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LeserdebatteWarum ist die Ampelkoalition gescheitert?

Und was sollte die kommende Regierung aus dem Koalitionsbruch lernen? Darüber diskutiert diese Woche die Handelsblatt-Leserschaft. Eine Auswahl der Kommentare.Johanna Müller 14.11.2024 - 10:25 Uhr Artikel anhören
Der Bundeskanzler verkündete in einem Pressestatement das Ende der Ampelkoalition und die Entlassung des Finanzministers. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Die Ampelkoalition gehört endgültig der Vergangenheit an. Bundeskanzler Scholz will voraussichtlich im Dezember die Vertrauensfrage stellen, die vorgezogene Bundestagswahl soll im Februar stattfinden. Wir haben die Leserschaft gefragt, welche Gründe sie für den Bruch der Ampel sehen und was die kommende Regierung daraus lernen sollte.

Für viele Leserinnen und Leser ist es keine Überraschung, dass die Ampelkoalition letztlich scheiterte. Es habe zu große „Interessenkonflikte“ und zu wenig „Transparenz“ zwischen den Bündnispartnern gegeben, schreibt ein Leser. In Kombination mit der Dickköpfigkeit, die ein anderer Leser den Ampelpolitikern zuschreibt, habe das Dreierbündnis nie erfolgreich regieren können.

Und überhaupt: Eine Regierung aus drei Koalitionspartnern sollte, „sofern möglich“, vermieden werden, rät ein Leser für die Zukunft. Auch weitere Leserinnen und Leser haben Tipps für die kommende Regierung. So schreibt beispielsweise ein Leser: „Was kann die neue Regierung besser machen? Neue Leute ranlassen!“

Wer auch immer in Zukunft die Regierung stellen wird – ein weiterer Leser wünscht sich, dass man sich dann an eine Maxime hält: „Zuerst das Land, dann die Partei.“ Insbesondere die FDP habe genau das nämlich nicht verfolgt – und stattdessen immer „Klientelpolitik“ betrieben, wie unter anderem eine Leserin kritisiert.

Für unser Leserforum haben wir aus den Zuschriften eine Auswahl für Sie zusammengestellt.

Volker Wissing ist für mich der Mensch des Jahres

„Die Ampel ist meiner Meinung nach an Friedrich Merz und seiner CDU gescheitert. Hätte es auf deren Bestreben hin kein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Umwidmung der Kredite aus Coronazeiten gegeben, wäre weder die Koalition gescheitert noch die Wirtschaft in Schieflage geraten, und auch die privaten Haushalte wären nicht durch Wegfall der Energiepreisbremsen und anderer dann notwendiger Maßnahmen belastet worden.

Insofern hat man dem Land mit der Verfassungsklage einen Bärendienst erwiesen. Zukünftige Regierungsmitglieder sollten zudem immer dazu verpflichtet werden, der Maxime zu folgen: ‚zuerst das Land, dann die Partei‘. In diesem Sinne ist für mich der ‚Mensch 2024‘: Volker Wissing.“ Jörg Wolter

Die Germany-first-Politik isoliert das Land

„Was die Gründe für das Scheitern waren? Diese Frage ist irrelevant. Und was kann, was muss die kommende Regierung daraus lernen? Zuerst muss das Volk so wählen, dass eine stabile Regierung überhaupt gebildet werden kann. Dies könnte bei einem starken Wahlergebnis für CDU/CSU und einer dann starken Position für Koalitionsverhandlungen gelingen.

Wir brauchen eine Regierung, die die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik und die Souveränität der EU über die Stärkung des Weimarer Dreiecks und Einbindung von UK konsequent priorisiert. Die (historische) Chance für eine fruchtbare Zusammenarbeit mit den aktuellen europäischen Staatenlenkern ist gegeben.

Nur CDU und Grüne stehen für eine starke und souveräne EU! Die Politik ‚Germany first‘ von SPD und FDP isoliert Deutschland, schwächt die EU und schadet der Sicherheit Deutschlands. Von den russlandfreundlichen Positionen der AfD und des BSW ganz zu schweigen.“
Claudia Rang

In Zukunft weniger Stolz und Dickköpfigkeit

„Die jetzige Regierung ist gescheitert, weil zu viele Egoisten ihren Dickkopf durchsetzen wollten. Sie meinten, alles anordnen zu können, anstatt zu überzeugen. Bei einer besseren Opposition wäre diese Regierung schon viel früher am Ende gewesen.

Was kann die neue Regierung besser machen? Neue Leute ranlassen! Aber ich fürchte, es kommt so: Merz (Kanzler), Scholz (Finanzminister), Habeck (Entwicklungsminister) wurschteln weiter, und Lindner fährt Porsche, hält Reden und schreibt ein Buch.“
Ulrich Harms

Die pöbelnde, eskalierende, spaltende CDU

„Hier meine Sicht: Die Regierung ist gescheitert an den schwer zu vereinbarenden Wahlprogrammen, den Persönlichkeitsstrukturen von Scholz, Habeck und Lindner, der Kluft zwischen nötigem Konsens und Druck aus Fraktion und von der Parteibasis und nicht zuletzt an der innerkoalitionären Opposition der FDP.

