1. Startseite
  2. Meinung
  3. Kommentare
  4. Leserdebatte: Werke schließen, Geld sparen - sind VWs Maßnahmen zielführend?

LeserdebatteWerke schließen, Geld sparen - sind VWs Maßnahmen zielführend?

Der VW-Vorstand erwägt die Schließung von mindestens drei deutschen Werken. Wird Volkswagen dadurch wettbewerbsfähiger? Und wie steht es um die deutsche Autoindustrie? Eine Leserdebatte.Johanna Müller 31.10.2024 - 11:12 Uhr Artikel anhören
Volkswagen-Werk Osnabrück: Auch hier bangen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um die Zukunft des Werkes, nachdem der Vorstand am Montag die Schließung dreier Werke verkündete. REUTERS/Thilo Schmuelgen Foto: REUTERS

Um Geld einzusparen, erwägt Volkswagen die Schließung von drei deutschen Werken. Auch Lohnkürzungen und das Streichen ganzer Montagelinien sind im Gespräch. Wir haben unsere Leserschaft gefragt: Wie zielführend sind die Sparmaßnahmen?

Die Leserinnen und Leser sind sich in einer Sache einig: Volkswagen steckt tief in der Krise. Der Automobilkonzern habe den Wandel auf dem Markt nicht rechtzeitig akzeptiert und diesen nicht „aktiv gemanagt“, schreibt ein Leser. Statt in Zukunftstechnologien und Innovationen zu investieren, sei Volkswagen wenig „veränderungsfähig“ gewesen und habe über längst entschiedene Fragen diskutiert, zählt ein weiterer Leser auf.

So habe der Autokonzern letztlich den „Anschluss an die Zukunft“ verpasst, wie es ein Leser zusammenfasst. Denn die Autos der Zukunft seien fahrende Smartphones, und davon sei VW „meilenweit entfernt“, fügt ein anderer Leser hinzu.

Dass ein kriselnder Konzern wie etwa VW mit dem Sparen beginnt, können viele Leserinnen und Leser nachvollziehen. Das sei schließlich die Praxis, wie sie im „BWL-Lehrbuch“ stehe, so ein Leser. Und insbesondere über die Reduzierung der Personalkosten könnte ein Unternehmen „schnell Ergebnisse erzielen“, erklärt ein anderer Leser.

Viele Leserinnen und Leser merken aber gleichzeitig an, dass „der geplante Kahlschlag unverhältnismäßig“ sei und auf lange Sicht mehr schaden als nutze, meint ein Leser. Denn das eigentliche Problem seien ja nicht die Personalkosten bei VW, sondern das Erstarken oder die Überlegenheit der Konkurrenz. Das gelte für die gesamte „deutsche Autoindustrie“, so ein anderer Leser.

Für die aktuelle Ausgabe unseres Leserforums haben wir aus den unterschiedlichen Zuschriften eine Auswahl für Sie zusammengestellt.

Alte Strukturen endlich anpassen

„Die Vormachtstellung der deutschen Automobilindustrie könnte bald enden. Unser größtes Problem liegt in der Unflexibilität von Staat und Unternehmen, Anpassung wird gesellschaftlich oft abgelehnt, obwohl sie heute entscheidender denn je ist. Deutschland braucht moderne Arbeitsgesetze und einen klaren Fokus auf Produktivität, statt auf eine Reduktion der Arbeitszeit zu setzen.

Die Beschäftigten der Automobilhersteller gehören zu den bestbezahlten Arbeitnehmern des Landes, Einschnitte im Interesse der Unternehmensstabilität wären realistisch. Die Zukunft der Branche hängt nicht nur von Technologie ab, sondern auch von der Bereitschaft, festgefahrene Strukturen anzupassen. Diese Unflexibilität ist allerdings in vielen großen deutschen Unternehmen zu sehen, vielleicht ist SAP eine Ausnahme.“
Rajko Stojanovic

Sparmaßnahmen dringend nötig

„VW benötigt diese Sparmaßnahmen, um den weiter voranschreitenden Wettbewerbsverlust zu kompensieren. Dies allein wird aber nicht reichen.

Strukturen auch in Nichtproduktionsbereichen müssen angepackt und modernisiert werden, ebenso wie das Produktportfolio. Die Autos der Zukunft sind Smartphones auf Rädern, davon ist VW meilenweit entfernt mit den derzeitigen Modellen, die anmuten wie Kopien des VW-Käfers mit E-Antrieb.“
Christoph Maas

Kahlschlag ist zu radikal

„Die geplanten Sparmaßnahmen bei VW, einschließlich möglicher Werksschließungen und massiver Stellenkürzungen, erscheinen äußerst drastisch und könnten verheerende Auswirkungen auf die Beschäftigten und betroffenen Regionen haben.

