Leserforum: Führt die neue Wahlkampfstrategie die SPD aus der Krise?

Die SPD legt ihre Wahlkampfstrategie fest. Die wesentlichen Punkte sind: Entlastung von 95 Prozent der Steuerzahler, Kaufprämie für E-Autos und ein Mindestlohn von 15 Euro. Das Konzept sieht auch eine Reform der Schuldenbremse und weitere Maßnahmen zur Senkung der Strompreise vor. Damit möchte die SPD laut Parteichef Lars Klingbeil „als stärkste Kraft vom Feld gehen und wieder den Bundeskanzler stellen“.
Wir haben unsere Leserschaft gefragt: Kommt die SPD mit dieser Wahlkampfstrategie aus der Krise und hilft es ihr, die Bundestagswahl erneut zu gewinnen?
Um Scholz bei der nächsten Wahl eine Stimme zu geben, reichen für die Mehrheit der Leserschaft die „Wahlgeschenke“ der SPD nicht aus. Ein Leser sieht gerade in den „viel zu hohen Löhnen“ den Hauptgrund, „warum die Wirtschaft nicht mehr funktioniert“. Auch wünscht sich ein Leser anstelle von Kaufprämien für E-Autos eine bessere Infrastruktur, um die Kaufmotivation in der Bevölkerung zu stärken.
» Lesen Sie auch: Die SPD schaltet vom Regierungs- in den Wahlkampfmodus
Ein Leser argumentiert, dass die von der SPD vorgestellten Maßnahmen der Wirtschaft schaden und notwendige Investitionen verhindern würden.
Die Maßnahme zur Entlastung von 95 Prozent der Steuerzahler wird unter den Leserinnen und Lesern breit diskutiert. So findet die Mehrheit der Leserschaft die Maßnahme problematisch und nicht zielführend. Ein Leser hingegen wünscht sich zusätzlich zu der Entlastung sogar noch eine Vermögensteuer. Seiner Meinung nach ermögliche sich daraus eine Finanzierung der Rentenversicherung und der Gesundheitsreform.
Die meisten Leserinnen und Leser glauben nicht an die Bezahlbarkeit und realistische Umsetzung der angekündigten Maßnahmen. „Man muss jede Änderung auch bis zu Ende denken“, so ein Leser. Dass der Wahlkampf eine „harte Strecke“ wird, ist dem SPD-Chef Lars Klingbeil bewusst. Dies räumte er zu Beginn der Bundesvorstandsklausur am Sonntag und Montag ein.
Für die aktuelle Ausgabe unseres Leserforums haben wir aus den unterschiedlichen Zuschriften eine Auswahl für Sie zusammengestellt.
Wir brauchen neue Konzepte
„Es braucht eine Generalreform in diesen Zeiten, wo solche Endlosschleifen von prekären Koalitionen ein Ende finden und wo neue, visionäre Konzepte mit neuer Wahl- und Regierungsbildung, Arbeit und Wirtschaft, Migration, Medien, Bildung und so weiter eine neue Perspektive für die Gesellschaft eröffnen.“
Theresa Kendler
Zusätzliche Steuereinnahmen
„Zunächst wäre es interessant zu wissen, was durch die Erhöhung des Mindestlohns und die damit einhergehende Aufwärtsspirale der Löhne und Gehälter zusätzlich an Steuern eingenommen wird. Denn schlussendlich werden 95Prozent höher besteuert, 10 Prozent profitieren möglicherweise von der Kaufprämie für E-Autos, wodurch ebenfalls weitere Steuern generiert werden und die Autoindustrie weiterhin subventioniert wird. Leider am Thema vorbei: mangelhaft!“
Jens Hoppmann
Änderung auch zu Ende denken
„Die viel zu hohen Löhne sind ein Hauptgrund, warum die Wirtschaft nicht mehr funktioniert. Entscheidend ist doch schon immer, was als Reallohn übrig bleibt. Der ideologisch angehobene Mindestlohn wird durch die unausweichlich folgenden Preissteigerungen aufgefressen. Dazu kommen noch die unzähligen Steuern (auch Mehrfachsteuern) des Staates, sodass der Bürger real immer weniger in der Tasche hat. Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn der Konsum einbricht und die Schwarzarbeit boomt.
Wir haben ein stark aufgeblähte und arbeitsverweigernde Politik und Verwaltung und damit ein gewaltiges Ausgabenproblem. Die Aufnahme von weiteren Schulden wäre tödlich. Würde man die unsinnigen Stellen in Politik, Verwaltung abbauen, und vernünftige leistungsbezogene Anreize setzen, hätte man auch keinen Arbeitskräftemangel.
