der digitalen Zukunft ist nicht Aufmerksamkeit – sondern Vertrauen. Die Frage ist nicht, was KI kann – sondern was sie mit uns macht.
Wenn Maschinen alles sagen können, wird entscheidend, wem wir noch zuhören. Und ich möchte vor allem Menschen zuhören. Menschen, die ich kenne und denen ich vertraue – sowohl im analogen, als auch im digitalen Leben.