Kommentar: Verbrenner-Aus und Heizungstausch: Die Politik muss der Wirtschaft mehr zumuten

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) bei der Eröffnung des LNG Terminals in Wilhelmshaven.
Foto: BloombergWer in Deutschland momentan genau zuhört, kann die Dissonanzen nicht leugnen. Vom Familienkreis über die sozialen Medien bis hin zur ganz großen politischen Bühne wird ein Richtungsstreit über die Frage geführt, auf welchem Weg Deutschland zukunftsfähig wird. Denn Wohlstand für zukünftige Generationen scheint keinesfalls mehr selbstverständlich.
Das hat auch mit dem Begriff Wohlstand selbst zu tun – er ist komplex geworden. Es geht nicht mehr nur um monetären Reichtum, sondern auch um den unbedingten Erhalt unserer ökologischen Lebensgrundlage. Ohne den ist kein Wirtschaftswachstum der Welt etwas wert.
Wie der Spagat zwischen Fortschritt und Erhalt gelingen kann, darüber streiten vor allem Grüne und Liberale in der Bundesregierung momentan verbittert – stellvertretend für viele Bürgerinnen und Bürger. Vordergründig geht es um die Fragen, ob Solaranlagen am Rande deutscher Autobahnen aufgestellt werden, ab wann keine Öl- und Gasheizungen mehr installiert werden dürfen oder ob Verbrenner künftig noch auf unseren Straßen fahren sollten.
Doch dahinter verbirgt sich die ganz große Frage nach dem richtigen Weg hin zu einer international wettbewerbsfähigen Wirtschaft, die bei neuen Technologien Vorreiter ist und gleichzeitig klimaneutral arbeitet. Dabei ist es paradox, dass gerade die FDP offenbar an Althergebrachtem festhalten will.
Eine bittere Wahrheit lautet: Wir müssen der Wirtschaft mehr zumuten. In einer Zeit des beständigen Wandels können wir es uns nicht leisten, zu lange an Methoden von gestern festzuhalten. Jedenfalls nicht, wenn sie nicht auf unser Gesamtziel einzahlen. Fossile Energien beispielsweise sind nicht mehr tragfähig.
Fortschritt durch Abschied von alter Technik
Doch das muss nicht zu Verzagtheit führen. Ein Beispiel, das Mut macht, sich von alten Techniken zu lösen, findet sich in der Geschichte. Die deutsche Industrie erlebte auch deshalb nach dem Zweiten Weltkrieg einen Aufschwung, weil die Besatzer die alten Maschinen aus den deutschen Fabriken mitnahmen.
Die Demontage hatte für die Alliierten nicht den gewünschten Effekt: In Deutschland wurden neue, modernere Gerätschaften entwickelt, die Siegermächte blieben auf den überholten Altlasten sitzen. Unter anderem auch deswegen war die deutsche Industrie jahrzehntelang technologischer Vorreiter.
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Hätten sich die Anbieter von modernem Industriegerät im Nachkriegsdeutschland noch lange gegen den Bestand in den Fabriken durchsetzen müssen, wären sie wohl weit weniger erfolgreich gewesen.
Auch heute gibt es viele Unternehmen, die schon mit Hochdruck am Morgen arbeiten und mit ihren Innovationen Wirtschaft und Gesellschaft voranbringen wollen. Doch oft fehlt es an Kapital, um ihre Ideen auch umzusetzen. Viele ihrer Produkte sind außerdem zu teuer, um sich am Markt gegen Altbewährtes zu behaupten. Denn der Faktor Klima ist im Preis noch immer nicht adäquat enthalten.
Hier muss die Politik eingreifen: Die gesellschaftlichen Kosten, die klimaschädliche Produkte für alle verursachen, müssen konsequent eingepreist werden. Wo es nicht anders geht, müssen notfalls auch klare Vorgaben dafür sorgen, dass überholte Techniken ganz verschwinden.
Das ist keine Planwirtschaft. Der Staat würde nur die Leitplanken für den Weg hin zu einer technologisch erfolgreichen, klimaneutralen Wirtschaft setzen. Was danach passiert, erledigt die Marktwirtschaft schon selbst.
Es stimmt, Verbote schaffen noch keine Innovation. Doch mutige politische Entscheidungen kreieren einen Business-Case für all jene, die jetzt schon an der Zukunft arbeiten. Wer jedoch einzelne Branchen oder sogar Unternehmen aus falscher Rücksichtnahme bevorteilt, vergrault all jene, die mit ihren Produkten mutig am Morgen arbeiten. Denn anderswo, vor allem in den USA, werden sie jetzt schon mit Handkuss begrüßt.