Man muss jede Änderung auch bis zu Ende denken. Hätten die Entscheidungsträger in ihrem Vorleben erfolgreich wertschöpfend gearbeitet, wüssten sie das. Würden die Politiker von ihren realitätsfremden ideologischen Entscheidungen, wie der gemeine Bürger auch fiskal betroffen sein, würden sie diese aktionistischen Gesetze, zum Schaden des Landes, auch nicht beschließen.“
Dipl.-Ing. Jürgen Maaßen
SPD, die Stimme des Volkes
„Wenn die SPD jetzt noch die Vermögensteuer wieder einführt und eine radikale Einkommensteuerreform – jeder verdiente Euro, egal wie verdient, wird gleich versteuert – einführt. Damit ist dann auch eine vernünftige Rentenversicherung und eine Reform des Gesundheitswesens bezahlbar!
Deutsche gebt im nächsten Jahr der SPD die nötige Mehrheit dafür! Zur Erinnerung: Nur die SPD-Kanzler Brandt, Schmidt, Schröder und jetzt auch Scholz haben für unser Land und die Deutschen regiert, nicht für ihre Wiederwahl!“
Manfred Weiglein
SPD setzt auf Wahlgeschenke
„Ich halte das SPD-Programm für unseriöse Klientelpolitik, die gezielt auf Wahlgeschenke setzt, ohne sich auf die wichtigste Aufgabe zu konzentrieren: die Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft durch angemessene Standortfaktoren.
Durch die Lockerung der Schuldenbremse ist auch eine noch höhere Verschuldung vorprogrammiert, die entweder irgendwann wegen steigender Zinslast – an Tilgung denkt ja ohnehin niemand mehr – immer weniger Ausgabenspielräume zulässt oder für griechische oder argentinische Verhältnisse sorgen wird.
Aber wer nur im Hier und Jetzt lebt und gerne einen kleinen Steuerbetrag sparen und etwas mehr in der Lohntüte haben möchte, fällt vielleicht darauf herein.“
Ingo Köhnke

Zukunftsvision oder Wahlkampfgetöse? Eine kritische Analyse des SPD-Wahlpapiers
Mehrbelastung für die Wirtschaft
„Die Entlastung von 95 Prozent der Steuerzahler soll durch eine Mehrbelastung der restlichen fünf Prozent Steuerzahler finanziert werden. Das Problem ist nur, dass diese restlichen fünf Prozent der Steuerzahler diejenigen sind, die die Wirtschaftstätigkeit im Wesentlichen bestimmen und am Laufen halten, sie werden die Mehrbelastung nicht ohne Konsequenzen hinnehmen.
Die Wirtschaft ächzt heute schon unter hohen Lohn- und Lohnnebenkosten, sie wird sich über 15,00 Euro Stundenlohn sicher freuen, die Kaufprämie für E-Autos sollte besser in eine funktionierende Infrastruktur für E-Autos investiert werden, wozu auch die Förderung von Batterieentwicklung gehört, die ja laut Frau Stark-Watzinger 2025 auslaufen soll.
Wenn die Rahmenbedingungen für E-Autos stimmen, werden die Menschen von alleine kommen. Und anstatt die Schuldenbremse zu lockern, sollte endlich über Einsparmöglichkeiten seitens des Staates nachgedacht werden, so, wie es jeder Unternehmer tun würde, dem die Kosten über den Kopf wachsen. In meinen Augen sind die Vorschläge der SPD nicht dazu geeignet, Herrn Scholz zur Wiederwahl zu verhelfen.“
Mathias Zeidler
Vorschläge zur Schuldenbremse fehlen
„Die SPD steckt in keiner „Krise“. Die Ideen der SPD sind ja nicht wirklich neu. Es wäre hilfreich einige Punkte zu konkretisieren. Schuldenbremse: Wer wie die FDP krampfhaft an dieser festhält, soll bitte sagen, wie die zukünftigen Investitionen finanziert werden sollen. Und daran hapert es ja.
Die SPD will die Schuldenbremse ändern. Die Vorschläge dazu fehlen, bisher. Was Sinn macht, ist, die Reichen und Superreichen an den Kosten Deutschlands gleich zu beteiligen.
Es wäre schon ein Anfang, nicht nur „Arbeit“ zu besteuern oder indirekte Steuern „MwSt.“ zu erhöhen (was momentan nicht erwogen wird), sondern Kapitalerträge den persönlichen Einkommen zuzuschlagen und damit zu versteuern. Schwarzgeld auf Offshorekonten: Warum Schwarzgelder, die auf den Offshorekonten parken, nicht verfolgt werden, ist ebenfalls schleierhaft.