Es ist verständlich, dass VW angesichts sinkender Absatzzahlen und Überkapazitäten Kostensenkungen anstrebt, jedoch scheint der geplante Kahlschlag unverhältnismäßig und könnte langfristig mehr schaden als nutzen. Statt einseitiger Kürzungen wäre ein kooperativer Ansatz mit Gewerkschaften und Betriebsrat wünschenswert, um gemeinsam tragfähige Zukunftskonzepte zu entwickeln.

Die angekündigten Lohnkürzungen und der Wegfall von Sozialleistungen würden die verbliebenen Mitarbeiter hart treffen und könnten die Motivation und Loyalität der Belegschaft nachhaltig beschädigen. Insgesamt erscheinen die Pläne zu radikal und kurzfristig gedacht – VW sollte stattdessen in Innovationen und Zukunftstechnologien investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben, statt primär auf Personalabbau zu setzen.“
Maximilian Kempe

» Lesen Sie auch: Vorstand will mindestens drei VW-Werke schließen – Betriebsratschefin konkretisiert „Giftliste“

Personalkosten einsparen ist unvermeidbar

„Mit Einsparung von Personalkosten kann jede Bilanz augenscheinlich quasi per Knopfdruck in die richtige Richtung verändert werden. Die Personalschraube ist ein Mittel der Wahl für viele Unternehmen, die schnell Ergebnisse erzielen müssen.

Da die Uhr bei Volkswagen bereits auf fünf vor zwölf steht, ist es unvermeidbar, Personalkosten einzusparen. Schmerzlich und unumgänglich für ein Unternehmen, das an der Weltspitze mit anderen Autobauern um das Überleben kämpft.

Eine Blutvergiftung an einem Körperglied kann durch die Amputation desselbigen zur Rettung des Patienten führen. Ein krasser Vergleich, der jedoch auf die Maßnahmen der Schließung diverser VW-Werke zutrifft.“
Vittorio Fierro

ARCHIV - 10.05.2023, Berlin: Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender der Porsche AG und der Volkswagen AG, spricht bei der Vollversammlung der Volkswagen AG - Hauptversammlung 2023. (zu dpa: «VW-Chef Blume will bis Jahresende Sparpaket schnüren») Foto: Britta Pedersen/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: Britta Pedersen/dpa

Die Autoindustrie ist zu verwöhnt

„Ich bin der Meinung, dass man die Notwendigkeit für Kostensenkung bis hin zur Werkschließung nur von innen bewerten kann. Wenn der Umsatz über längere Zeit wegbricht, muss man natürlich etwas tun.
Das ist aber nicht das Ende der Automobilindustrie. Der Wandel muss akzeptiert und aktiv gemanagt werden. Das fehlt teilweise in der Industrie und in der Gesellschaft.

Andere Industrien mussten sich häufiger verändern. Die Automobilindustrie ist das nicht gewohnt und ruft bei jeder Schwierigkeit nach dem Staat.
Ich war vor einigen Tagen in Bahrein. Vor 120 Jahren lebte das Land von Perlenfischerei und Schiffbau. Danach vom Öl und heute von Finanzdienstleistungen. Wichtig ist nur, innovativ und veränderungsfähig zu sein.“
Tilmann Kloppe

Natürliche Auslese der Unternehmen

„Ich finde, Deutschland sollte sich damit abfinden, dass der Wohlstand nicht viel länger durch die starke Automobilindustrie finanziert werden kann. Statt sich beim Thema Wirtschaftspolitik auf den Erhalt dieser historisch tragenden Industrie zu fokussieren, sollte die Zukunft der Autoindustrie in die Hände des jeweiligen Managements gelegt werden.

Diese Entscheidungen werden dann maßgeblich über den Erfolg der Unternehmen bestimmen und als Konsequenz werden sich die effizienten Unternehmen weiterentwickeln und die ineffizienten nun mal aussteigen. Auch wenn der Job- und Wohlfahrtsverlust für den Einzelnen dramatisch ist.

In den Fokus des volkswirtschaftlichen Diskurses sollte jedoch die Standortpolitik rücken in Form von Steuerentlastungen, modernisierter Infrastruktur und guter Bildung, um auch tatsächlich zukunftsfähige Unternehmen nach Deutschland zu bringen.“
Lisa Piechatzek

Daniela Cavallo, Vorsitzende des Betriebsrats der Volkswagen AG, spricht während einer Kundgebung, bei der Beschäftigte gegen Werksschließungen und betriebsbedingte Entlassungen protestieren. REUTERS/Annegret Hilse Foto: REUTERS/Annegret Hilse

Ich habe Hoffnung

„Die Probleme, die in Deutschland nicht wegzudiskutieren sind, belasten sicherlich auch den VW-Konzern.
Aber ein Blick in die Geschichtsbücher lässt vielleicht auch die Überlegung zu, ob sich heute nicht die Entwicklung aus den 70er-Jahren wiederholt, als der Konzern lange an seiner luftgekühlten Strategie festgehalten hat.

