Morning Briefing Plus: Der Friede kommt nicht aus Europa
Liebe Leserinnen und Leser,
willkommen zurück zu unserem Blick auf die wichtigsten Ereignisse der Woche.
An Heiligabend saß ich mit meinen Kindern in der Christmette. Die vertrauten Bilder: das Krippenspiel, die Weihnachtsgeschichte, „Stille Nacht“, ein großer Baum, über und über mit Lichtern behängt.
In seiner kurzen Predigt erinnerte der Pfarrer an die Menschwerdung Gottes als Friedensbotschaft – und an den Auftrag, diesen Frieden nicht nur zu erhoffen, sondern an ihm zu arbeiten, im Alltag ebenso wie in der Weltpolitik. „Der Friede des Herrn sei mit Euch“ ist im katholischen Gottesdienst kein bloßer Wunsch, sondern eine Verpflichtung. In den vergangenen Jahren allerdings fiel es schwer, diese Hoffnung mit der Wirklichkeit in Einklang zu bringen.
Zum Ende dieses Jahres jedoch ist etwas in Bewegung geraten. Die Aussicht auf Frieden in der Ukraine ist so groß wie selten in den knapp vier Kriegsjahren. US-Präsident Donald Trump empfängt am Sonntag den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, um weiter über den Friedensplan zu sprechen. Das Weiße Haus kündigte das bilaterale Treffen in Palm Beach im Bundesstaat Florida für 15.00 Uhr Ortszeit (21.00 Uhr MEZ) an. Bei Selenskyj ist der Wille spürbar, den Krieg bald zu beenden – auch um den Preis von harten Kompromissen.
Natürlich gibt es auf russischer Seite bislang kaum Anzeichen für ernsthafte Verhandlungsbereitschaft, jedenfalls nicht ohne erhebliche territoriale Zugeständnisse der Ukraine. Und doch bleibt die Hoffnung, dass Trump genügend Druck auf Wladimir Putin ausüben könnte, um Bewegung in eine festgefahrene Situation zu bringen. Im Konflikt zwischen Israel und Gaza ist ihm – bei aller berechtigten Kritik an seiner isolationistischen und bisweilen demokratiefeindlichen Politik – ein Waffenstillstand gelungen, äußerst fragil zwar, aber real.
Trump scheint viel daran gelegen zu sein, als Friedensstifter in Erinnerung zu bleiben. Das Thema Ukraine hat er, trotz wiederholter Drohungen, bislang nicht fallen gelassen. Für Europa ist das ein Glücksfall. Denn die nüchterne Erkenntnis dieses Jahres lautet auch: Ohne die Rückendeckung der USA wäre die Unterstützung der Ukraine deutlich weniger wirksam. Europa zählt trotz seiner Größe bis heute nicht zu den Großen der Welt.
Wir haben im vergangenen Jahr ausführlich und detailliert über die Entwicklungen in der Ukraine berichtet, allen voran Mareike Müller, die mehrmals in der Ukraine war, aber auch unsere Korrespondenten in den USA, in Brüssel und Berlin – und die Kolleginnen und Kollegen im Newsroom in Düsseldorf. Auch jetzt, zum Jahresende, finden Sie alle Entwicklungen zur Lage der Ukraine auf unserer Seite und in der App.
Was uns diese Woche sonst beschäftigt hat:
1. Europa mag globalpolitisch gesehen nicht an die Großmächte USA und China heranreichen, aus wirtschaftlicher Sicht aber ist die EU mächtiger als gedacht. Mein Kollege Jakob Hanke Vela schreibt über eine „Geheimwaffe Europas“: Experten der EU-Kommission haben erstmals sämtliche EU-Exporte und Technologien daraufhin untersucht, ob sie für andere Volkswirtschaften schwer ersetzbar sind. China zum Beispiel ist den Experten zufolge zu 98 Prozent von EU-Teilen der Luft- und Raumfahrt abhängig und bis zu 99 Prozent von bestimmten Medikamenten und Vorprodukten. Die Ergebnisse des Berichts stärken die EU in künftigen Verhandlungen.
