Leserforum: Warum überzeugt kein Kanzlerkandidat?

Düsseldorf. Die Deutschen trauen den Spitzenkandidaten von CDU/CSU, SPD, Grünen und AfD die Rolle des Kanzlers nicht zu. So halten jeweils über 50 Prozent der Befragten des ZDF-„Politbarometers“ die Politiker für ungeeignet, Deutschland zu führen. Friedrich Merz steht noch am besten da. 54 Prozent der Befragten halten ihn trotzdem für unqualifiziert, das Amt des Bundeskanzlers einzunehmen. Am schlechtesten steht Alice Weidel da. Sie wird von 81 Prozent als ungeeignet eingestuft.
Wir haben unsere Leserschaft gefragt: Warum überzeugen die Spitzenkandidaten der Parteien für das Kanzleramt nicht, und woran sollten die Politiker arbeiten?
Den Zusendungen nach lautet die Frage der Leserinnen und Leser wohl eher: „Warum kann keiner auch mal gute Stimmung machen?“ Genau die dafür notwendigen Eigenschaften würden den Spitzenkandidaten fehlen, heißt es. „Charisma und überzeugende Ausstrahlung“ vermisst zum Beispiel ein Leser bei den Kandidaten. Anstatt Konkurrenten schlechtzureden, sollten Verbesserungen angestrebt werden, fordert ein anderer. Eine Leserin bezeichnet die derzeitige Regierung sogar als „Streithammel“.
Mehrere Leser sind der Meinung, dass sich die Kandidaten „vom Alltag der Menschen distanzieren“ und „ihre Aussagen den Bürger nicht mehr erreichen“.
Auch fehlende Lösungsansätze und leere Versprechungen werden unter der Leserschaft breit diskutiert. Keiner der Spitzenkandidaten, so ein Leser, konnte sich „in der Vergangenheit als tatsächlicher Macher präsentieren“. Stattdessen bezeichnet ein anderer Leser sie gar als „Schreibtisch-Theoretiker“.
Klare Kandidatenwünsche äußern zwei Leserinnen. Sie wünschen sich einen Politiker „aus der zweiten Reihe“, der jung und beliebt ist. Eine der Leserinnen erwähnt explizit Hendrik Wüst und Lars Klingbeil.
Eine etwas andere Forderung stellt dieser Leser: Für ihn ist ein Kandidat erst des Amtes würdig, wenn er ein „politisches Meisterstück“ vollbracht hat. Solche Meisterstücke hätten Angela Merkel, Helmut Schmidt, Helmut Kohl und Gerhard Schröder abgeliefert. Scholz hingegen soll nach seiner Ansicht das „von Merkel initiierte Meisterstück (G20-Gipfel in Hamburg) verbockt“ haben.
Für die aktuelle Ausgabe unseres Leserforums haben wir eine Auswahl aus den unterschiedlichen Zuschriften für Sie zusammengestellt.
Riesenchance vertan
„Wahrscheinlich ist es so einfach: Die beiden Herren sind der Masse schwer vermittelbar. Dass sich Olaf Scholz noch eine weitere Runde ins Kanzlerasyl retten möchte, überrascht wenig. Ein Politiker, der den Verdacht nicht glaubwürdig entkräften kann, aktiv Beihilfe zum Steuerraub geleistet zu haben, schadet dem Amt. Egal, welchem. Sein kommunikatives Unvermögen kommt erschwerend hinzu. Dass Merz in seiner eigenen Partei viele keine führende Position zutrauen, zeigt die Historie von drei Anläufen zum Parteivorsitzenden. Bei den Wählern steht er wohl eher für wenig progressiv, frauenfeindlich mit abgehobenem Lebensstil. Der gelegentliche Griff in die Populismuskiste macht so einen Typen nicht volksnah. Die CDU hat eine Riesenchance vertan, indem sie nicht eine der jüngeren und beliebteren Alternativen nominiert hat.“
Ulrike Dockhorn
Kandidaten sind zu distanziert
„Ich empfinde die Spitzenkandidaten als unzureichend, weil ich nicht das Gefühl habe, dass sie klare Lösungen für die drängenden Probleme des Landes bieten. Zudem wirken einige Kandidaten zu distanziert vom Alltag der Menschen, meinem Alltag, und vermitteln keine echte Nähe oder Empathie. Eine stärkere Personalisierung der Kampagnen sowie mehr Fokus auf authentische, charismatische Führung könnten mein Vertrauen verbessern.
