Morning Briefing: Warum für Trump der „Liz-Truss-Moment“ nahen könnte

Börsenchaos: Steht Trump vor dem „Liz-Truss-Moment“?
Liebe Leserinnen und Leser,
von einem „Liz-Truss-Tag Amerikas“ spricht die Wirtschaftsweise Ulrike Malmendier im Handelsblatt-Interview. Und der Ökonom Lars Feld schreibt in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt:
Es ist ein Moment unerwarteter Aufmerksamkeit für die wohl glückloseste Premierministerin in der britischen Geschichte. Truss musste 2022 nach nur 49 Tagen im Amt zurücktreten. Ihren politischen Untergang hatte die konservative Politikerin selbst eingeleitet, als sie Pläne für Steuersenkungen vorstellte, die durch zusätzliche Staatsschulden finanziert werden sollten.
Das britische Pfund verlor daraufhin deutlich an Wert, die Rendite britischer Staatsanleihen schoss in die Höhe. Truss musste ihre Pläne widerrufen, doch die Unterstützung ihrer Partei hatte sie da schon verloren.
Die Analogie ist klar: Die drastischen Einbrüche an den Aktienmärkten in den vergangenen Tagen könnten auch US-Präsident Donald Trump dazu zwingen, seine Zollerhöhungen zurückzunehmen. Der gestrige Handelstag ging an den US-Börsen allerdings vergleichsweise glimpflich zu Ende:

Erheblich stärker waren am Montag die Turbulenzen an den Börsen in Europa, die Trump allerdings vergleichsweise wenig interessieren dürften: Der deutsche Leitindex Dax eröffnete gestern mit einem Minus von zehn Prozent und schloss mit Verlusten in Höhe von 4,3 Prozent bei 19.790 Zählern. Damit hat er seinen gesamten Gewinn dieses Jahres wieder eingebüßt. Der EuroStoxx50 rutschte um 4,6 Prozent ab. Damit verzeichneten die beiden Indizes die größten Tagesverluste seit dem Beginn des russischen Einmarschs in die Ukraine. Die Börsen in Asien eröffneten am Dienstag mit Kursgewinnen.
Auf den Truss-Effekt setzt offenbar auch die EU. Deren Handelsminister haben sich gestern bei einem Sondertreffen darauf verständigt, Trump bis Ende des Monats Zeit für Verhandlungen zu geben. Erst danach sollen Vergeltungsmaßnahmen beschlossen werden.
Trump gerate wegen der abstürzenden Börsenkurse zunehmend unter Druck, sagten hochrangige Beamte und Diplomaten im Gespräch mit dem Handelsblatt. Deshalb werde die EU – anders als China – abwarten, bevor man über eine Eskalation entscheide. Oder wie es ein hochrangiger EU-Beamter formulierte:
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erneuerte gestern sogar ihr Angebot an Trump, die wechselseitigen Zölle auf Industriegüter auf null zu senken, „so wie wir das schon mit vielen anderen Handelspartnern mit Erfolg getan haben“.

Allerdings: Die Analogie zwischen Trump und Truss ist wackeliger als es den Europäern lieb sein kann. Die Macht einer britischen Premierministerin endet dort, wo sie die Unterstützung der Regierungsfraktion im Unterhaus verliert. Es war maßgeblich der Druck von dort, der Truss erst zum Einlenken und dann zum Rücktritt zwang.
Im Fall von Trump fehlt solch ein Korrektiv. Er ist bis Januar 2029 gewählt. Über die Zollpolitik kann er weitgehend alleine bestimmen. Seine Republikaner haben in beiden Parlamentskammern die Mehrheit, und die republikanischen Abgeordneten und Senatoren sind ihm überwiegend hörig. Sollte Trump seine Zollpolitik tatsächlich korrigieren, könnte dies nur aufgrund eigener Einsicht geschehen – oder aus Furcht vor einem wirtschaftlichen Absturz der USA.

Gestern war von Einsicht bei Trump noch nichts zu spüren. Im Weißen Haus nannte er forsch Bedingungen für Verhandlungen mit Brüssel: „Sie werden die Energie von uns kaufen müssen, weil sie sie brauchen“, sagte er über die EU. Dies sei „einer der Wege“ auf denen Europa den Handelsüberschuss mit den USA ausgleichen könne.
Gegenüber China drohte Trump sogar mit weiteren Zöllen. Er sagte, er werde am Mittwoch zusätzliche Zölle in Höhe von 50 Prozent auf chinesische Einfuhren in die USA erheben, falls China seine in der vergangenen Woche verhängten Gegenzölle nicht bis heute zurücknehme.
Alle aktuellen Entwicklungen rund um den Zollstreit mit den USA finden Sie in unserem Newsblog.

Von den wirtschaftlichen Problemen in den USA zu unseren eigenen: Laut einer Analyse des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), die meinem Kollegen Henri Schlund vorab vorliegt, meldeten die Amtsgerichte im März 1459 Firmeninsolvenzen. Gegenüber März 2024 stieg die Zahl der Pleiten damit um zwölf Prozent. Vergleichbar viele Firmenpleiten gab es zuletzt zur Zeit der Finanzkrise.
IWH-Experte Steffen Müller sieht nicht nur aktuelle wirtschaftliche Probleme als Ursache für die hohen Insolvenzzahlen, sondern auch notwendige Marktbereinigungen:
„Extrem niedrige Zinsen haben Insolvenzen über viele Jahre verhindert, und während der Pandemie sind Insolvenzen von bereits zuvor schwachen Unternehmen aufgrund von Stützungsmaßnahmen ausgefallen.“
Diese würden nun nachgeholt.

Mercedes-Benz will seine an Klimaziele gekoppelten Boni für Führungskräfte abschaffen. Das geht aus den Unterlagen für die Hauptversammlung im Mai hervor. Die sogenannten Transformationsziele sind bislang an den CO2-Ausstoß der Neuwagenflotte des Autobauers gekoppelt. Ingo Speich von Deka Investment kritisiert: Der Wegfall der CO2-Komponente sei ein „Fehlanreiz“ für das Management.
Ein Tag auf dem Uranus dauert länger als gedacht. Der von der Sonne aus gesehen siebte Planet unseres Sonnensystems brauche für eine Umdrehung 17 Stunden, 14 Minuten und 52 Sekunden, schrieben Astronomen in einem gestern veröffentlichten Beitrag für das Journal „Nature Astronomy“. Das seien 28 Sekunden mehr als bislang angenommen.
28 Sekunden hin oder her – hier schlummert ein gewaltiges Potenzial für Leistungsträger und solche, die es werden wollen. Gelänge es uns, unsere täglichen Aktivitäten in einen Uranus- statt in einen Erdentag zu packen, was könnten wir alles zusätzlich wegschaffen?






Nebeneffekt: Die vielen Anhänger des 5-a.m.-Clubs, die durch frühes Aufstehen ihren Output zu erhöhen suchen, stünden fortan als verbummelte Minderleister da. Die Zukunft gehörte stattdessen den Uranus-Jüngern, die eisern ihre 17-Stunden-Tage durchziehen, wo andere 24 Stunden brauchen.
Ich wünsche Ihnen einen Dienstag ohne Besuch von den grauen Herren.
Herzliche Grüße,
Ihr
Christian Rickens





