Kommentar: Schmerzhaft für CDU und SPD, aber richtig: 16-Jährige sollten bei Bundestagswahlen teilnehmen können
Die Altersgrenze für das aktive Wahlrecht wurde 1972 von 21 auf 18 Jahre gesenkt.
Foto: dpaEs ist ein Versuch der Profilierung in Zeiten sinkender Umfragewerte: Robert Habeck hat sich für ein allgemeines Wahlrecht ab 16 Jahren ausgesprochen. Der Grünen-Chef begründet dies mit dem „vorbildlichen“ Verhalten der jungen Menschen in der Coronakrise. Eine Belohnung für „politische Reife“: Wie Habeck das herleitet, klingt etwas sonderbar. Die Forderung ist – ganz unabhängig von der Pandemie – dennoch richtig.
In einigen deutschen Bundesländern und Kommunen darf bereits ab 16 gewählt werden. Junge Menschen früher einzubeziehen, fördert politische Bildung und das Bewusstsein für demokratische Prozesse. Man muss die Forderungen der Fridays-For-Future-Bewegung nicht richtig finden. Sie ist jedoch ein gutes Beispiel dafür, dass junge Menschen politisch interessiert sind, womöglich mehr als frühere Generationen. Die Älteren sollten den Jüngeren mehr zutrauen und sie mitreden lassen.
Sinnvoll ist die Absenkung des Wahlalters aus noch einem Grund. Der jüngere Teil der Gesellschaft ist auch infolge des demografischen Wandels politisch unzureichend repräsentiert. Bei den Bundestagswahlen 2017 gab es eine bemerkenswerte Schieflage: 70 Prozent der Wahlberechtigten waren älter als 40. Im heutigen Bundestag sind nur 13 Prozent der Abgeordneten unter 40.
Die Gegner eines niedrigeren Wahlalters sprechen 16- und 17-Jährigen gerne pauschal die nötige Reife ab. Sie seien nicht geschäftsfähig und leicht zu beeinflussen, heißt es etwas abfällig. Diese Argumentation hinkt jedoch. Nach der Logik müsste man auch darüber nachdenken, älteren Menschen oder Demenzkranken das Wahlrecht wegzunehmen. Tatsächlich ist wohl eher der Bildungsstand entscheidend für den Umgang mit Manipulationsversuchen.
Bildung, Reife oder Mündigkeit können jedoch keine Kriterien für die Verleihung des Wahlrechts sein. Jungen Menschen pauschal die Einflussmöglichkeit zu verwehren und sie von der Teilhabe auszuschließen, ist ungerecht.
Ob Verschuldung oder Klima – die Jungen müssen es später schließlich ausbaden. Einer modernen aufgeklärten Gesellschaft stünde es daher gut zu Gesicht, die Regelungen im Bundeswahlgesetz entsprechend anzupassen. Wählen ab 16 würde Wahlergebnisse mit mehr Legitimität ausstatten und die Demokratie damit stärken.
Nicht nur bei den Grünen, auch in der SPD gibt es Sympathien für die Forderung. Ob es gelingt, das Wahlalter zu senken, ist dennoch ungewiss. Die Vorbehalte der Kritiker sind zwar mäßig begründet, aber dennoch womöglich unüberwindbar groß.
Für die Grünen hätte die Senkung des Wahlalters großen Reiz. Bei der Europawahl holte die Partei bei Wählern zwischen 18 und 24 Jahren überragende 34 Prozent, CDU (12) und SPD (8) landeten weit dahinter. Sie dürften, wenn es im Bundestag zu einer Abstimmung käme, sich gut überlegen, ob sie den Grünen ein solches Geschenk machen.