Die Kandidaten sollten außerdem konkrete Visionen und Themenführerschaft zeigen, um als kompetent wahrgenommen zu werden. Letztlich sind klare Kommunikation und ein mutiger, zukunftsorientierter Ansatz entscheidend, um mich zu überzeugen.“
Oliver Born
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Wir brauchen Klarheit
„Weil unsere Politiker eine Überheblichkeit entwickelt haben und ihre Aussagen den Bürger nicht mehr erreichen. Verständliche Lösungsansätze und Perspektiven sind, wenn überhaupt vorhanden, zu komplex und ermöglichen dem Wähler keine Identifikation. Trump würde sagen, ich habe ein Konzept eines Plans; bei uns allerdings vielleicht nur die Idee eines Konzepts. Schlagwörter wie Klimaschutz oder innere Sicherheit sind nur leere Hüllen, die nicht mehr reichen. Wer verunsichert ist, braucht einfache Klarheit, keine Fantasien.“
Uwe Franz
Auch Merz hat wenig Charisma
„Des Rätsels Lösung ist ganz einfach: Ein echter Staatsleader bringt neben Sachverstand, Durchsetzungsstärke und politisch stabiler Erdung eben halt auch Charisma und eine überwiegend positive und überzeugende Ausstrahlung mit.
Bei vielen (eher emotionalen) Wählern werden die letztgenannten Attribute sogar im Vordergrund stehen.
Leider verfügen weder Scholz noch Merz darüber. Der letzte Kanzler, dem ich alle diese Attribute zusprechen kann, war in meinen Augen Helmut Schmidt, auch wenn ich es nicht mit seiner Partei halte.“
Martin Stecher
Alle keine „Macher“
„Ich halte die Kandidaten deshalb für ungeeignet, weil sich keiner in der Vergangenheit als tatsächlicher „Macher“ präsentiert hat und auch der nötige Pragmatismus fehlt, dessen es für die großen Projekte – Sozialversicherungen, Steuern, wirtschaftliche Stabilität und Wohlstandsverwahrlosung – bedarf.“
André Kalac
Der Nächste hat viel zu tun
„Die Spitzenkandidaten überzeugen nicht, weil alle wie wenig durchsetzungsfähige Schreibtisch-Theoretiker wirken. Die Bürger spüren instinktiv, dass Deutschland momentan hemdsärmelige Unternehmertypen und Macher braucht, die auch unangenehme Wahrheiten aussprechen und angehen.
In der jetzigen geopolitischen Lage muss Deutschland leider nicht nur wieder eine wirtschaftliche, sondern auch wieder eine militärische Macht werden. Die Baustellen Bildung, Brücken, Straßen, Bahn und Digitales müssen endlich beschleunigt angegangen werden, und Europa muss noch enger zusammenwachsen. Für den noch zu findenden Macher nebst Team gibt es wirklich sehr viel zu tun!“
Gerhard Amos
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Wo bleibt die eigene Idee?
„Wahlkampf funktioniert heutzutage leider nur, indem der jeweils andere (Konkurrent) schlechtgemacht wird. Anführer dieser Strategie sind die USA – insbesondere Trump.
Jegliche Partei weiß immer nur, was die Konkurrenz falsch macht, aber die eigene Idee, das eigene Programm bleibt im Hintergrund. Warum kann keiner auch mal gute Stimmung machen, Erfolge darstellen – zumindest da, wo es passt?“
Udo Geisler
Der perfekte Kandidat muss sich erst beweisen
„Damit jemand ein 80-Millionen-Volk politisch führen kann, sollte er oder sie zuvor zumindest ein politisches Meisterstück abgeliefert haben, wie es Schmidt, Kohl, Schröder oder Merkel seinerzeit vor ihrer Kandidatur taten. Anders heute: Scholz hat sein von Merkel initiiertes Meisterstück verbockt (G20-Gipfel in Hamburg). Entsprechend schwach erscheint er heute als Bundeskanzler.
