Baden-Württemberg Kretschmann setzt sich gegen internen Widerstand durch – Südwest-Grüne wollen mit CDU koalieren

Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg muss um seine Wunsch-Koalition bangen.
Stuttgart, Berlin Die Grünen in Baden-Württemberg haben sich nach langem Ringen für eine Fortsetzung der Koalition mit der CDU und gegen eine Ampel mit SPD und FDP ausgesprochen. Allerdings gab der Landesvorstand am Donnerstag dem vehementen Drängen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann erst im zweiten Anlauf nach.
Schließlich votierten zwei Drittel der Mitglieder für Koalitionsverhandlungen mit der CDU ausgesprochen. 13 hätten mit Ja gestimmt, 4 mit Nein und zwei hätten sich enthalten, erklärte eine Grünen-Sprecherin auf Anfrage der dpa in Stuttgart.
Das Verhandlungsteam um Kretschmann soll nun am Samstag „ein abschließendes Sondierungsgespräch“ mit der Union führen. Das Ergebnis dieses Gesprächs solle dann die Grundlage für kommende Koalitionsverhandlungen bilden, teilten die Grünen mit.
Die CDU sprach sich anschließend einhellig für Verhandlungen mit der Ökopartei aus. CDU-Landeschef Thomas Strobl teilte am Donnerstagabend mit: „Ich habe den Gremien meiner Partei vorgeschlagen, das Angebot der Grünen anzunehmen – und das haben unsere Gremien heute auch einstimmig mit einem starken Votum so beschlossen.“ Grüne und Christdemokraten wollten „für 2021 bis 2026 gemeinsam ein neues Kapitel in der Geschichte unseres Landes aufschlagen.“
Am Donnerstagvormittag hatte der grüne Landesvorstand nach fast dreistündiger Diskussion völlig überraschend eine Entscheidung über den Partner für Koalitionsverhandlungen vertagt. Im Gegensatz zu Kretschmann sprachen sich im Vorstand vor allem die Jüngeren für eine Ampel aus. Erst nach stundenlangen Krisenschalten im engsten Führungskreis wurde klar, dass sich der Vorstand am späten Nachmittag nochmal treffen würde.
Man habe ein „ganz schlechtes Bild nach außen“ abgegeben, hieß es. Es gelte nun Schaden vom Wahlsieger Kretschmann abzuwenden. In der Sitzung des Vorstands am Abend kam schon nach gut einer halben Stunde die Mitteilung, man habe sich nun doch für eine Neuauflage von Grün-Schwarz ausgesprochen.
Der Nachwuchs der Grünen will die Entscheidung nicht akzeptieren. Nach wie vor sei die CDU ein „Bremsklotz am Bein“ der Südwest-Grünen, und deswegen sei klar: eine grün-schwarze Koalition dürfe nicht kommen, schrieb die Bundessprecherin der Grünen Jugend, Anna Peters, auf Twitter. „Das Wahlversprechen war Klimaschutz, Klimaschutz, Klimaschutz – das funktioniert nicht mit der Union.“
Die SPD sieht die Entscheidung für Grün-Schwarz als „Weckruf“ für den Bund. „Die Fortführung von Grün-Schwarz ist nicht nur für Baden-Württemberg enttäuschend, sondern auch ein Weckruf für den Bund“, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider. Deutschland brauche aber auf Bundesebene keine „kraft- und ambitionslose“ Unionsregierung unter einem möglichen Kanzler Armin Laschet, sondern einen „progressiven Aufbruch“.
In Baden-Württemberg zeigten die Grünen mit Winfried Kretschmann ihr „neokonservatives Gesicht“, sagte Schneider weiter. „Lieber mit einer programmatisch entkernten und personell geschwächten CDU den Stillstand verwalten, als in einem progressiven Bündnis mit SPD und FDP echte Transformation gestalten.“ Die magere grün-schwarze Bilanz beim Windkraftausbau im Ländle spreche Bände.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil äußerte sich ähnlich. Die Südwest-Grünen hätten betont, es gehe nur um die Inhalte. Auf dieser Grundlage hätten sie sich nun für eine Koalition mit der CDU entschieden. „Das ist auch ein Signal für die Bundestagswahl“, schrieb Klingbeil auf Twitter. Deutschland brauche aber einen „Aufbruch ohne eine müde & orientierungslose Union“.
Fast elf-stündige Verhandlungen
Im Landesvorstand hatte es am Vormittag zahlreiche Wortmeldungen zu der Empfehlung des Verhandlungsteams um Kretschmann gegeben, hieß es. Schon am Mittwoch hatten sich die Spitzen-Grünen ein hartes Ringen um die Frage geliefert, wer der richtige Partner für die Koalitionsgespräche ist. Die Fünfer-Gruppe um Kretschmann, die auch die Sondierungen geführt hatte, verhandelte fast elf Stunden lang in der Stuttgarter Regierungszentrale. Am Ende hieß es aber in Parteikreisen, man sei sich einig geworden.
Dem Vernehmen war der 72-jährige Kretschmann engagiert für eine Fortsetzung der Koalition mit der CDU eingetreten. Die Union hatte die Landtagswahl vor zweieinhalb Wochen klar gegen die Grünen verloren.
Die Grünen-Landeschefs Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand hatten dem Vernehmen nach am Mittwoch argumentiert, mit der CDU sei kein Aufbruch möglich. Außerdem fehle nach den Auseinandersetzungen in den vergangenen fünf Jahren das Vertrauen. Hildenbrand hatte schon im Wahlkampf erklärt, die Union sei beim Klimaschutz ein „Klotz am Bein“ gewesen. Kretschmann verwies am Mittwoch darauf, dass die Union den Grünen hier nun stark entgegenkommen wolle.
Die FDP erklärte, man sei auf Grüne und SPD inhaltlich zugegangen. „Wir waren aber nicht dazu bereit, die FDP völlig Regulierungs- und Verbotsvorstellungen der Grünen zu unterwerfen“, hieß es in einer Mitteilung von Landeschef Michael Theurer und Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. „Anders als die FDP hat sich die CDU den Grünen total unterworfen.“
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Ich hoffe, dass es das nächste Mal heißt: CDU will die Koalition mit den Grünen fortführen.
Bei Grün-Schwarz könnten die Grünen wahrscheinlich nicht so radikale Umweltschutz-Maßnahmen umsetzen wie sie es gerne hätten. Allerdings würde man bei dieser Konstellation die CDU vor die Problematik stellen, dass sie sich nicht mehr inhaltlich (vor allem bei Umweltschutz Aspekten) von den Grünen abgrenzen können. Ihnen könnte somit (auch auf Bundesebene) das gleiche Schicksal ereilen wie einst der SPD.
Bei einer Ampel Koalition wären die Grünen mit Abstand die stärkste Partei und könnte die anderen dazu "zwingen" vermehrt ihre Vorhaben umzusetzen. Auf Länderebene könnte man auf diese Weise zwar viel bewegen, allerdings bestünde das Risiko im Falle von Anlaufschwierigkeiten, dass es negative Konsequenzen für die Bundestagswahl im Herbst hätte.