Kommentar: Unternehmen sollten gerade jetzt die Dividende streichen

Warum der Daimler-Chef weiterhin knapp eine Milliarde Euro an seine Aktionäre ausschütten will, ist ein Rätsel.
Nestlé-Chef Mark Schneider fand zum Wochenauftakt die richtigen Worte: „Bitte machen Sie sich auf den Sturm gefasst – denn er wird kommen“, schrieb er der Belegschaft. Bei einigen Führungskollegen aus anderen Konzernen scheint die Botschaft nicht angekommen zu sein. Sie glauben offenbar, dass es sich um ein Unwetter handelt, das bald vorüber ist.
Natürlich lässt sich zu diesem Zeitpunkt trefflich darüber streiten, wie lange denn die Coronakrise andauern wird, wann Unternehmen wieder aus dem Abschaltmodus halbwegs in die Normalität zurückkehren können. Niemand weiß das. Es verdichten sich allerdings die Hinweise, dass das Thema nicht in zwei oder drei Wochen ausgestanden ist und die Wirtschaft noch monatelang mit den Folgen beschäftigt sein wird.
In dieser unsicheren Situation an früheren Dividendenzusagen festzuhalten grenzt an grobe Fahrlässigkeit. Denn diese Versprechen fußen alle auf der Annahme, die nicht mehr zu halten ist: dass das Geschäft weitgehend normal weitergeht. Gut, Dividenden werden auf Basis des Vorjahresgewinns berechnet und ausgeschüttet. Aber das kann jetzt kein Grund sein, auf Biegen und Brechen zu zahlen.
Nur weil Vorstand und Aufsichtsrat das mal vor Wochen so beschlossen haben. Jetzt gilt es, in die Zukunft zu schauen und vor allem die Kasse zusammenzuhalten. „Cash is king“ heißt das Mantra. Jeder verfügbare Euro zählt. Wenn der Umsatz wegbricht, die Kosten aber nicht, wird nur der den Betrieb durchhalten, der halbwegs liquide bleibt.
Warum Daimler-Chef Ola Källenius weiterhin knapp eine Milliarde Euro an seine Aktionäre ausschütten will, ist ein Rätsel. Zumal Källenius die Erhaltung der Zahlungsfähigkeit des Stuttgarter Autokonzerns richtigerweise als oberste Maxime ausgegeben hat. Mag sein, dass Daimler zurzeit genug in der Kasse hat, aber wird das in einigen Monaten auch noch so sein? Da ist eher der Wunsch Vater des Gedankens.
Der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus dagegen hat konsequenterweise sein Dividendenversprechen aufgehoben. Erst mal alle Kräfte sammeln, um der Krise zu trotzen, und vor allem Cash generieren, lautet die Devise in Toulouse. Airbus nimmt sogar einen Milliardenkredit auf. Da hätte es sonderbar ausgesehen, gleichzeitig die Aktionäre zu beglücken.
Allein die 100 führenden deutschen Konzerne wollten in diesen Tagen ihren Eigentümern 44 Milliarden Euro an Dividende zahlen. Sie sollten die wegen der Pandemie verschobenen Hauptversammlungen gar nicht erst abwarten, sondern ihr Dividendenversprechen sofort kassieren. Auch dann, wenn sie nicht damit rechnen, Staatshilfe in Anspruch zu nehmen. Wer die braucht, für den sollten Dividenden ohnehin tabu sein.
Mehr: Im Handelsblatt-Interview hält Daimler-CEO Källenius an der Dividende fest und lobt die Kanzlerin.





