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Morning BriefingDas Jahr der Wahrheit – was sich 2025 alles entscheiden könnte

Christian Rickens 02.01.2025 - 06:16 Uhr Artikel anhören
Morning Briefing

Was bleibt nach diesem Jahr noch vom Liberalismus?

02.01.2025
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Guten Morgen,

ein herzliches Moin an das noch junge Jahr 2025! Was es uns wohl bringen wird? Ich erwarte vor allem Antworten auf drei drängende Fragen:

    Ein gerechter Frieden für die Ukraine – darauf wagt kaum noch jemand zu hoffen. Aber wird es unter dem neuen US-Präsidenten Donald Trump womöglich gelingen, einen Waffenstillstand zu halbwegs akzeptablen Bedingungen durchzusetzen? Sprich: ohne endgültige Gebietsabtretungen an Russland und mit robusten Sicherheitsgarantien für Kiew?Wird es die nächste Bundesregierung schaffen, das Wachstum nach Deutschland zurückzubringen, ohne dabei die finanzielle und ökologische Nachhaltigkeit hintenan zu stellen? Konkret: ohne riesige neue Schuldentöpfe und ohne Rollback beim Klimaschutz?Und schließlich: Werden wir am Ende des Jahres noch eine liberale Partei haben, die diesen Namen verdient? Für die FDP sehe ich zwei Gefahren: dass sie es im Februar nicht mehr in den Bundestag schafft und in der Bedeutungslosigkeit versinkt. Oder dass sie ihr Heil in einer programmatischen Verengung sucht, bei dem der Freiheitsbegriff irgendwann vor allem darin besteht, seinen SUV jederzeit auf dem Bürgersteig parken zu dürfen.

Für die meisten Deutschen sind bei der anstehenden Bundestagswahl zwei Themen wahlentscheidend: die Migrationsfrage und die wirtschaftliche Entwicklung. Das ist das Ergebnis einer Umfrage der Demoskopen von Civey. Eine Diskrepanz fällt dabei besonders ins Auge: Während viele Medien – inklusive dem Handelsblatt – von der kommenden Bundesregierung entschlossene Reformen fordern, sehnen sich die Bürgerinnen und Bürger laut Civey vor allem nach Stabilität und Verlässlichkeit.

Janina Mütze: Die Meinungsforscherin beobachtet mit ihrem Unternehmen Civey die Wahlabsichten der Bundesbürger. Foto: DPA

Civey-Chefin Janina Mütze schreibt dazu im Handelsblatt: „Klimaschutz und Anpassung an klimatische Veränderungen rangieren in den Köpfen der Menschen immer weiter hinten. In der Migrationsfrage dominieren die vermeintlich einfachen Lösungen. Und auch in der Diskussion rund um den Wirtschaftsstandort scheint die Tragweite der benötigten Veränderungen noch nicht überall angekommen zu sein.“

Pharma, Energie, Maschinenbau, Chemie: In vielen Branchen wollen Unternehmen massiv auch in Deutschland investieren. Foto: dpa (4)

Fest steht: Ein ganzer Rucksack von Herausforderungen belastet den Standort Deutschland. Laut einer Studie der Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte gibt es jedoch auch positive Signale. Die Ausrüstungsinvestitionen könnten 2025 zulegen, also zum Beispiel die Ausgaben für neue Maschinen.

Waren die Ausrüstungsinvestitionen 2024 noch um etwa sechs Prozent gesunken, erwartet Deloitte für das gerade begonnene Jahr einen minimalen Zuwachs von 0,2 Prozent. 2026 sollen es dann plus 1,8 Prozent werden.

Ein Grund zur Euphorie ist das laut Deloitte-Chefökonom Alexander Börsch aber nicht:

Wir müssen erst einmal fünf Jahre Stagnation und einen Rückgang der Investitionen von Unternehmen in Ausrüstung um zehn Prozent im Vergleich zum Vor-Corona-Niveau aufholen.
Produktion bei VW: Die deutsche Autoindustrie steht vor harten Einschnitten. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Das Handelsblatt Research Institute (HRI) geht in seiner neuen Konjunkturprognose sogar davon aus, dass die deutsche Wirtschaft im neuen Jahr um 0,1 Prozent schrumpfen wird. Nach einem Minus von 0,3 Prozent 2023 und 0,2 Prozent im gerade zu Ende gegangenen Jahr wäre das der dritte Rückgang in Folge. Solch eine lange Durststrecke gab es noch nie in der bundesdeutschen Geschichte. Erst für 2026 rechnen die HRI-Ökonomen wieder mit einem leichten Wachstum von 0,9 Prozent.

