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Kommentar Olaf Scholz ist eine Art politisches Chamäleon

Der Wahlkampf des SPD-Kanzlerkandidaten funktioniert nach dem Prinzip „Sie kennen mich“. Doch seine politischen Richtungswechsel machen ihn zum großen Unbekannten im Wahlkampf.
05.09.2021 - 16:54 Uhr Kommentieren
Der SPD-Politiker ist ein politisches Chamäleon. Quelle: dpa
Kanzlerkandidat Scholz

Der SPD-Politiker ist ein politisches Chamäleon.

(Foto: dpa)

Das größte Comeback in diesem Jahr ist nicht die Rückkehr Abbas, sondern das der SPD. Kanzlerkandidat Olaf Scholz sind gleich zwei politische Glanzstücke geglückt. Er hat es nach dem verlorenen Mitgliederentscheid um den SPD-Vorsitz 2019 geschafft, das Votum de facto rückgängig zu machen und die zerstrittene SPD für den Wahlkampf zu einen.

Und er hat es zweitens geschafft, sich trotz schier aussichtsloser Ausgangslage im Wahlkampf in Umfragen vor die Union zu setzen, indem er auf die Fehler der anderen lauert und sich als männliche Wiedergeburt Angela Merkels geriert. Sogar seine ganze Wahlkampfstrategie ist angelehnt an die Merkels von 2013. Scholz‘ Kernaussage: „Sie kennen mich.“ Ergänzt um: „Ich habe einen Plan.“

Doch entzieht man sich der sozialdemokratischen Umfrageglückseligkeit und erinnert sich einen Augenblick an den Olaf Scholz, der seit 20 Jahren im politischen Geschäft ist, ist die Erzählung über den „Merkel mit Plan“ vor allem eines: eine gelungene Illusion.

Auch wenn Scholz gefühlt immer schon da ist, ist er in Wahrheit der große Unbekannte in diesem Wahlkampf. Wer Scholz wirklich ist, was er wirklich will, ist nicht wirklich klar. Und damit auch nicht, wen die Bundesbürger womöglich ins Kanzleramt wählen.

Scholz ist eine Art politisches Chamäleon, er hat für den eigenen Machtantrieb seine Positionen immer wieder problemlos der Lage angepasst, es im Wahlkampf aber geschafft, diese Unschärfen vergessen zu machen und vom deutschen Widerspruch zu profitieren: Nach 16 Jahren CDU-Regierung wollen die Deutschen Veränderung, ohne dass sich wirklich etwas ändert. Was anderes, aber Kontinuität. Ein anderes Gesicht, aber ein altbekanntes. Genau an diesem Punkt holt Scholz die Bürger ab und bringt sich so als logischer Nachfolger Merkels in Stellung.

Scholz' Aufsteigergeschichte wirkt betörend

Zur Scholz‘schen Erfolgsformel gehört auch, dass er öffentlich auf jede Emotion verzichtet und dadurch Kanzlerruhe verströmt, seine Kampagne aber dennoch emotional, ja sogar betörend wirkt. Denn Menschen lieben Aufsteigergeschichten der Art, für die Scholz jetzt steht: Phoenix aus der Asche. David gegen Goliath. Scholz gegen alle.

Und gönnt man der SPD den unverhofften Erfolg nicht auch nach all den Nackenschlägen, die sie einstecken musste, weil sie ihre staatspolitische Verantwortung nie verraten hat und erneut in die Große Koalition ging? Doch die Aufsteigergeschichte und die Fehler der Kontrahenten überstrahlen derzeit eine veritable Liste an politischen Überzeugungswechseln des Olaf Scholz.

Als Juso Marxist, verteidigte Scholz zu Beginn als SPD-Generalsekretär Schröders Agendareformen, die er schon 2007 als Arbeitsminister in Teilen wieder rückgängig machte. Im Hamburger Rathaus gab er dann den präsidialen Stadtvater mit offenem Ohr für die Wirtschaft.

Scholz lässt sich nicht festnageln. Bei den Vorwürfen in Sachen fehlender Kontrolle bei Wirecard und Cum-Ex-Geschäften laviert er sich auch mit Gedächtnislücken aus der Affäre. Auch legt er weder in der Klima- noch in der Steuerpolitik einen durchgerechneten Plan vor. Stattdessen heißt es: Belastungen werde es durch seine Klimapolitik nicht geben. Was nicht zu halten sein wird.

Im Bundestagswahlkampf 2017 schloss Scholz noch ein Linksbündnis aus, sorgte dafür, dass die Vermögensteuer nicht im Wahlprogramm landete, wollte den Soli nach 2020 ganz abschaffen. Als Bundesfinanzminister outete er sich als Anhänger der Schuldenbremse, hielt an der „schwarzen Null“ fest, wofür ihn die eigenen Leute als „rote Null“ verspotteten.

Um Kanzlerkandidat werden zu können, musste Scholz wieder einen Spurwechsel vollziehen: Nun will er die Schuldenbremse überwinden, den Soli für höhere Einkommen beibehalten und eine Vermögensteuer einführen. Ein Linksbündnis schließt er nicht explizit aus.

Scholz wird sich die Partei untertan machen

Die Parteilinke hat so einen Burgfrieden mit Scholz schließen können. Doch das ist das zweite Missverständnis: Die Annahme, der Wahltag sei für Scholz auch Zahltag, weil er seine Schulden bei linken Genossen einlösen müsse, zeugt von naivem Politikverständnis.

Wahlkämpfe verändern nicht nur Parlamente, sie verändern auch Parteien. Sollte Olaf Scholz die Wahl gewinnen, wird in der SPD endgültig nur noch einer das Sagen haben: Olaf Scholz.

Schon jetzt gibt er den SPD-Ministerien, der Fraktion und den SPD-Ministerpräsidenten und -präsidentinnen den Takt vor. Im Falle eines Wahlsiegs kann der Rest der Parteiführung sich Zipfelmützen aufsetzen.

„Wer Führung bei mir bestellt, bekommt sie auch“, hat Scholz einmal gesagt. Die Frage ist, was Scholz mit und aus seiner Macht als Kanzler machen würde. Wie Merkel umweht auch ihn der Schleier des Sphinxhaften. Nichts ist bei Olaf Scholz so sicher, wie er es gern in Szene setzt.

Mehr: SPD-Kandidat Olaf Scholz – kann er Kanzler?

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