Kommentar: Zwei-Prozent-Ziel der Nato: Deutschland muss sich endlich klar positionieren

US-Präsident Donald Trump plant, die Truppe in Deutschland deutlich zu verkleinern.
Washington. Donald Trump hat sich mal wieder die Deutschen vorgeknöpft. Am Montagabend bestätigte er, was US-Medien bereits seit Anfang Juni berichten: Die USA wollen ihre Truppenpräsenz in Deutschland deutlich reduzieren, weil die Bundesrepublik ihren Verteidigungspflichten im Rahmen der Nato nicht nachkomme. Deutschland sei in dieser Hinsicht der „schlimmste Täter“.
Ähnliche Vorwürfe hat der US-Präsident bereits zu Beginn seiner Amtszeit erhoben. Neu ist aber die Konsequenz, nämlich der Abzug von knapp 10.000 US-Soldaten – über ein Viertel des gesamten in Deutschland stationierten Kontingents.
Aus deutscher Sicht liegt die Versuchung nahe, das Problem einfach auszusitzen. Den Truppenabzug umzusetzen wird viele Monate dauern. Trump liegt in Umfragen derzeit deutlich hinter seinem demokratischen Gegenkandidaten Joe Biden zurück. Wird Trump am 3. November abgewählt, tritt mit Biden ein überzeugter Transatlantiker an seine Stelle.
Biden glaubt an eine weltweite Führungsrolle der USA. Doch er ist auch überzeugt, dass die USA diese Rolle nur im Dialog mit ihren Partnern ausüben können. Mit ihm säße jemand im Weißen Haus, mit dem die Bundesregierung endlich wieder vernünftig reden kann.
Doch einfach nur auf den November zu warten könnte sich aus zwei Gründen als kurzsichtig erweisen. Erstens ist Trumps Abwahl keineswegs sicher. Bereits vor vier Jahren hat der begnadete Wahlkämpfer gezeigt, dass er einen Rückstand in den Umfragen zu drehen vermag.
Zum anderen wird sich unter einem Präsidenten Biden zwar der Tonfall in den deutsch-amerikanischen Beziehungen deutlich entspannen, der inhaltliche Konflikt bleibt jedoch bestehen: Deutschland ist weit von der Selbstverpflichtung aller Nato-Mitglieder entfernt, bis 2024 die Verteidigungsausgaben zumindest in die Nähe von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung zu bringen. 2019 gab die Bundesrepublik knapp 1,4 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung aus.
Glaubwürdige Schritte notwendig
Die Bundesregierung verfolgt in dieser Frage die unter Rekruten verbreitete Überlebenstechnik des Täuschens und Tarnens. Man gelobt Besserung, tut aber wenig, um dieses Versprechen zu erfüllen.
Man versucht beim Appell in der hinteren Reihe zu stehen, damit die schlecht geputzten Stiefel nicht auffallen. Dieses Verhalten ist der wirtschaftsstärksten Nation Europas unwürdig. Die Bundesrepublik sollte entweder glaubwürdige Schritte unternehmen, um das Zwei-Prozent-Ziel zu erfüllen – oder sie sollte den Mut haben, es offen infrage stellen.
So könnte Deutschland zum Beispiel fordern, dass auf die Verteidigungsausgaben die Ausgaben für Entwicklungshilfe angerechnet werden, wie es sich viele in der SPD wünschen. Die darauf in der Nato folgende Debatte wird mit Sicherheit ungemütlich, auch unter einem Präsidenten Biden.
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