1. Startseite
  2. Meinung
  3. Morning Briefing
  4. Morning Briefing von Christian Rickens

Morning BriefingWarum ich immer wieder den Satz „Der Otter ist ein wachsames, aber sehr soziales Tier“ sagen musste

Christian Rickens 30.06.2023 - 06:28 Uhr
Artikel anhören
Christian Rickens Foto: Handelsblatt
Morning Briefing vom 30.06.2023

Wandel durch Technik: Wie Künstliche Intelligenz den Arbeitsmarkt verändert

30.06.2023
Abspielen 07:39

Guten Morgen, sehr geehrte Leserinnen und Leser,

in dieser Woche stand die Berichterstattung auf den digitalen Kanälen des Handelsblatts ganz im Zeichen der Künstlichen Intelligenz. Wir sind in der Redaktion überzeugt, dass es kaum möglich ist, die Auswirkungen dieser technologischen Revolution zu überschätzen. Oder wie es eine Gastautorin formuliert: Was die Erfindung der Dampfmaschine für die körperliche Arbeit war, das ist die Künstliche Intelligenz für die geistige Arbeit des Menschen.
Die Folgen werden wir nicht gleich morgen mit voller Wucht spüren, sondern erst in einigen Jahren oder womöglich Jahrzehnten. Aber so ist das mit den meisten wirklich großen Innovationen: Sie entfalten ihre Kraft meist langsamer als im ersten Hype vermutet, aber dann umso gewaltiger.

Auch die gedruckte Ausgabe des Handelsblatts beschäftigt sich heute auf 80 Seiten ausschließlich mit den verschiedensten Aspekten der Künstlichen Intelligenz. Wir haben dafür alle Nachrichtenseiten freigeräumt, sogar die sonst unantastbaren Börsenkurse weggelassen. Ich finde: Dank der Expertise und Neugier der Handelsblatt-Reporterinnen und -Reporter ist ein beeindruckendes Stück Journalismus entstanden. Aber ich bin auch befangen, denn ich habe diese Sonderausgabe zusammen mit unserem Chefredakteur geplant.

Und auch dieses Morning Briefing erscheint heute in besonderer Form, zumindest als Podcast: Es wird nicht vorgelesen von unserem gewohnten Profisprecher Peter Hofmann, sondern von einer künstlich intelligenten Software, die wir darauf trainiert haben, so zu klingen wie meine eigene Stimme – die von Christian Rickens. Um diese KI zu trainieren, habe ich vor einigen Tagen über 1000 vorgegebene Sätze in ein Mikrofon gesprochen, Sie erinnern sich vielleicht: „Der Otter ist ein wachsames, aber sehr soziales Tier.“

Besonders interessiert hat mich bei der Planung der KI-Ausgabe eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (FAO), das für das Handelsblatt 50 Berufe daraufhin untersucht hat, wie stark sie sich durch Künstliche Intelligenz verändern und ob ihr Bedarf eher steigen oder eher sinken wird. Für meine Zukunft fällt die Prognose gemischt aus: Der Bedarf an Journalisten, die exklusive Fakten und eigenständige Einordnungen liefern, wird steigen. Journalisten, die reine Redaktionsmanager sind, werden hingegen künftig weniger gebraucht. Deren Job erledigt immer häufiger die KI.

Und wie sehen die FAO-Experten die Zukunft Ihres Berufs? Hier können Sie nachschauen.

Die Liste der Anwendungen, die angeblich in der Lage sein sollen, berufstätige Menschen zu ersetzen, wird immer länger.

Foto: Getty Images [M]

Manche Auswirkungen der KI erschließen sich erst auf den zweiten Blick. So könnte Künstliche Intelligenz nach Ansicht von Handelsblatt-Chefökonom Bert Rürup dazu beitragen, das deutsche Gesundheitswesen effizienter zu machen, „eines der teuersten in Europa, wenn nicht weltweit“. Tatsächlich sind die Kostenunterschiede der Gesundheitssysteme unter den Industriestaaten gewaltig, wie unsere Grafik zeigt. Noch mehr Geld für Gesundheit als Deutschland geben in Prozent der Wirtschaftsleistung gerechnet nur die USA aus. 

An dieser Stelle nun zum letzten Mal der Hinweis: Alle bisher erschienenen Texte zur KI-Themenwoche finden Sie hier.

Was gibt es sonst Neues in der nicht immer nur von Intelligenz geprägten Welt der echten Menschen?

