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KommentarNur ein Kandidat der Mitte hat eine Chance gegen den Trumpismus

Nach den Siegen in New York und Virginia hoffen die Demokraten auf eine Wechselstimmung – und ziehen womöglich die falschen Schlüsse. Der US-Präsident wird das zu nutzen wissen.Jens Münchrath 05.11.2025 - 13:52 Uhr aktualisiert
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US-Präsident Donald Trump: Erste Rückschläge, auch wenn er nicht auf den Wahlzetteln stand. Foto: Allison Robbert/FR172296 AP/AP/dpa

Nichts ist so verführerisch wie der Erfolg. Und wer wollte bestreiten, dass der Wahlsieg Zohran Mamdanis, jenes radikalen Linksauslegers, der sich selbst als „demokratischen Sozialisten“ bezeichnet, mit mehr als 50 Prozent der Stimmen in New York atemberaubend ist?

Nichts allerdings könnte aus Sicht der Demokraten fataler sein, aus der New Yorker Wahl strategische Schlussfolgerungen für künftige Wahlkämpfe zu ziehen – und nach links zu rücken.

Zunächst aber gilt: Es ist in diesen Zeiten bemerkenswert, dass in den USA mal so etwas wie demokratische Routine stattfindet oder zumindest simuliert wird. Dass also Wahlen abgehalten werden, ohne dass gleich von Wahlbetrug die Rede ist. Wahlen, bei denen der Verlierer seine Niederlage eingesteht und dem Gewinner gratuliert.

Denn demokratischer Alltag ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr in der Führungsmacht des freien Westens. Dafür muss man nicht einmal den 6. Januar 2021 als Beleg heranziehen – den Tag, an dem vom Wahlverlierer aufgehetzte Trumpisten das Kapitol stürmten. Insgesamt ist das politische Klima so vergiftet, dass störungsfreie Abstimmungen eher die Ausnahme sind. Ein politischer Diskurs, der den Namen verdiente, ist in einem Land, in dem der politische Gegner als Feind dämonisiert wird, kaum noch möglich.

Allein deshalb kommen den reibungslosen Wahlen in New York, aber auch in Virginia sowie den Abstimmungen in Kalifornien und New Jersey eine besondere Bedeutung zu – so unterschiedlich die Anlässe auch gewesen sein mögen.

Trumps erster größerer Test – nicht bestanden

Aber es gibt noch weitere gewichtige Gründe, warum diese Wahlen große Aufmerksamkeit verdienen:

Erstens war es der erste größere Testfall für Trump nach seinem fulminanten Wahlsieg genau vor einem Jahr, bei dem er quer durch alle Schichten, Sektoren und Minderheiten erstaunliche Gewinne erzielte.

Der Präsident hat diesen Testfall nicht bestanden. Trump ist und bleibt ein unpopulärer Präsident mit Zustimmungswerten von weniger als 40 Prozent. Die jetzigen Wahlergebnisse sind auch seine Niederlage, für einen Präsidenten, der sich in jeden Wahlkampf einmischt.

Zweitens werden die Wahlergebnisse – vor allem das in New York – bei den Demokraten, die im Gegensatz zu den Republikanern, die Trump gleichgeschaltet und mehr oder weniger zu seinem persönlichen Wahlverein gemacht hat, eine erneute Strategiedebatte auslösen.

Der Druck, sich zu radikalisieren, wie es etwa der demokratische Senator Bernie Sanders seit Langem fordert, wird steigen. Die Not einer Partei, die sich immer noch wegen der Wahlniederlage 2024 in Schockstarre befindet, sorgt schon jetzt für teils tollkühne Experimentierfreude.

Gouverneur Gavin Newsom, der in Kalifornien über einen Neuzuschnitt der Wahlkreise für das Repräsentantenhaus abstimmen ließ, versucht es in letzter Zeit mit Populismus von links. Oder eben Mamdani, der Anleihen in der Radikalität des Trumpismus nimmt.

Mehr als 50 Prozent der Stimmen in New York: Zohran Mamdani feiert seinen Wahlsieg. Foto: Andres Kudacki/AP/dpa

Der Fall Mamdani ist ohne Zweifel spektakulär: Der selbst ernannte Sozialist führt demnächst die „Bastion des amerikanischen Kapitalismus“ – und es ist nicht auszuschließen, dass sein Sieg eine Aufbruchstimmung in der leidgeplagten demokratischen Partei auslösen wird. Aber New York ist ein Sonderfall. Das etwas simpel anmutende Programm des jungen, unerfahrenen Politikers, das vor allem heißt: „Nehmt es den Reichen und gebt es den Armen“, ist nicht mehrheitsfähig in weiten Teilen des Landes. Amerika ist nicht New York, die traditionell linke Metropole. Amerika ist eher wie Virginia.

Dort hat eine moderate Kandidatin mit einem moderaten Programm einen klaren Sieg errungen. Abigail Spanberger erzielte fast 57 Prozent der Stimmen gegen eine dezidierte Trumpistin.

Wer die Wechselwähler erreicht, gewinnt

Trotz der scheinbar widersprüchlichen Wahlergebnisse von New York und Virginia bleibt eines, und zwar die Lehre, die Trump den Swing States 2024 erteilte: Er hatte vor allem deshalb dort einen überraschend großen Sieg errungen, weil er die Wechselwähler der Mitte für sich gewinnen konnte.

Und für den talentierten Wahlkämpfer war es immer noch die leichteste Übung, seine politischen Gegner als Sozialisten oder Kommunisten zu denunzieren, gegen die es in den USA bekanntlich nach wie vor eine ausgeprägte Aversion gibt. Die Demokraten brauchen eine Kandidatin oder einen Kandidaten der Mitte, wenn sie den Trumpismus verdrängen wollen. Eine oder einen, der oder dem man zutraut, die viel gerühmten „checks and balances“ und Rechtsstaatsprinzipien, die Trump Stück für Stück mit erstaunlicher Effizienz außer Kraft setzt, zu reetablieren.

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Denn wenn die amerikanischen Bürgerinnen und Bürger traditionell eines immer geschätzt haben, dann waren es Institutionen und Mechanismen der Rechtsstaatlichkeit und der Verfassungsgebung, die die Macht der Herrschenden begrenzen, ihre Willkür und Gewalt bändigen, ergo die Freiheit des Individuums sichern. Trumps größtes Talent besteht wohl darin, diese Tradition in einer Nische versenkt zu haben.

Auf den nächsten Präsidenten wird die Aufgabe zukommen, diese Tradition zu revitalisieren. Es darf auch ein Parteikollege Trumps sein, wenn er sich nur dieser Verantwortung bewusst ist.

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