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KommentarNur Wortklauberei rettet den Koalitionsfrieden beim Bürgergeld

Union und SPD folgen einem unterschiedlichen Menschenbild. Im Bürgergeld-Streit konnten sie die Differenzen überbrücken, doch bei der nächsten Reform dürften sie wieder voll aufbrechen.Frank Specht 17.12.2025 - 16:28 Uhr
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Union und SPD haben sich auf einen Kompromiss beim Bürgergeld geeinigt. Foto: dpa

Ein einziges Wort hat den Weg zur Abschaffung des Bürgergelds freigemacht und den vorweihnachtlichen Koalitionsfrieden gesichert. Und dieses Wort heißt „Gelegenheit“. CDU-Wirtschaftsministerin Katherina Reiche hat dafür gesorgt, dass es noch in den Gesetzentwurf von SPD-Sozialministerin Bas kommt. Und dann ihren Widerstand gegen den Kabinettsbeschluss am Mittwoch aufgegeben.

Der Streit der beiden Ministerinnen drehte sich bis zuletzt um die Frage, ob Leistungsbezieher, die mehrere Termine beim Jobcenter versäumen und ihre Post nicht öffnen, noch ein persönliches Gespräch bekommen sollen, bevor ihnen das Geld komplett gestrichen wird.

Bas wollte das zur Regel machen, um Menschen mit psychischen oder Suchtproblemen, die ihren Alltag nicht organisiert bekommen, nicht zu verlieren. Reiche argwöhnte, dass Grundsicherungsempfänger dann einfach auch das persönliche Gespräch schwänzen könnten, um den Leistungsentzug zu vermeiden. Nun soll es also nur eine „Gelegenheit“ zum Gespräch geben – die wahrgenommen werden kann oder eben auch nicht.

Fürsorgestaat versus Leistungsgesellschaft

Solche Wortklaubereien in Gesetzestexten offenbaren ein grundsätzlich anderes Menschenbild und Staatsverständnis der drei Koalitionsparteien. Die SPD geht davon aus, dass das Gros der Arbeitslosen im Bürgergeld gerne arbeiten will, aber Unterstützung und Zeit braucht, um die Hilfsbedürftigkeit zu überwinden. Hier ist der Staat als Förderer gefragt – mit Qualifizierung, Sprachkursen oder Lohnzuschüssen für Arbeitgeber.

CDU und CSU sind Verfechter der Leistungsgesellschaft und glauben zu wissen, dass der Mensch es allzu gerne bequem hat. Und sie sind überzeugt, dass es der SPD-Fürsorgestaat Arbeitslosen viel zu leicht macht, sich um Arbeit zu drücken. Deshalb pocht die Union so auf eines ihrer Hauptwahlkampfversprechen – die Rückkehr zum fordernden Staat, der bei Bedarf mit Sanktionen und der Streichung von Geld Leistungsbereitschaft erzwingt.

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Die koalitionsinternen Differenzen über die Frage, was den Menschen zugemutet werden kann und was ihnen abverlangt werden muss, sind nun beim Streit über die Grundsicherung mühsam überbrückt worden. Aber sie bestehen weiter und werden Union und SPD schnell mit noch größerer Wucht wieder einholen – bei anstehenden Reformen der Rente, des Gesundheitswesens oder der Pflege beispielsweise.

Auch auf diesen Feldern gilt es, das Fördern und Fordern wieder ins Gleichgewicht zu bringen. So, wie es auch die Soziale Marktwirtschaft vorsieht, die Deutschland einst stark und wohlhabend gemacht hat: So viel Leistung wie möglich, so viel Fürsorge wie nötig.

Mehr: Mercedes-Personalchefin über Arbeitskräfte: „Die Leistungskluft wird größer“

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