Zu Beginn der Woche hat das Handelsblatt von einem Machtkampf um Audi-Chef Markus Duesmann berichtet. Nun lässt sich konstatieren: Diesen Kampf hat Duesmann verloren. Der 54-Jährige werde seinen Posten als Vorstandschef von Audi wie auch seinen Sitz im Vorstand des Mutterkonzerns Volkswagen aufgeben, teilte VW gestern mit. Nachfolger wird zum 1. September Gernot Döllner, der bislang VW-Chefstratege ist. Aufsichtsratschef Manfred Döss sagte: „Gernot Döllner ist jetzt die richtige Person, um die Produktstrategie und die Aufstellung in den wichtigen Märkten für Audi weiter zu schärfen.“

Ausschlaggebend für die Ablösung Duesmanns sei sein zerrüttetes Verhältnis zum eigenen Führungsteam, hieß es in Konzernkreisen. Die Mannschaft habe kein Vertrauen in ihn – was in der laufenden Umbruchphase bei Audi fatal sei.

Audi weist zwar solide Gewinne aus. Doch sowohl bei Elektroantrieben wie auch bei der Digitalisierung droht Audi den Anschluss an die Konkurrenz zu verlieren. Aus „Vorsprung durch Technik“ ist längst ein technologischer Rückstand geworden.

Universitäten in den USA dürfen künftig nicht mehr gezielt die Studienplatzbewerbungen von Schwarzen und anderen ethnischen Minderheiten fördern, um ihre Studentenschaft diverser zu gestalten. Ziel dieser „Affirmative Action“ genannten Praxis ist es, gesellschaftliche Nachteile von Minderheiten aufzuwiegen. Doch der mehrheitlich konservativ besetzte Oberste Gerichtshof der USA urteilte am Donnerstag, diese Praxis sei verfassungswidrig.
Republikaner in den USA, denen das Prinzip der „Affirmative Action“ schon lange ein Dorn im Auge ist, begrüßten die Entscheidung. US-Präsident Joe Biden und viele demokratische Politiker kritisierten das Urteil.

Was die Angelegenheit aus meiner Sicht so vielschichtig macht: Im aktuellen Fall klagten nicht weiße, sondern asiatischstämmige US-Amerikaner, die sich durch die Förderung von Schwarzen oder Latinos benachteiligt fühlen. Konkret argumentierten die Kläger, dass Harvard und die University of North Carolina asiatischstämmige Bewerber systematisch diskriminieren, indem die Unis höhere Standards als bei anderen Minoritäten anlegen.

Tatsächlich belegen Studien: Asiatischstämmige Amerikaner, für die es keine systematische Bevorzugung gibt, haben es in Relation zu ihren schulischen Leistungen besonders schwer, an gute Unis zu kommen. Überspitzt gesagt: Wenn wohlhabende weiße Kinder nach Harvard wollen, dann haben sie das Geld und die Country-Club-Verbindungen ihrer Eltern auf ihrer Seite. Latinos und farbige Amerikaner haben die „Affirmative Action“. Asiatischstämmige Kinder haben zwar oft überdurchschnittlich gute Noten, aber das nützt ihnen häufig nichts im Wettstreit um die knappen Plätze.

US-amerikanische Universitäten dürfen ihre Studentinnen und Studenten nicht länger anhand ethnischer Kriterien auswählen. Der US-Supreme-Court hat die Berücksichtigung von Hautfarbe oder Abstammung bei der Zulassung für verfassungswidrig erklärt.

Und dann ist da noch der Schwan, der gestern stundenlang den U-Bahn-Verkehr auf der neuen Elizabeth Line in London blockiert hat. „Wir entschuldigen uns bei den Kunden, deren Reisen wegen eines Schwans, der ein Hindernis auf der Elizabeth Line verursachte, verzögert oder annulliert wurden“, teilte die Londoner U-Bahn mit. Passagiere klagten in sozialen Medien, sie seien über lange Zeit in den Waggons ohne Toiletten eingeschlossen gewesen. „Wie schwierig ist es bitte, einen Schwan zu entfernen?“, fragte ein Reisender bei Twitter.

Sollten auch Investmentbanker in den Wagen eingeschlossen gewesen sein, was in London stets anzunehmen ist, so hätten sie die Antwort gewusst: sehr schwierig. Solche Vögel können die allergrößten Kalamitäten bis hin zur Weltfinanzkrise auslösen – vorausgesetzt es handelt sich um Schwarze Schwäne.

Ich wünsche Ihnen heute einen pünktlichen Start ins Wochenende.

Verwandte Themen
Audi
USA
Markus Duesmann
Gernot Döllner
Bert Rürup

Herzliche Grüße

Ihr Christian Rickens
Textchef Handelsblatt

Mehr zum Thema
Unsere Partner
Anzeige
remind.me
Jetziges Strom-/Gaspreistief nutzen, bevor die Preise wieder steigen
Anzeige
Homeday
Immobilienbewertung von Homeday - kostenlos, unverbindlich & schnell
Anzeige
IT Boltwise
Fachmagazin in Deutschland mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Robotik
Anzeige
Presseportal
Direkt hier lesen!
Anzeige
STELLENMARKT
Mit unserem Karriere-Portal den Traumjob finden
Anzeige
Expertentesten.de
Produktvergleich - schnell zum besten Produkt