Ähnliches gilt für Habeck, der sich gegen seine Parteirivalin im Vorfeld der letzten Bundestagswahl nicht durchsetzen konnte. Und März (von Merkel seinerzeit mit leichter Hand brutal gebodigt und aus der Politik vertrieben) fehlt ganz generell der politische Instinkt für ein Meisterstück. So lässt sich nur hoffen, dass jemand auch ohne ein Meisterstück ein tatkräftiger künftiger Regierungschef wird.“
Prof. Dr. Georg Erdmann
Keiner der Spitzenpolitiker erfüllt Kanzlerkriterien
„Der ideale Kandidat für das Bundeskanzleramt ist eine charismatische, sympathische und integre Persönlichkeit mit umfangreicher politischer Erfahrung, internationaler Kompetenz und einer klaren Vision für die Zukunft Deutschlands. Er oder sie verfügt über starke mediale und kommunikative Fähigkeiten, diplomatisches Geschick und zeigt nicht nur in Krisen Führungs- und Entscheidungsstärke.
Bewertet man die Spitzenkandidaten der Parteien einmal nach diesen Kriterien, wird schnell klar, warum der Zuspruch sich für alle in Grenzen hält, wobei Herr Merz unter den schlecht bewerteten nachvollziehbar noch am besten abschneidet. Aber wie man bei Frau Merkel sehen konnte, die vor ihrer ersten Kanzlerschaft nach den genannten Kriterien niemals hätte gewählt werden können, gewinnen manche Kandidaten an Statur, und dann ist Volkes Stimme auch wandelbar.“
Oliver Dange
Lieber regiert Hendrik Wüst oder Lars Klingbeil
„Die Kanzlerkandidaten sollten unverbraucht und einend sein.
Die Kandidaten der derzeitigen Regierung kennt man nur als Streithammel, und Friedrich Merz tut auch so, als ob die Regierung zuvor keine grundlegenden Fehler gemacht hätte.
Ich denke, das Vertrauen in diese Personen ist nicht mehr gegeben. Ich würde Leute aus der zweiten Reihe präferieren, wie Henrik Wüst oder Lars Klingbeil.“
Susanne Heiss
Zu viele leere Versprechungen
„Die Kandidaten scheinen den Alltag der normalen Bürger nicht mehr wirklich zu kennen.
Die Politik richtet sich nicht mehr an die breite Bevölkerung, sondern konzentriert sich nur auf bestimmte Zielgruppen, mit denen man Wahlen gewinnen kann.
Oft wirkt es so, als gehe es mehr darum, den politischen Gegner schlecht darzustellen, anstatt tatsächliche Verbesserungen zu erreichen.
Versprechen werden gemacht, aber am Ende nicht eingehalten.
Zudem werden der technologische Wandel und die Digitalisierung nicht ernst genug genommen und wir hinken immer weiter hinterher.“
Christian Waadt
Kandidaten nehmen Person wichtiger als das Amt
„Sowohl Friedrich Merz als auch Olaf Scholz überzeugen meiner Meinung nach in den Umfragen bei den Wähler*innen nicht, da beide ihre Person wichtiger nehmen als das Amt, für das sie kandidieren. Die Parteipolitik und der selbst inszenierte „Personenkult“ lenkt beide von den eigentlichen Aufgaben, vor denen unser Land steht (zum Beispiel Klima- und Demografiewandel, Digitalisierung), ab.
Meinem Empfinden nach wünschen sich die Menschen mehr Ehrlichkeit und nachhaltige Anpassungen.






Eine neue politische Führung sollte die Menschen im Land wieder motivieren und nicht nur weiter die deutlicher werdenden Defizite verwalten. Ich wünschte mir, dass die Parteiführungen den Weg für eine neue Generation von Politiker*innen frei machen würden.“
Marco Zaft
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