Das macht mir Hoffnung, dass auch dieses Mal die ‚Hebel‛ wieder umgelegt werden können.“
Christian Thömen

VW geht den richtigen Weg

„Grundsätzlich sind Sparmaßnahmen bei VW der richtige Weg. In diese Lage hat sich die Marke VW in den letzten 20 Jahren selbst hineinmanövriert. Es war aus meiner Sicht nur eine Frage der Zeit, wann die heute aktuellen Probleme sichtbar werden. Zu viel Mitbestimmung, zu hohe Tarifabschlüsse etc. sind unter anderem für diese Lage mit verantwortlich.

Mit den in den Jahren erzielten Margen pro Fahrzeug konnte auch kein Puffer aufgebaut werden, um auch einmal eine ‚Delle‛ zu überbrücken. Aus meiner Sicht hat VW gar keine andere Wahl, als die Kosten zu reduzieren. Mehr produzierte Fahrzeuge werden sich derzeit kaum absetzen lassen. Dazu ist der Druck aus China mit durch den Staat hoch subventionierten Autos viel zu hoch.

Grundsätzlich möchte ich noch anmerken, dass es nicht Grundaufgabe eines Unternehmens ist Arbeitsplätze zu schaffen.“
Thomas Runge

» Lesen Sie auch: VW bestätigt nach schlechten Quartalszahlen Pläne für Lohnverzicht

Vorsprung durch Technik ist Vergangenheit

„VWs radikale Sparmaßnahmen sind ein verzweifelter Versuch, den sinkenden Stern des einst stolzen Automobilriesen zu retten. Die deutsche Autoindustrie hat den Anschluss an die Zukunft verschlafen und kämpft nun mit dem Rücken zur Wand gegen innovative Konkurrenz aus dem Ausland – ‚Vorsprung durch Technik‛ ist Vergangenheit.

Statt mutig in Zukunftstechnologien zu investieren, greift VW zum Rotstift und riskiert damit, das Unternehmen kaputt zu sparen. Die Zeche für jahrelange Misswirtschaft und Skandale zahlen nun die Mitarbeiter.

Es ist höchste Zeit für einen radikalen Umbruch in Wolfsburg, sonst droht der einstige Vorzeigekonzern zum Sanierungsfall zu werden und die deutsche Vormachtstellung im Automobilbau endgültig zu verspielen.“
Andreas Engels

Die großen Fragen sind längst entschieden

„Die deutsche Automobilwirtschaft katapultiert sich aus eigener Kraft in die Bedeutungslosigkeit. Stromer oder Verbrenner? Kompaktwagen oder Luxusschiff? Die Fragen sind leider bereits entschieden, das selbst gesteckte Ziel 2030 bröckelt.

Während China überholt, diskutieren wir hierzulande ohne unternehmerische als auch wirtschaftliche Weitsicht über E-Fuels und Spaltmaße. VW erinnert dabei an ‚Buridans Esel‛ und bleibt am Ende auf der Strecke.“
Faruk Yildiz

Das wars mit der deutschen Autoindustrie

„Die Mischung aus Hybris, Arroganz und Ignoranz, welche die Entscheider der deutsche Autobranche – nicht nur VW – in den letzten 15 Jahren an den Tag gelegt haben, trägt nun Früchte.

Dies zeigt sich nun in der technologischen (vielleicht nicht beim Verbrennermotor, aber beim Rest) Überlegenheit und beim Erstarken der Konkurrenz. Insgesamt agiert VW derzeit nach BWL-Lehrbuch: Beim Rückgang der Umsätze müssen Kosten gespart werden.
Dadurch wird der Konzern aber nicht wettbewerbsfähiger und das grundlegende Problem der fehlenden marktgerechten Produkte und des technologischen Rückstands wird damit auch nicht gelöst.

Ich fürchte, diplomatisch gesagt, die deutsche Autoindustrie hat aus eigenem Verschulden ihren Zenit überschritten.“
Piero Kirchner

Verwandte Themen Oliver Blume Deutschland

Wenn auch Sie sich im Forum zu Wort melden möchten, schreiben Sie uns per E-Mail an forum@handelsblatt.com oder auf Instagram unter @handelsblatt.

Mehr: Warum überzeugt kein Kanzlerkandidat?

Mehr zum Thema
Unsere Partner
Anzeige
remind.me
Jetziges Strom-/Gaspreistief nutzen, bevor die Preise wieder steigen
Anzeige
Homeday
Immobilienbewertung von Homeday - kostenlos, unverbindlich & schnell
Anzeige
IT Boltwise
Fachmagazin in Deutschland mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Robotik
Anzeige
Presseportal
Direkt hier lesen!
Anzeige
STELLENMARKT
Mit unserem Karriere-Portal den Traumjob finden
Anzeige
Expertentesten.de
Produktvergleich - schnell zum besten Produkt