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Kandidatencheck Grüne K-Frage: Annalena Baerbock oder Robert Habeck?

Wen nominieren die Grünen fürs Kanzleramt? Die Entscheidung soll zwischen Ostern und Pfingsten fallen. Die Wirtschaft hat eine leichte Präferenz.
28.03.2021 - 15:29 Uhr 3 Kommentare
Das in weiten Teilen eher linke Wahlprogramm der Partei hat die Wirtschaft verärgert. Quelle: dpa
Annalena Baerbock, Robert Habeck

Das in weiten Teilen eher linke Wahlprogramm der Partei hat die Wirtschaft verärgert.

(Foto: dpa)

Berlin Die Grünen zielen bei den Bundestagswahlen auf Platz eins. Ob Parteichefin Annalena Baerbock oder Co-Chef Robert Habeck ins Rennen ums Kanzleramt zieht, soll zwischen Ostern und Pfingsten endgültig festgelegt werden.

Welche Kriterien spielen dabei eine Rolle? Die Bekanntheit oder Beliebtheit? Wie wichtig ist Regierungserfahrung? Die Einschätzung der Wirtschaft? Oder müssten die Grünen nicht vielmehr zwingend eine Frau nominieren? Schließlich werben sie selbst wie keine andere Partei damit, Politik für Frauen mit Frauen zu machen und die Benachteiligung von Frauen endlich überwinden zu wollen.

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Eine Vielzahl von Kriterien bestimmen die Eignung. „Aber ein ganz wichtiges Kriterium ist der unbedingte Wille, als Kanzlerkandidat antreten zu wollen“, sagte Nico Siegel, Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap, dem Handelsblatt. Die Kandidatur sei eine enorme Kraftanstrengung, „die nur mit viel Biss, großer physischer und mentaler Stärke“ erfolgreich zu bewältigen sei.

Ein Kanzlerkandidat müsse im Zweifel auch nach acht Terminen abends um 22 Uhr die notwendige inhaltliche Sicherheit über viele Themen hinweg haben und für alle Fragen von Journalisten und auf Gegenangriffe von Wettbewerbern gewappnet sein, sagte Siegel weiter. „Glaubwürdigkeit, Kompetenz, Führungsstärke – das sind entscheidende Eigenschaften, mit denen sich am Ende Wähler mobilisieren lassen.“

Was spricht für Baerbock? Was für Habeck? Das Handelsblatt macht einen Kandidatencheck.

Annalena Baerbock: zu jedem Thema „detailliert sprechfähig“

An ihrem grundsätzlichen Willen, als Kanzlerkandidatin anzutreten, gibt es keine Zweifel. Die Grünen-Chefin hat schon im Dezember selbst zu Protokoll gegeben, dass sie sich nicht nur die Kandidatur, sondern auch das Kanzleramt zutraut.

„Drei Jahre als Parteichefin, Abgeordnete und Mutter kleiner Kinder stählen ziemlich“, sagte die 40-Jährige, die in Hannover geboren wurde, aber seit Langem in Brandenburg lebt. Später empfahl sie den Blick ins Ausland, etwa nach Neuseeland oder nach Finnland. Die Regierungschefinnen dort haben ebenfalls kleine Kinder.

Dass sie in ihrer Partei als Frau den ersten Zugriff auf die Kandidatur hätte, weiß sie, will dieses Privileg aber nicht nutzen. Wiederholt hat sie betont, mit Co-Chef Habeck gemeinsam einen Vorschlag zu machen, wer in dieser Zeit das beste Angebot für die Partei, den Wahlkampf und die Gesellschaft sei.

Dem „Spiegel“ sagte sie jetzt: „Ich glaube, keinem von uns fällt es schwer zu sagen: ,Du bist der oder die Richtige.'“ Doch natürlich wäre es für sie „ein kleiner Stich ins Herz“, ihrem Co-Vorsitzenden Habeck den Vortritt zu lassen.

In Partei und Fraktion ist man unentschieden, es gibt die Baerbock-Befürworter, es gibt die Habeck-Befürworter, ohne dass diese sich zu diesem Zeitpunkt öffentlich bekennen wollen. Beide könnten es, so die Botschaft, die Grünen hätten ein „Luxusproblem“.

