Interview mit Malu Dreyer „Wir gehen davon aus, dass alles finanzierbar sein wird“ – Malu Dreyer setzt auch auf private Investitionen
Berlin Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hält die Bildung einer Ampelkoalition auf Bundesebene für wahrscheinlich. „Wir haben in den Sondierungen die Grundvoraussetzung für eine Ampelkoalition geschaffen: Wir haben Vertrauen aufgebaut“, sagte Dreyer in einem Interview dem Handelsblatt.
Dreyer zeigte sich zuversichtlich, dass ein mögliches Ampel-Regierungsprogramm vom linken SPD-Flügel getragen wird. Regierungsbildungen zwischen Koalitionspartnern seien immer ein Geben und Nehmen. Keine Partei könne ihr Wahlprogramm eins zu eins umsetzen, so Dreyer.
„Insgesamt haben wir viel von dem erreichen können, was wir uns vor der Wahl vorgenommen haben.“ Für die SPD sei der Respekt in der Gesellschaft ein zentrales Thema. „Dies drückt sich im Sondierungspapier in einem Mindestlohn von zwölf Euro, dem Versprechen auf stabile Renten oder bezahlbaren Wohnraum aus.“
Die Gefahr, dass aus den Bundesländern Gegenwind für eine Ampel auf Bundesebene kommt, weil Manuela Schwesig (SPD) in Mecklenburg-Vorpommern und Franziska Giffey (SPD) in Berlin sich gegen eine Ampel und für Linksbündnisse entschieden hätten, sieht Dreyer nicht.
Die Lage in einzelnen Ländern sei immer sehr spezifisch. „Ich habe noch nie zu denen gehört, die glauben, in Bundesländern werde vorherbestimmt, welche Regierung später im Bund entsteht, und ich führe bekanntermaßen eine Ampelkoalition an. Landes- und Bundesebene sind einfach zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe“, sagte Dreyer.
Lesen hier das komplette Interview:
Frau Dreyer, Sie gehörten dem Sondierungsteam der SPD an. Was sagt Ihnen Ihr politisches Bauchgefühl nach Ende der Sondierungsgespräche? Klappt das mit der Ampel?
Ich glaube ja. Wir haben in den Sondierungen die Grundvoraussetzung für eine Ampelkoalition geschaffen: Wir haben Vertrauen aufgebaut. Es waren sehr respektvolle Gespräche, alle Beteiligten haben die Haltung der anderen Parteien verstanden. Es ging nie um Gewinner oder Verlierer, sondern um einen gemeinsamen Weg.
Also steht die Ampelkoalition bis Weihnachten?
Zunächst einmal müssen die drei Parteigremien ihr Votum für Koalitionsverhandlungen abgeben. Dann werden wir in Koalitionsverhandlungen eintreten und hoffentlich zügig verhandeln.
Eine Ampel im Bund ist etwas Neues. Wie liefen die Verhandlungen ab? Haben sich erst mal alle abgetastet?
Man muss immer bedenken: Alle kommen aus dem Wahlkampf, in dem man noch miteinander im Wettbewerb stand und gegeneinander gekämpft hat. Das muss man erst einmal kurz abschütteln. Aber alle drei Partner haben den Schalter schnell umgelegt und sind sich vertrauensvoll begegnet.
Die SPD hat einen Mindestlohn von zwölf Euro herausverhandelt. Ist das aus Ihrer Sicht der wichtigste Punkt für Ihre Partei?
Darum ging es ja genau nicht, wer am meisten für sich herausholt. Wenn die Koalitionsverhandlungen erfolgreich verlaufen sollen, müssen sich alle drei Parteien als Fortschrittskoalition begreifen. Aber klar, für uns als SPD ist der Respekt in der Gesellschaft und vor der Leistung eines jeden Einzelnen ein zentrales Thema. Dies drückt sich im Sondierungspapier in einem Mindestlohn von zwölf Euro, dem Versprechen auf stabile Renten oder bezahlbaren Wohnraum aus.
Was muss jetzt das Leitprinzip für die bevorstehenden Koalitionsverhandlungen sein?
Dass wir die großen Herausforderungen wie die Bewältigung des Klimawandels oder die Digitalisierung mit großer Tatkraft anpacken und einen gemeinsamen Aufbruch in das neue Jahrzehnt wagen wollen. Deutschland braucht einen Aufbruch.
Eine vertrauensbildende Maßnahme ist ohne Zweifel, dass aus den Sondierungsgesprächen nichts nach außen drang. Wie zuversichtlich sind Sie, dass dieses Stillschweigeabkommen auch in Koalitionsgesprächen hält?
In Rheinland-Pfalz habe ich eine solche Vertraulichkeit während Regierungsbildungen immer schon erlebt, im Bund ist es aber etwas Neues und sehr Besonderes. Denn es zeigt den Menschen im Land, dass es bei dieser Regierungsbildung um etwas Größeres geht als die Interessen Einzelner. Nämlich darum, das Land nach vorn zu bringen. Ich hoffe sehr, dass sich auch in Koalitionsverhandlungen alle an diese Maßgabe halten, auch wenn die Verhandlungsteams deutlich größer sind.
Welches wird das schwierigste Thema der nächsten Wochen?
Das kann man nicht sagen. Wir haben in den Sondierungen viele Themen angesprochen und viele Vorfestlegungen vereinbart, um die Verhandlungen gut voranzubringen. Aber natürlich wird erst in Koalitionsverhandlungen über vieles im Detail diskutiert.
Die Ampel verspricht einige milliardenteure Versprechen. Ist das wirklich alles im Rahmen der Schuldenbremse finanzierbar?
Wir haben lange über Finanzen diskutiert, und wir gehen stark davon aus, dass am Ende alles finanzierbar sein wird. Viele vergessen, dass es neben allen notwendigen staatlichen Investitionen darum geht, private Investitionen zu mobilisieren. Damit Unternehmen verstärkt in die Zukunft investieren, müssen wir die Rahmenbedingungen verbessern. Da spielen schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren genauso eine wichtige Rolle wie bessere Abschreibungsbedingungen.
Die SPD musste auch einige Kröten schlucken. So wird es keine höheren Steuern für Gutverdiener und Vermögende geben. Fürchten Sie, der linke SPD-Flügel könnte dagegen rebellieren?
Regierungsbildungen zwischen Koalitionspartnern sind immer ein Geben und Nehmen. Keine Partei kann ihr Wahlprogramm eins zu eins umsetzen. Insgesamt haben wir viel von dem erreichen können, was wir uns vor der Wahl vorgenommen haben.
In Berlin und Mecklenburg-Vorpommern haben sich Franziska Giffey (SPD) und Manuela Schwesig (SPD) gerade gegen eine Ampel und für Linksbündnisse entschieden. Ist das nicht ein kräftiger Gegenwind für eine Ampel auf Bundesebene?
Nein. Die Lage in einzelnen Ländern ist immer sehr spezifisch. In beiden Ländern ging es darum, eine möglichst stabile Landesregierung zu bilden. Und in beiden Ländern gibt es gute Gründe, warum sich Manuela Schwesig und Franziska Giffey so entschieden haben. Ich habe noch nie zu denen gehört, die glauben, in Bundesländern werde vorherbestimmt, welche Regierung später im Bund entsteht, und ich führe bekanntermaßen eine Ampelkoalition an. Landes- und Bundesebene sind einfach zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe.
Mehr: Das gemeinsame Papier zum Ergebnis der Ampelsondierungen im Original
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