Kommentar zur Aktienrente: Jetzt braucht es viel Mut

Es gibt diese Ideen, die werden vorgestellt, das Gros der Öffentlichkeit sagt „Ja endlich!“ und wenn es dann um die Details geht, wird gekrittelt, gezweifelt und die Idee verschwindet wieder aus dem Blickpunkt der Öffentlichkeit. Bei der Aktienrente, im politischen Berlin gerne auch Generationenkapital genannt, war es so. Dabei ist die Rente oder ein anderer Eingriff in die gesetzliche Rente dringend nötig. Denn es herrscht unter Wissenschaftlern – und auch vielen Politikern – längst Konsens, dass unserem gesetzlichen Rentensystem spätestens zum Ende des Jahrzehnts allein aus demografischen Gründen der Kollaps droht.
Dass die Aktienrente nun, nachdem sie Ende vergangenen Jahres schon für verworfen und als Fall für die Mottenkiste erklärt wurde, tatsächlich mit rund zwölf Milliarden Euro Startkapital ausgestattet wird ist richtig und wichtig. Sie kann auch einen Beitrag leisten im Kampf gegen die Politikverdrossenheit und auch gegen die breite Verunsicherung in der Bevölkerung, auf der das extremistische Gedankengut einer AfD so gut gedeiht.
Die neue Rente, die die gesetzliche Rente „zukunftsfest“ machen soll, ist ein Herzensprojekt der Ampel, vor allem der FDP. Die Regierung will bis Mitte der 2030er-Jahre mindestens 200 Milliarden Euro aufbauen und dann aus den Erträgen eine Form der Alterssicherung, die günstig und staatlich organisiert ist, bezuschussen. Das soll die gesetzliche Rente vor dem Kollaps bewahren.
Dünne Rente mit dickem Problem
Die gesetzliche Rente ist noch immer für die meisten Menschen, die in den Ruhestand gehen, die wichtigste Form der Altersversorgung. Sie wird über kurz oder lang an ihre Grenzen stoßen. Will die Regierung die gesetzliche Rente in einer Höhe erhalten, die für die meisten Menschen für ein – wenn auch karges – Leben im Alter reichen soll, muss sie die Sozialabgaben drastisch erhöhen. Oder die gesetzliche Rentenversicherung muss noch stärker mit Steuern alimentiert werden.
Aktienrente oder rechte Tasche, linke Tasche
Das wiederum würde dazu führen, dass Rentner immer stärker besteuert werden müssten. Am Ende des Tages gilt für viele von ihnen das Prinzip „rechte Tasche, linke Tasche“.
Um aus diesem Dilemma herauszukommen, braucht es die Aktienrente, aber ohne die Möglichkeit, dass die jeweiligen Regierungen sich mal eben aus diesem Rententopf bedienen können. Das soll dem Vernehmen nach auch so sein.
Generationenkapital hat zu wenig Durchschlagskraft
Doch nun zum Aber: Das Kapital, das nach und nach aufgebaut werden soll, wird mutmaßlich nicht reichen. Lauf Bundesfinanzministerium sollen die Zuführungen zum Generationenkapital in den kommenden Jahren, vorbehaltlich der Haushaltslage und anderer Pressionen, wieder und wieder um drei Prozent wachsen. Dazu sollen staatliche Vermögenswerte von 15 Milliarden Euro kommen. Das ist ein kleiner Bruchteil dessen, was jährlich für die gesetzliche Rente etwa an Steuerzuschüssen aufgewendet werden muss.
Hier und da kommen Zahlen wie 100 Milliarden Euro, die am Kapitalmarkt angelegt werden müssen, in die Diskussion. Das wäre eine Summe, die sich selbst Deutschland, das immerhin noch zum Kreis der solventesten Schuldner unter den Staaten dieser Welt gehört, nicht mal so eben leihen kann. Aber ein paar Milliarden mehr sollten es schon sein. Das Geld wäre gut angelegt.
Denn die dafür notwendigen zusätzlichen Schulden wären nur ein Bruchteil derer, die auf dieses Land zukommen, wenn man versucht, den baldigen Renteneintritt der Boomer-Jahrgänge mit der bestehenden Alterssicherung auszusitzen.
Welche Hürden die Aktienrente nehmen muss
Allerdings gibt es noch immer starke Widerstände. Zum einen sind in den Köpfen vieler politischer Entscheidungsträger Schulden, um Investitionen in die Zukunft zu finanzieren, noch nicht vorgesehen.
Dazu gibt es einen nicht zu unterschätzenden psychologischen Widerstand, gewachsen aus der Angst vor schwankenden Kursen. Allerdings lehrt uns die Portfoliotheorie, dass ein breit diversifiziertes Depot mit mehreren Tausend Titeln deutlich weniger schwankt als eine einzelne Aktie.
Wichtig ist auch der Faktor Zeit. Über die Jahrzehnte hinweg „verdaut“ der Aktienmarkt auf dem Weg nach oben auch die schlimmsten Crashs. Es bleibt zu hoffen, dass die Menschen, die mit der Aufgabe das Geld des Generationenkapitals anzulegen betraut sind, auch die Freiheit bekommen, den Kräften des Kapitalmarktes zu nutzen und keine sinnlosen und vor allem teuren Garantien, wie wir sie von zahlreichen Fonds kennen, einsetzen müssen.
Obendrein braucht es Mut: Denn eine staatlich organisierte Aktienrente wird über kurz oder lang die Finanzbranche auf die Barrikaden treiben. Deren bange Frage wird sein: „Wer kauft noch unsere Produkte, wenn man gleichzeitig schon einen Teil seines Geldes im Aktienmarkt investiert hat?“
Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Menschen, die eine gewisse Affinität zu den Finanzmärkten haben, auch aus eigenem Antrieb in Fonds, ETFs oder einzelne Aktien investieren.
Diese Hürden sollten aber genommen werden, denn mit einer starken Aktienrente kann nicht nur die Altersversorgung von Millionen Menschen gerettet, sondern auch eine Spaltung der Gesellschaft verhindert werden. Es wäre Gift für unsere Gesellschaft, wenn es einerseits Menschen gibt, die sparen können, und auf der anderen Seite solche, die es im wahrsten Sinne des Wortes nicht vermögen.
Erstpublikation: 31.01.2024, 15:10 Uhr (zuletzt aktualisiert: 05.03.2024, 10:20 Uhr).