Die Wirtschaft könnte gewiss mit beiden leben. „Beide sind anschlussfähig“, so beschreibt es die Fraktion. Nicht nur die Parteichefs, auch die Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter haben seit der letzten Bundestagswahl viel Zeit darauf verwendet, mit Unternehmen ins Gespräch zu kommen. Sowohl Baerbock als auch Habeck werden als „schlau“ und „reflektiert“ beschrieben, derentwegen man keine Sorge haben müsse, wenn sie ins Kanzleramt einzögen.

Und doch: Hört man sich in der Wirtschaft um, gibt es wohl eine leichte Präferenz für Baerbock. „Blitzgescheit“ sei sie, heißt es, und möglicherweise eher als Habeck gewillt, eine Koalition mit dem konservativen Lager einzugehen.

Ein solches Bündnis halten Unternehmen für geeignet, die Herausforderungen der nächsten Jahre anzugehen. Ein linkes Bündnis, das die Wirtschaft eher mit einem Kandidaten Habeck vermutet, stößt auf Ablehnung. Zudem gilt Habeck als jemand, der das große Ganze versteht, aber die Details nicht immer ganz richtig parat hat und weniger als sie daran arbeitet, Lücken wettzumachen.

Dieser Vorwurf wird Baerbock nicht gemacht, im Gegenteil. Sie ist so gut wie zu jedem Thema detailliert sprechfähig. Und wo ihr Informationen fehlen, bereitet sie sich akribisch vor, Patzer passieren selten. Eitles Sendungsbewusstsein geht ihr ab.

Sowohl bei Parteifreunden als auch in der Wirtschaft wird sie als sachorientiert und extrem interessiert und hartnäckig beschrieben, sie weiß, worüber sie redet. „Sie fragt so lange nach, bis sie einen Punkt wirklich verstanden hat“, heißt es in der Fraktion. „Sie lässt sich nicht abspeisen und geht bis zur Schmerzgrenze, wo wir uns vielleicht auch mal etwas vormachen.“

Baerbock gehört zweifellos zu den stärksten Spitzengrünen, die die Partei je hatte. Aufgewachsen ist sie in Niedersachsen, studiert hat sie in Hamburg und London, ehe sie über Stationen in Straßburg und Brüssel nach Brandenburg zog. 2004 stieß sie zu den Grünen, mitten im Europawahlkampf.

Von 2009 bis 2013 war die Völkerrechtlerin dann Landesvorsitzende der Brandenburger Grünen, bevor sie Bundestagsabgeordnete und Klimaexpertin wurde. Seit Anfang 2018 führt sie zusammen mit Habeck die Bundespartei.

„Die Grünen würden gut daran tun, Annalena Baerbock aufzustellen“, sagte der Manager eines Konzerns im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Mit ihr könnten sie glänzen, mit ihr wirken sie frischer als der Rest der Parteien.“ Ein anderer denkt schon weiter: Vier Jahre Schwarz-Grün, dann Grün-Schwarz – mit Baerbock als Kanzlerin.

Robert Habeck: bekannt und regierungserfahren

Doch auch für die Aufstellung des Lübeckers Habeck spricht einiges. In Wählerumfragen war der 51-Jährige bislang der bekanntere und beliebtere Politiker, auch wenn Baerbock aufgeholt hat. „Beide haben noch eine erhebliche Wegstrecke vor sich, um bekannter zu werden und für Zutrauen zu werben“, meint Meinungsforscher Siegel. „Ob die Wähler Baerbock oder Habeck für geeigneter halten, für eine solche Aussage ist es noch zu früh im Jahr.“

Auch Habeck scheut sich nicht, Verantwortung zu übernehmen, er gilt als macht- und durchaus sendungsbewusst, der seine Gedankenwelt gerne mal preisgibt. Zuletzt habe ihm das Schreiben an seinem Buch „Von hier an anders“ klargemacht, worum es geht, schreibt der studierte Philosoph: dass Politik kein Spiel um Mehrheiten ist, sondern „das Privileg, in seiner Zeit einen Unterschied machen zu können“. 

Der Unterschied liegt für die Grünen nicht nur darin, einen stärkeren Fokus auf einen klimaneutralen Umbau der Wirtschaft zu legen, sondern auch, „saubere“ Politik zu versprechen, wie sie es im Wahlprogramm nennen: „Eine Politik, die das Wohl der Bürgerinnen und Bürger über das persönliche Interesse stellt, die Rechenschaft ablegt und sich selbst Grenzen setzt.“

Beide wollen Verantwortung übernehmen, beide haben Befürworter in und außerhalb der Partei. Quelle: AFP
Annalena Baerbock, Robert Habeck

Beide wollen Verantwortung übernehmen, beide haben Befürworter in und außerhalb der Partei.