In Deutschland herrscht Ungleichheit, in einem Maß, das kaum erträglich ist. Es scheint ja so, als sei das politisch so gewollt. Und hier können sich alle Parteien an die Nase fassen.“
Klaus Fuchs
Lohn-Thema ist für Experten
„Es ist schade, dass die SPD mit der Anhebung des Mindestlohns sich weiter in ein Gebiet einmischt, was meiner Meinung nach nicht in politische Hände sollte, sondern weiterhin von einem Expertengremium beschlossen werden sollte. Auch der Zuschuss für E-Autos ist eigentlich ein Thema, das sich als Wahlkampfthema der Grünen gehört.
Das hört sich nach Fischen in fremden Gewässer an, was die SPD da betreibt. Beide Themen wirken auf mich nur nach Wählerstimmenfang und wenig durchdacht. Und das Thema Einkommensteuer ärgert mich als Steuerberater besonders, denn das trifft wie immer voll den Mittelstand und die qualifizierten Arbeitnehmer, die Deutschland doch eigentlich so dringend braucht.
Wie sagte einmal Franz Joseph Strauß so schön: Bevor die SPD was von Wirtschaft versteht, kann man in der Antarktis Ananas züchten. In Zeiten des Klimawandels wirkt das Zitat nicht mehr ganz so dramatisch, aber es trifft leider immer noch zu.“
Astrid Eisenhuth
Olaf Scholz hat Chance verspielt
„Ich schreibe das Folgende als langjähriger Anhänger der SPD, dem es in der Seele wehtut. Leider scheint die SPD einfach nicht dazuzulernen. Sie hat offenbar auch nicht verstanden, warum sie überhaupt vor drei Jahren in die Regierungsverantwortung gekommen ist. Eine etwaige Rechtfertigung hat sie jedenfalls schon längst verspielt.
» Lesen Sie auch: „Generation rechts“ – mehr Mythos als Wirklichkeit
Die Wählerschaft ist weder dumm noch naiv. Sie erwartet einen Plan für das Land mit kurz-, mittel- und langfristigen (Etappen-)Zielen auf der Basis einer realistischen Sicht der Gesamtlage, nicht eine Ansammlung von einigen symptombezogenen Einzelpunkten, bei denen nicht klar ist, was mit deren Umsetzung wie und in welcher Wechselwirkung erreicht werden soll, und im Übrigen in Teilen auch gleich mit Leichtigkeit als nicht machbar oder nicht sinnvoll kommentiert wird.
Was bleibt also hängen in der öffentlichen Wahrnehmung? Die SPD bringt sich ohne Not vom Start weg in eine defensive Lage, scheint eher mit Trotz auf ihre desolate Lage zu reagieren. Wir glauben der SPD nicht, weil wir sie nicht verstehen, weil sie nicht erklärt und nachvollziehbar begründet, weil wir nicht erkennen können, ob sie einen Plan hat.
Mit dieser Strategie wird die SPD bei der Bundestagswahl bei unter 20 Prozent landen. Und Olaf Scholz hat leider ohnehin seine Chance verspielt.“
Volker Grunewald
Schlechte Kommunikation
„Die SPD kann eigentlich machen, was sie will, in der breiten Öffentlichkeit wird sie für die schwache Leistung der Koalition verantwortlich gemacht. Wobei die schwache Leistung in erster Linie in der Kommunikation besteht. Denn viele Maßnahmen, die gemacht wurden, sind in meinen Augen notwendig und richtig gewesen.
Einen Wahlsieg der CDU kann diese Partei eigentlich nur noch in Person von Herrn Merz selbst verhindern. Das Fettnäpfchen muss aber ganz schön groß sein, damit die CDU nicht die zweitstärkste Partei wird und dann die große Koalition anführt.
Die CSU wird es viel leichter haben in ihrem Gebiet zu punkten. Ob die Grünen noch mal ins Parlament einziehen, ist wahrscheinlich. Bei der FDP ist das fast ausgeschlossen.“
Ulrich Harms






Wenn auch Sie sich im Forum zu Wort melden möchten, schreiben Sie uns per E-Mail an forum@handelsblatt.com oder auf Instagram unter @handelsblatt.
Mehr: Geldmangel allerorten: Muss die Pflegeversicherung reformiert werden?