Eine zukünftige Regierung wird lernen müssen, aus der Minderheit belastbare Mehrheiten zu organisieren, denn eine in irgendeiner Form sinnvolle Koalition ist nicht in Sicht. Stattdessen wird eine pöbelnde, spaltende, eskalierende CDU/CSU sich spätestens zur folgenden Bundestagswahl an eine schön ondulierte und in den Bundesländern erstarkte AfD angewanzt haben und Deutschland ins Dunkel führen.“ Stefan Goes

Christian Lindner am Tag nach dem Koalitionsbruch. Foto: IMAGO/Chris Emil Janßen

Erhaltung des Sozialstaats als oberste Priorität

„Wenn wir unseren Sozialstaat erhalten wollen – und das sollte in der Prioritätenliste ganz oben stehen –, muss die Politik alles tun, um die Wirtschaft zu stärken und industrielle Produktion nicht nur zu erhalten, sondern auch zurückzugewinnen.

Leistung muss sich wieder lohnen, und die überbordenden sozialen Wohltaten müssen massiv zurückgefahren werden.“
Hans Josef Lauck

Alle Lösungen der FDP sind alter Tobak

„Die Gründe fürs Scheitern der Regierung sehe ich schwerpunktmäßig in der geopolitischen Lage, die die Parteien, statt zu einen, spaltete, und dann bei der FDP. Geopolitisch hatte die Fortschrittskoalition mit enormen Widrigkeiten zu kämpfen, doch man verirrte sich in alten, überholten und überflüssigen Schützengräben, wodurch dann die große Vision abhandenkam (wobei der einzige Visionär mit langfristigen Zielen der grüne Wirtschaftsminister ist).

Die FDP trieb ausschließlich Klientelpolitik, Parteipolitik, Egozentrik und die Unfähigkeit, über den eigenen Schatten zu springen und das größere Bild zu sehen, um für die derzeitigen Herausforderungen Lösungen zu finden, die der Bevölkerung insgesamt dienen, deren Leben und Aussichten verbessern und nicht nur die einiger weniger, die ohnehin schon auf Kosten der Gemeinschaft immer reicher werden.

Alle von der FDP angebotenen Lösungen sind alter Tobak, wiederholen das immer gleiche Credo, folgen alten, nicht zukunftsfähigen Rezepten – aber wer glaubt, dass sich dadurch, dass er immer das Gleiche tut, etwas ändert, landet irgendwann in einer Sackgasse (sic!).

Wie sagte Picabia: Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann – in diesem Sinn: Hoffen wir auf das Beste! P. S. Danke für euer Special ‚Der Zukunftsplan‘, darin waren einige sehr wichtige Anregungen, die eine neue Regierung hoffentlich umsetzt!“
Kirsten R. Glück

FDP wird die Situation für sich zu nutzen wissen

„Der FDP blieb nichts anderes übrig. Nur durch das Ampel-Aus kann sie potenziellen Wählern erzählen, dass sie in der selbst ernannten ‚Fortschrittskoalition‘ vieles habe mittragen müssen, dann aber der Moment gekommen war, an dem die Partei nicht mehr entgegen ihren Überzeugungen handeln konnte.

Christian Lindner und Co. werden versuchen, mit dieser Geschichte wieder die Fünf-Prozent-Hürde zu nehmen. Der normale Wahltermin ohne Koalitionsbruch im September 2025 hätte hingegen für die Partei den Untergang bedeutet.“
Holger Rabbe

Es war doch eigentlich ein guter Start

„Die Ampel ist ambitioniert als Zukunftskoalition gestartet. Sie war die erste echte ‚Volkskoalition‘ ... relevante Themen waren vertreten … Nachhaltigkeit, Wirtschaft und Soziales.

Wir, aber insbesondere die Politiker waren noch nicht vorbereitet. Beim ersten Druck ist man in alte Verhaltensmuster zurückgefallen. Einerseits, weil Parteien weiterhin glauben, auch während der Regierungszeit im (ruinösen) Wettbewerb zu stehen.

Anderseits, weil Team- und Kompromissfähigkeit bei der Regierungsbildung eine untergeordnete Rolle gespielt haben.“
Reiner Wallmeier

Keine Bündnisse aus drei Parteien mehr

„Aus meiner Sicht ist die Ampelkoalition aufgrund der Konstellation, fehlender Transparenz innerhalb der Koalition und grober Interessenkonflikten, die aus der fehlenden Transparenz resultierten, gescheitert.

Die kommende Regierung sollte Folgendes daraus lernen: Sofern möglich, sollte keine Regierung aus drei Koalitionspartnern gebildet werden. Die Interessenkonflikte untereinander aus drei verschiedenen Parteien sind zu groß gewesen.

Die Absprache und Transparenz der einzelnen Minister und Parteien waren in der letzten Regierung an vielen Punkten katastrophal. Ohne einen gemeinsamen Kurs lässt sich keine gemeinsame Politik machen.“
Johann Overkämping

Gleiche Ziele, unterschiedliche Wege

„,It‘s the economy‘, würde ein früherer US-Präsident vermutlich sagen. Wie so oft. Gepaart mit nachvollziehbaren Abstiegsängsten bei zahlreichen Bürgern.

Die selbst ernannte Fortschrittskoalition war jedoch von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Die Ziele, die Wirtschaft zu stärken und die Gesellschaft zusammenzuhalten, mögen weitestgehend identisch gewesen sein. Die Wege dorthin waren es nicht.“
Reiner Gorning

Die nächsten Wahlen sind eine große Chance

„Für das Aus der Ampel gibt es nur drei Gründe: erstens die FDP, zweitens die FDP und drittens die FDP.

Und das zeigt wieder einmal, dass eine neoliberale Partei, deren einziger politischer Daseinszweck das Verhätscheln der Wohlhabenden und Porschefahrer in diesem Land ist, endgültig auf den Müllhaufen der Geschichte gehört. Die kommenden Bundestagswahlen bieten die Chance dafür.“
Frank Loock

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