(Foto: AFP)

Anders als Baerbock kann Habeck viele Jahre Regierungserfahrung vorweisen. Von 2004 bis 2009 war er Landesvorsitzender der Grünen in Schleswig-Holstein, danach, bis 2012, Fraktionschef im Kieler Landtag. 2012 wechselte er auf die Regierungsbank, war bis 2018 Vize-Regierungschef im hohen Norden und Minister für Energie, Landwirtschaft, Umwelt, ländliche Räume und Digitalisierung.

Seit Ende Januar 2018 ist er zusammen mit Baerbock Bundesvorsitzender der Grünen. Im Herbst will er über Platz zwei auf der Landesliste Schleswig-Holsteins in den Bundestag einziehen.

Doch während sich bei Baerbock alle Gesprächspartner so gut wie sicher sind, dass sie den Job in letzter Konsequenz will, schwingt bei Habeck immer ein kleines bisschen Unsicherheit mit. Wer ist der Mann, der sich zumindest in seinem früheren Politikerleben kleine Freiheiten genommen und das Handy im Auto liegen gelassen hat, um nicht erreichbar zu sein? „Dann gewinnt man Abstand zu seinem Tun und – wenn es gut läuft – Kraft, darüber nachzudenken“, so hat er es selbst einmal beschrieben.

Habeck ist emotionaler und hat den Ruf, eher mal spontan zu reden und zu entscheiden, was zwar authentisch ist und viele Menschen überzeugt, doch zu dem einen oder anderen Patzer führte. Seinen Twitter-Account schloss er, nachdem er Thüringen abgesprochen hatte, weltoffen und demokratisch zu sein – was nicht seine Absicht war, aber so klang. Ein ähnlicher Fehler war Habeck zuvor in Bayern unterlaufen.

„Bei Themen, die ihn interessieren, da ist er ganz dabei, bei anderen Themen bleibt er spürbar an der Oberfläche“, heißt es bei Unternehmern, die bei ihm etwas von der Zähigkeit einer Annalena Baerbock vermissen. Er selbst sagt, es dürfe „nicht um Eitelkeit“ gehen.

Es gehe „nicht nur um die Möglichkeit, dass einer von uns beiden Kanzlerin oder Kanzler werden“ könne, sagte er dem „Spiegel“. Sondern darum, „dass die größte Industrienation Europas von den Grünen geführt werden könnte“. Es gebe „einen Moment, den Lauf der Geschichte zu verändern“.

Wer kann die Probleme des Landes lösen?

Am Ende konzentriert sich die Frage nicht nur auf die Kanzlerkandidatur. Entscheidend ist vor allem das in weiten Teilen eher linke Wahlprogramm, das in der Wirtschaft so manchen verärgert oder erschreckt hat. Von hohen Hoffnungen an die Grünen ist da mitunter die Rede, was nun ein Stück weit erschüttert worden sei.

Baerbock und Habeck mögen noch so sehr für einen realistischen und pragmatischen Kurs, wie ihn der erfolgreiche Grünen-Regierungschef Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg steuert, stehen, der Gesamtpartei traut die Wirtschaft nicht so ganz, vor allem nicht mit Blick auf eine Kanzlerschaft.

„Das Wahlergebnis der Grünen hängt nicht daran, ob Annalena Baerbock oder Robert Habeck als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf zieht“, meint Peter Matuschek von Forsa. „Beide haben Stärken und Schwächen, aber beide stehen sie für eine neue grüne Politik. Es kommt entscheidend darauf an, ob die Grünen glaubhaft machen können, die Probleme des Landes lösen zu können. Und da haben sie noch Aufholbedarf.“

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  • Die BTW im September wird eine Wahl zwischen Pest und Cholera, und definitiv zum weiteren Niedergang Deutschlands beitragen. Als Selbständiger, Leistungsträger und ESt-Zahler im hohen 5-stelligen Bereich ist man das perfekte Opfer für ideologisch bedingte Umverteilungsfantasien. Das Thema Auswandern, zumindest für die nächsten 4-8 Jahre, beschäftigt mich immer mehr. Die Tendenz zu Work of Home kommt einem hier sehr entgegen - Home ist dann halt nur nicht mehr in Deutschland.

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