Laut Handelsblatt-Chefökonom Bert Rürup steckt „die deutsche Wirtschaft in ihrer größten Krise der Nachkriegsgeschichte“. Angesichts des auf bescheidene 0,5 Prozent gesunkenen Wachstumspotenzials sei auch keine baldige Besserung in Sicht, „da die Volkswirtschaft am Beginn eines kräftigen Alterungsschubs steht“.

Legt man diese Prognose über die Erkenntnisse von Civey, zeigt sich das ganze Dilemma der Politik: Mit dem Versprechen von möglichst wenig Veränderung lässt sich vielleicht die kommende Wahl gewinnen. Aber anschließend wird sich dieses Versprechen nicht einhalten lassen.

Polizeiabsperrung in New Orleans: Die Tat wird als terroristischer Angriff gewertet. Foto: AP

In dem Pick-Up-Truck, der in der Silvesternacht in New Orleans in eine Menschenmenge gerast war, haben Polizisten eine Flagge der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) gefunden. Auch Waffen seien im Tatfahrzeug gewesen. Dort und in der Nähe des Tatorts entdeckten die Ermittler zudem mehrere mögliche selbstgebaute Sprengkörper.

Wenige Stunden nach Mitternacht war ein US-Bürger mit dem Auto durch die feiernden Passanten im Ausgehviertel French Quarter gefahren und hatte dabei 15 Menschen getötet. Die Polizei meldete zudem 35 Verletzte. Der Täter habe sich einen Schusswechsel mit den Polizisten geliefert und zwei von ihnen verletzt, bevor er selbst ums Leben kam.

Sie waren ein heimliches Symbol der Zeit rund um die Jahrtausendwende: In vielen Haushalten hing damals über dem Festnetztelefon ein aus der Zeitung ausgeschnittenes Zettelchen, darauf die aktuell günstigsten Call-by-Call-Vorwahlen mitsamt Minutenpreisen. Das Geschäft mit den Vorwahlen ist seit gestern Geschichte, ein entsprechendes Marktmodell ist zum Jahreswechsel ausgelaufen. Flatrate-Tarife und Anrufe über Internet-Dienste haben die Billig-Vorwahlen überflüssig gemacht.

Villa Aurora in Los Angeles: Treffpunkt der Literaten. Foto: Christian Rickens

Mit diesem Briefing melde ich mich zurück aus der Jahresend-Pause. Sie hat mich – die meisten von Ihnen haben es richtig erraten – nach Los Angeles geführt. Unter anderem in die traumschöne Villa von Lion Feuchtwanger. Sie war einst der Mittelpunkt einer ganzen Community deutscher Exil-Literaten. Thomas Mann residierte einige Kilometer weiter und schrieb dort unter anderem sein grandioses Spätwerk „Doktor Faustus“.

Kleiner Hinweis an diejenigen, die dank KI-Unterstützung auf San Francisco als mein Reiseziel und Günther Grass als angeblich dort tätigen Literatur-Nobelpreisträger getippt haben: ChatGPT erzählt bisweilen offenbar ähnlich viel Tünkram wie Oskar Matzerath in der „Blechtrommel“.

Ich wünsche Ihnen einen faktenstarken Start ins Jahr,

Herzliche Grüße,

Ihr

Christian Rickens

PS: Auch im neuen Jahr machen wir noch etwas weiter mit den Antworten auf Ihre Fragen zum Morning Briefing. Die heutige lautet:

„Abgesehen von Ihrer Redaktion: Aus welchen Kanälen beziehen Sie Ihre Informationen?“

Die mit Abstand wichtigste Informationsquelle für das Morning Briefing neben dem Handelsblatt selbst sind für mich die drei Nachrichtenagenturen Deutsche Presse-Agentur (dpa), Reuters und Bloomberg. Daneben werfe ich meist einen Blick in die Digitalausgaben von Frankfurter Allgemeiner Zeitung (FAZ), Süddeutscher Zeitung (SZ) und Spiegel. Dabei geht es mir weniger um neue Informationen als darum, wie die Konkurrenz bestimmte Themen gewichtet und kommentiert.

An internationalen Medien nutze ich gern die Digitalausgaben von Financial Times und Washington Post. Letztere ist für mich vor allem wichtig, weil sich am späten Abend deutscher Zeit oft noch etwas in der US-Innenpolitik tut.

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Öffentlich-rechtliche Medien nutze ich für das Morning Briefing kaum. Auch privat ist die Sportschau am Samstag die einzige Sendung, die ich noch regelmäßig im linearen Fernsehen verfolge. Ich bin aber ein großer Fan des Deutschlandfunks und der ARD-Audiothek.

Daneben gilt bei der Arbeit am Morning Briefing, was ich generell am Journalistenberuf so schön finde: Jedes Erlebnis, jedes Gespräch, ob privat oder dienstlich, kann für neue Erkenntnisse und Eindrücke sorgen. Und so manches davon findet sich dann im morgendlichen Newsletter wieder.

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