Morning Briefing: Die Unicredit verfolgt bei der Commerzbank die Artischocken-Strategie

Die Fed senkt den Leitzins und ändert ihren Ausblick
Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
Es gibt Neuigkeiten vom Herzschrittmacher der Weltwirtschaft. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hat ihren Leitzins erneut um einen viertel Prozentpunkt gesenkt. Dies ist bereits die dritte Zinssenkung in Folge, nachdem die Fed die Zinsen im Kampf gegen die Inflation auf den höchsten Stand seit 23 Jahren angehoben hatte.
Für das kommende Jahr jedoch sind weniger Zinssenkungen geplant als ursprünglich vorgesehen. Denn der Puls des Geldwerts, die Inflation, befindet sich schon wieder in bedenklich hohen Gefilden.
Die Märkte reagieren wenig begeistert auf die neue Zurückhaltung der Notenbank. Die wichtigsten Indizes drehten nach der Ankündigung ins Minus.

Bei den Übernahmeplänen für die Commerzbank verfolgt die italienische Großbank Unicredit derzeit eine Artischocken-Strategie – auf Italienisch „strategia del carciofo“. Sie reißt sich immer mehr Schichten der Commerzbank unter den Nagel, um schließlich an das Herzstück zu kommen und die Übernahme perfekt zu machen.
Konkret sieht das so aus: Anfang September hatten die Italiener den Teilausstieg des Bundes genutzt und waren im großen Stil bei Deutschlands zweitgrößter Privatbank eingestiegen. Sie hatten sich zunächst über Finanzinstrumente die Option gesichert, ihren Anteil von neun auf 21 Prozent aufzustocken. Gestern haben sie ihren Anteil auf rund 28 Prozent erhöht.
Doch die italienische Großbank muss die über Derivate aufgebauten Anteile für ihr Übernahmebestreben noch in Aktien mit Stimmrecht verwandeln. Dazu ist allerdings die Zustimmung der Europäischen Zentralbank nötig. Die deutsche Bundesregierung ist von der Artischocken-Strategie der Italiener wenig begeistert. Gestern forderte sie die Großbank auf, von der Commerzbank abzulassen.

Gestern habe ich an dieser Stelle die wirtschaftspolitischen Wahlprogramme der Parteien vorgestellt, heute stellen wir uns die wichtige Frage: „Was koscht des?“ Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat das mal nachgerechnet. Konkret versprechen die Parteien laut IW die folgenden finanziellen Erleichterungen:
Zur Finanzierung setzt die Union auf Wachstumseffekte, die SPD auf Steuern für Gutverdiener und eine Lockerung der Schuldenbremse, die Grünen wollen Steuerschlupflöcher schließen und ebenfalls die Schuldenbremse reformieren und die FDP will Subventionen zurückfahren und bei der Sozialpolitik kürzen. Das IW ist von den Ansätzen allerdings nicht so richtig überzeugt. Keinen der vorgelegten Vorschläge zur Gegenfinanzierung hält das Institut für realistisch.
Mein Berliner Kollege Martin Greive, Experte für Steuer- und Finanzpolitik, kommt angesichts der vorgelegten Pläne zu dem vernichtenden Urteil: „Auf der nach unten offenen Niveau-Limbo-Diskussionsskala der deutschen Steuerpolitik haben die Parteien in diesem Wahlkampf einen neuen Tiefpunkt erreicht.“
Alle Vorschläge seien nichts als leere Versprechungen. Den Vogel schieße die FDP ab. Die 138 Milliarden Euro teuren Entlastungsideen der Liberalen bezeichnet mein Kollege als „selbst für FDP-Verhältnisse Wahnsinn“. Die Finanzierungsvorschläge von SPD und Grünen bezeichnet er als „die alten Hits“ und nennt die vorgeschlagene Vermögenssteuer ein fatales Signal für den Standort.
Selten war die Stimmung kurz vor Weihnachten so trübe wie derzeit. Da tut es gut, wenn jemand zur Abwechslung mal richtig gute Laune verbreitet. Hendrik Riehmer, Chef der Berenberg Bank, blickt „superoptimistisch“ ins Börsenjahr 2025. Glaubt man Riehmer, dann wird etwa die Rally am Kryptomarkt weitergehen. „Die Chancen stehen sehr gut, dass der Bitcoin auf 150.000 Dollar steigt“, prophezeit der Banker. Er begründet seine euphorische Prognose mit der Knappheit der Kryptowährung und der erhofften Deregulierung durch Donald Trump.
Außerdem erwartet Riehmer Kursgewinne bei den Nebenwerten. Bisher sind die allerdings vor allem in den USA eine gute Wahl gewesen. Dort hat der Nebenwerte-Index Russell 2000 in den vergangenen zwölf Monaten 16 Prozent zugelegt, während der deutsche MDax über drei Prozent verlor.
Es klingt paradox in den aktuellen Zeiten, in denen Krieg Hochkonjunktur hat: Ein Rüstungskonzern schreibt Verluste und kündigt an, 2000 Stellen abzubauen. Wer beim deutsch-französischen Konzern Airbus und seiner Defence-Sparte allerdings genauer hinschaut, merkt, woran das liegt. „Das Verteidigungsgeschäft läuft auch bei uns gut“, erklärt Michael Schöllhorn, der die Rüstungs- und Raumfahrtsparte bei Airbus leitet.
Das Problem liege im Raumfahrtgeschäft, das sich in einem schwierigen Marktumfeld befinde. Um dort wettbewerbsfähig zu bleiben, müsse Airbus Defence „schlanker und agiler werden“, rechtfertigt Schöllhorn den Stellenabbau. Er warnt, dass das Kaufen von Rüstungsgütern „von der Stange“ in den USA dazu führe, dass Europa an Selbstbestimmtheit, industriellem Know-how, Jobs, Steuern und technologischem Vorsprung einbüße. Er appelliert: „Die europäische Rüstungsindustrie wird gebraucht.“
Zum Abschluss möchte ich mich heute einer inhaltlichen Frage widmen, die unser Team erreicht hat:
In vielen Ländern bestimmen ehemalige Eliteschüler die Politik. Warum ist das in Deutschland nicht so?
Das deutsche Bildungssystem ist weniger elitär strukturiert als etwa in Frankreich oder Großbritannien. Während es dort Internate wie das Eton College oder Eliteuniversitäten wie Oxford oder die französische Kaderschule Ena gibt, haben wir in Deutschland keine vergleichbaren elitären Einrichtungen, aus denen rekrutiert wird. Viele Politikerinnen und Politiker haben in Deutschland zudem vor ihrem Einstieg in anderen Berufen gearbeitet und sind über kommunale Ämter oder Parteiarbeit zur Politik gekommen.
Mich würde interessieren, wie Sie, liebe Leserinnen und Leser, unser politisches System in dieser Hinsicht bewerten. Ich persönlich befürworte es, wenn die Repräsentanten des Volkes das Volk auch repräsentieren. Auch, wenn es hier sicherlich noch Verbesserungsbedarf gibt. Schließlich besteht das deutsche Volk nicht zu 69 Prozent aus Männern und auch nicht zu über 20 Prozent aus Juristen.
Ich wünsche Ihnen einen guten Tag, an dem Sie sich angemessen vertreten fühlen.
Es grüßt Sie herzlich
Ihre
Teresa Stiens
Redakteurin Handelsblatt