2. Die Rentenreform bleibt auch das große Thema im kommenden Jahr. Ein Blick auf die österreichischen Nachbarn könnte die Rentner in Deutschland dabei neidisch werden lassen: Dort nämlich betrug die Durchschnittsrente 1646 Euro brutto pro Monat, 47 Prozent mehr als in Deutschland. Sollten uns die Österreicher bei der Rente also ein Vorbild sein? Eher nicht, sagte der Wirtschaftsweise Martin Werding meiner Kollegin Barbara Gillmann. Der Fokus auf Umlagefinanzierung statt auf Aufbau der ergänzenden Altersvorsorge sei „kein gutes Vorbild“.
3. Unseren Freitagstitel, der wegen Weihnachten schon am Dienstag erschienen ist, haben wir der gestressten Generation gewidmet. Gemeint sind die zwischen 1970 und 1990 Geborenen, die sich zwischen Kindern und Karriere oft zerreißen, die sich gedanklich zwischen Mietwohnung und Eigenheim bewegen, sich grundsätzlich viele Gedanken über die finanzielle Zukunft machen und sich häufig um die alternden Eltern kümmern müssen. Wie man dabei trotzdem gelassen und glücklich bleibt, haben meine Kollegen Markus Hinterberger, Julia Beil, Milena Merten und Christian Wermke aufgeschrieben.
4. Für Manager wird auch 2026 ein herausforderndes Jahr. VUCA werde zum Normalzustand, schreiben meine Kolleginnen Milena Merten und Franzika Telser. VUCA? Es steht für Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity, die Rahmenbedingungen also, mit denen Unternehmen derzeit konfrontiert sind. Vier Managerinnen und Manager erzählen, wie sie damit umgehen, um weiterhin erfolgreich zu sein.
5. Was ist Schönheit? Darüber haben sich schon Denker, Autoren und Schönheitschirurgen viele Gedanken gemacht. Und natürlich Designer. Auch bei BMW versucht man einen designerischen Neustart, um das wirklich schöne Auto zu finden. Ob der Ansatz erfolgreich sein wird, dieser Frage widmen sich Felix Holtermann und Felix Stippler in ihrer Geschichte.
6. Investoren in Europa und Deutschland haben in diesem Jahr seltener Geld in Start-ups gesteckt als noch 2024. Die Zahl der 2025 aktiven Investoren sank im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich, schreibt meine Kollegin Nadine Schimroszik. Der Grund: Sie kommen selbst nur noch schwer an neues Kapital. Aufgrund ausbleibender Börsengänge sowie weniger Fusionen und Übernahmen können sie ihren Geldgebern kaum Rückflüsse überweisen. Trotzdem macht sich leichte Hoffnung breit.
7. Weltweit bleiben die Aktienmärkte derzeit stark, gerade US-Aktien sind hoch bewertet. Und so bleibt bei Anlagestrategen weiterhin die Sorge vor einer baldigen Korrektur bestehen. Mit welchen defensiven Strategien die Investmentfonds auf diese Lage reagieren, hat Dirk Wohleb aufgeschrieben.
8. Wir nutzen die etwas ruhigeren Tage, um Ihnen nochmals die besten und erfolgreichsten Artikel aus diesem Jahr zu präsentieren. Zum Beispiel jenen über Europas Alleingang beim Kohleausstieg, der nach unserer Einschätzung dem Klima eher schadet, als hilft. Der Artikel zeigt differenziert und detailliert auf, was die Welt beim Klimaschutz bereits erreicht hat – und wo am meisten zu tun bleibt.
9. Zum Ende noch erfreuliche Nachrichten: Der Strom in Deutschland wird billiger. 357 Grundversorger planen, zum Jahreswechsel ihre Preise um durchschnittlich 8,7 Prozent zu senken. Davon profitieren rund 3,4 Millionen Haushalte. Trotzdem könnte sich für manchen Verbraucher ein Wechsel lohnen, denn 17 Versorger haben Preiserhöhungen angekündigt. Alle Details lesen Sie hier.
Ich wünsche Ihnen weiterhin hoffentlich erholsame Zwischenjahrestage und viel Zeit für Freunde und Familie.
Bleiben Sie zuversichtlich!
Ihr
Martin Knobbe