Kommentar: Staatsschulden lösen die Inflation als große Sorge ab

Notenbankerin Christine Lagarde: Die Staaten haben viel Geld ausgegeben.
Foto: ReutersWo bleiben die Jubelrufe? Die Inflation sinkt deutlich, und die Erwartungen sind groß, dass es so weitergeht. Nach dem Anstieg der Preise seit 2021 ist es den Notenbanken gelungen, die Preise unter Kontrolle zu bringen.
Zwar gibt es weiter Warnungen, das Ziel sei noch nicht erreicht, und sogar Sorgen, es könne eine zweite Welle geben. Aber die Entschlossenheit der Notenbanken, die Inflation zu bekämpfen, ist kaum infrage zu stellen. Gemessen an den Marktdaten ist ihre Glaubwürdigkeit sogar in den Hochphasen der Inflation des vergangenen Jahres erstaunlich stabil geblieben.
Die viel gefürchtete Lohn-Preis-Spirale ist nicht wirklich in Gang gekommen. Selbst in den USA, wo der enge Arbeitsmarkt ein wichtiger Preistreiber war, sieht zumindest die US-Großbank Goldman Sachs noch nicht einmal den Streik der Automobil-Arbeiter als Preistreiber, sondern eher als nachlaufendes Phänomen, weil die Beschäftigten sich einen Teil der verlorenen Kaufkraft zurückholen wollen.
Klar: Die Notenbanken sind noch nicht am Ziel von zwei Prozent Preissteigerung. Aber das lässt sich ja auch nicht im Sprung erreichen. Man kann gemessen an früheren Perioden steigender Preise schon fragen, ob die Geldpolitik wirklich so schlecht reagiert hat, wenn gleich zwei schwere Krisen – Seuche und Krieg – die Inflation in Gang gesetzt haben und sie anschließend nach rund drei Jahren wieder unter Kontrolle kommt.
Das entlastet Notenbanker nicht von der Aufgabe, sorgfältig zu analysieren, was man hätte besser manchen können. Aber die große Inflationssorge verblasst. Die Staatsverschuldung, das ist zum Teil schon an den Märkten zu erkennen, löst sie ab.
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Die Staaten haben zu Recht mit einer expansiven Finanzpolitik die wirtschaftlichen Folgen von Covid abgebremst. Ob es klug ist, einen Subventionswettlauf, wie wir ihn gerade zwischen Europa und den USA erleben, oben draufzusetzen, ist aber eine andere Frage.
Nominale Zinsen werden zur realen Last
Hohe Schulden plus hohe Zinsen sind eine schlechte Mischung, das ist zurzeit sogar in den USA ein viel diskutiertes Thema, obwohl der Dollar als Weltwährung der Regierung dort sehr komfortable Finanzierungsoptionen gibt. Nicht zu vergessen ist dabei, dass mit der sinkenden Inflation die bisher nur nominal hohen Zinsen mehr und mehr zur realen Last werden.
Selbst wenn die Geldpolitik, deren volle Wirkung auf die Konjunktur sich noch gar nicht entfaltet hat, keine deutliche Rezession auslöst, bleibt ein Problem: Die hohe Staatsverschuldung macht es bei kommenden Krisen schwieriger, finanzpolitisch zu reagieren.
Das kann zu bösem Erwachen führen, auch in der Euro-Zone. Es wäre fahrlässig, das zu übersehen. Denn in der Krise wird unweigerlich der Druck kommen, dass vor allem die finanziell relativ stabilen Staaten ihren fiskalischen Spielraum nutzen.