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KommentarUnternehmen wollen Milliarden investieren – fünf Punkte entscheiden

Dutzende Unternehmen kündigen gigantische Investitionen in Deutschland an. Die Geschichte lehrt: Große Worte allein sagen nichts. Scheitert das Vorhaben, bleibt nur ein Gewinner.Martin Knobbe 21.07.2025 - 04:13 Uhr
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Bundeskanzler Merz vor dem Reichstagsgebäude: Impuls der Zuversicht nötig. Foto: dpa

In der Geschichte der Bundesrepublik gibt es immer wieder den Moment, in dem sich das Land zusammenreißt, in dem die Zuversicht wächst, der Krise zu entkommen, wenn nur die Richtigen mit anpacken. Zuletzt war das in der Finanzkrise 2009 der Fall, auch bei Gerhard Schröders Impuls für die Agenda 2010 war es so.

Vielleicht ist jetzt wieder ein solcher Moment.

„Made for Germany“ nennt sich die neue Initiative, mit der führende Unternehmen Milliarden in den Standort Deutschland investieren wollen. Friedrich Merz wird die Vertreter am Montag im Kanzleramt empfangen.

Der Ton ist entschlossen: Deutschland brauche ein „neues Betriebssystem“, so heißt es aus der Reihe der Initiatoren rund um Siemens-Chef Roland Busch und den Vorstandschef der Deutschen Bank, Christian Sewing. Wer so spricht, der meint: Das alte System ist kaputt.

Das Bekenntnis zum Standort, das dieser neue Aufbruch sein will, ist deshalb nicht nur ein Versprechen, es ist auch ein Eingeständnis. Die Wirtschaft hat womöglich zu lange weggesehen, die Politik die Schritte unterschätzt, die der nötige Neustart braucht. Die Lage jedenfalls ist trotz vieler Aufbruchssignale noch immer dramatisch: Für dieses Jahr rechnen viele Ökonomen mit einer Schrumpfung der Wirtschaft.

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Und der Ausblick? Ist zwiegespalten. Einige Ökonomen sehen für kommendes Jahr ein klares Wachstumspotenzial, andere warnen vor zu großer Euphorie. Deutschland mobilisiere zwar Milliarden, um die Wirtschaft zu stärken, urteilt das Handelsblatt Research Institute. Doch die Stagnation sei noch lange nicht überwunden.

Und sollte US-Präsident Donald Trump bei einer harten Zollpolitik bleiben, könnte das für 2026 prognostizierte Wachstum auch schon wieder obsolet sein, worauf zuletzt Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hingewiesen hat. Will man der Resignation entkommen, braucht es also einen Impuls der Zuversicht. Kann „Made for Germany“ das sein?

Bedingungen für den Erfolg

Zu viele Initiativen hat man schon gesehen, die mit großem Tamtam starteten und dann im Klein-Klein der Wirklichkeit zerbröselten. Die Kampagne „We stand for values“ zum Beispiel, platziert vor der Europawahl und später vor der Bundestagswahl. Auch damals große Namen, große Worte und wie jetzt auch eine große Kommunikationsagentur im Hintergrund. Ein starker Aufruf gegen Rassismus war es, gegen Ausgrenzung. Aber dann? Kam nicht mehr viel. Die PR war gut, die Nachhaltigkeit nicht. Und das ist das eigentliche Problem solcher Allianzen: Sie wirken oft wie Imagepflege, nicht wie Mut.

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Damit „Made for Germany“ mehr Erfolg hat, müssen deshalb fünf Bedingungen erfüllt sein.

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  1. Die versprochenen Investitionen dürfen nicht nur die Summe längst geplanter Projekte sein. Es wäre sonst nicht mehr als ein altes Versprechen, nur hübsch verpackt. Frisches Geld und neue Initiativen sind nötig, damit klar wird, dass die Unternehmen tatsächlich Risiken in Kauf nehmen, dass sie investieren, selbst wenn die Zukunfts- und Erfolgsaussichten unklarer sind denn je.
  2. Die Unternehmen müssen sich binden, die Allianz muss das streng kontrollieren. Zu oft hat das Land erlebt, dass groß angekündigte Investitionen in Fabriken – wie die von Intel bei Magdeburg oder Wolfspeed im Saarland – nie realisiert wurden. Heute liest man stattdessen von Hitzeschäden bei Intel-Chips oder einem eingeleiteten Insolvenzverfahren bei Wolfspeed. Glaubwürdigkeit entsteht nicht durch Worte, sondern durch Taten – und verbindliche Zusagen.
  3. Politik und Wirtschaft müssen sich abstimmen – nicht nur ideell, sondern konkret. Und auf allen Ebenen: Bund, Land, Kommune. Infrastrukturinvestitionen sollten dorthin fließen, wo Unternehmen tatsächlich bauen wollen. Es bringt wenig, mit dem Infrastrukturpaket der Bundesregierung Brücken im Süden zu sanieren, wenn die Industrie ein neues Werk im Osten errichten will – und dort die Zufahrten fehlen.
  4. Die Politik muss klar sagen, welche Branchen sie fördern will, damit sich die Industrie mit ihren Investitionen darauf einstellen kann. Das Land braucht keine 100 Champions, 20 wären auch schon gut. Aber sie müssen unschlagbar werden. Die Hightech-Agenda der Bundesregierung schafft dafür eine erste Grundlage: 5,5 Milliarden Euro will der Bund investieren, um in sechs definierten Schlüsselbereichen zu forschen, Produkte zu entwickeln und sie  erfolgreich in alle Welt zu verkaufen. Das wird nur in enger Abstimmung mit der betroffenen Industrie funktionieren, die noch weit mehr Geld zuschießen muss, damit Deutschland echte Chancen hat.
  5. Schwarz-Rot sollte nicht nur detailliert darlegen, wo genau die schuldenfinanzierten Milliarden investiert werden, es muss genauso schnell die nötigen Reformen angehen: Pflege, Gesundheit, Rente, Sozialleistungen. Solange in diesen Bereichen die Löcher größer werden, werden Milliarden dorthin fließen, wo sie nicht wirken. Das Geld fehlt dann an anderer Stelle – für Investitionen, die über die bekannten Pakete hinausgehen müssen.

Die Unternehmen und die Regierung sind mit ihrem informellen Joint-Venture zum Erfolg verdammt. Gelingt ihnen tatsächlich der Aufschwung, sind die Klagen über zu große Nähe zwischen Politik und Wirtschaft schnell verhallt. Scheitern sie, hätte die gesellschaftliche Resignation keinen Gegenpol mehr. Dann bliebe nur noch Zynismus. Und der heißt AfD.

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