Impfbereitschaft in Deutschland Der steinige Weg zur Herdenimmunität
Spätestens im kommenden Jahr werden sich die Bürger der Bundesrepublik voraussichtlich erneut gegen das Coronavirus impfen lassen müssen. „Das Virus wird uns nicht wieder verlassen. Die aktuellen Corona-Impfungen werden deswegen nicht die letzten sein“, sagte Thomas Mertens, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission (Stiko), in einem Interview mit der Funke Mediengruppe.
So sei es durchaus denkbar, dass der Impfschutz bei einzelnen Altersgruppen bereits wieder nachlässt oder grundsätzlich zu schwach sei. Womöglich erfordert es deshalb eine längerfristige Impfbereitschaft in Deutschland. Aktuell scheint die Impfbereitschaft jedoch auf dem Rückzug. Drei repräsentative Studien im Überblick.
Die wichtigsten Updates zum Thema
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble zeigte sich über die mangelnde Impfbereitschaft einiger Bundesbürger besorgt – und forderte in dem Zuge mehr Freiheiten für Geimpfte.
16,8 Prozent der bisher ungeimpften Erwachsenen in Deutschland würden sich laut RKI tendenziell nicht impfen lassen.
- Seit dem 7. Juni 2021 dürfen auch Kinder ab 12 in Deutschland geimpft werden.
Cosmo: Impfbereitschaft in Deutschland zuletzt zurückgegangen
Seit Anfang März 2020 befragt das Covid-19 Snapshot Monitoring (Cosmo) der Universität Erfurt in regelmäßigen Abständen jeweils rund 1000 Personen in dem Alter zwischen 18 und 74 zu ihrer persönlichen Bereitschaft, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. Dabei zeigen die jüngsten Daten vom 15. Juni 2021 einen Rückgang der Impfbereitschaft unter den ungeimpften Befragten.
Datum | „auf jeden Fall impfen“ (7) | (6) | (5) | Neutral (4) | (3) | (2) | „auf keinen Fall impfen“ (1) |
15.06.2021 | 31,4 | 8,0 | 9,2 | 11,2 | 3,9 | 6,6 | 29,7 |
18.05.2021 | 40,1 | 10,0 | 6,2 | 10,6 | 3,9 | 6,4 | 22,9 |
20.04.2021 | 45,5 | 10,2 | 9,7 | 10,1 | 4,0 | 4,0 | 16,5 |
23.03.2021 | 46,3 | 9,6 | 8,0 | 9,7 | 4,9 | 5,3 | 16,2 |
23.02.2021 | 44,9 | 11,9 | 8,5 | 10,9 | 5,3 | 5,3 | 13,3 |
26.01.2021 | 39,9 | 11,0 | 10,6 | 11,0 | 5,0 | 4,9 | 17,7 |
Quelle: Universität Erfurt
*Die Antworten sind als relative Häufigkeit in Prozent angegeben. Die Impfbereitschaft wurde auf einer 7-stufigen Skala von “auf jeden Fall impfen” (7) bis “auf keinen Fall impfen” (1) abgefragt. Es handelt sich um generelle Impfbereitschaft unabhängig des Impfstoffes.
Im Juni 2021 gaben 29,7 Prozent der Befragten an, wenn ihnen nächste Woche eine Corona-Impfung angeboten werden würde, sich „auf keinen Fall“ impfen zu lassen. Damit sank die Impfbereitschaft der Stichprobe erneut – bereits im Mai war der Anteil an klaren Impfverweigerern auf einem vergleichsweise hohen Wert (22,9 Prozent). Insgesamt steht laut jüngster Datenerhebung mehr als jeder dritte Befragte einer Corona-Impfung tendenziell ablehnend gegenüber.
Die Studie weist darauf hin, dass schon im Mai 45 Prozent als „bereits geimpft“ aus der Berechnung ausgeschlossen wurden und seither nicht zwangsläufig die Impfbereitschaft der gesamten Stichprobe gesunken sei.
Ziel der Regierung ist es, bis zum Herbstanfang am 21. September möglichst 70 Prozent der gesamten Bevölkerung zweimal zu impfen, um die sogenannte „Herdenimmunität“ zu erreichen. Laut Studie würden die bereits Geimpften zusammen mit den Impfbereiten eine Impfquote unter den 18- bis 74-Jährigen von 76 Prozent bilden (Mai 2021) – Kinder und Jugendliche sind davon ausgenommen.
Ob sich alle am Ende jedoch tatsächlich impfen lassen, sei dahingestellt. So zeigt sich aktuell beispielsweise in Israel ein zunehmendes Desinteresse an der Schutzimpfung. Seit März stagniert dort der Anteil an Empfänger der ersten Impfdosis bei knapp über 60 Prozent. Derweil verbreitet sich im jüdischen Staat die Delta-Variante des Virus.
Daher forderte nun der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, in Deutschland stärker auf Impfskeptiker zuzugehen. „Wenn wir nicht auch einen Teil dieser Gruppe vom Sinn der Impfung überzeugen, werden wir die Herdenimmunität nicht erreichen“, sagte Montgomery dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Zuvor hatten schon andere Experten gewarnt, dass eine potentielle Ausbreitung der Delta-Variante in der Bundesrepublik das Erreichen der Herdenimmunität weiter erschweren könnte.
Covimo-Studie des RKI: Impfbereitschaft in Deutschland geschrumpft
Seit Anfang 2021 führt das Robert Koch-Institut monatlich ein Monitoring zur COVID19 Impfbereitschaft mittels telefonischer Befragung in Deutschland durch. Den Ergebnissen aus dem Mai zufolge lag der Anteil der Befragten, die sich tendenziell impfen lassen würden, bei 82,8 Prozent. Im Vormonat waren es noch 81,2 Prozent.
Im Juni 2021 kam die Studie zu dem Ergebnis, dass sich lediglich 67 Prozent der bis dato ungeimpften Befragten tendenziell impfen lassen würde. 62,7 Prozent der Stichprobe sind bereits mindestens einmal geimpft worden – der Großteil davon (62,6 Prozent) hat noch nicht den vollständigen Impfschutz. Wird die Anzahl der mindestens einmal geimpften Personen in der Statistik zur Impfbereitschaft berücksichtigt, ergeben sich Räume für Prognosen.
So schreibt das RKI in seinem jüngsten Report: „Der Anteil geimpfter und impfbereiter Personen zusammen (87.67 %) gibt einen Hinweis darauf, welche Impfquote in Deutschland erreicht werden könnte.“
Dem widerspricht ein aktueller Trend, der sich zunächst in den USA abgezeichnet – und mittlerweile auch Deutschland erreicht hat. So berichtete der MDR Ende Juni, dass in den sächsischen Impfzentren binnen einer Woche rund 7.000 Termine für Zweitimpfungen nicht wahrgenommen wurden. Auch Impfzentren in anderen Bundesländern schildern ähnliche Szenarien. Niedrige Inzidenzwerte in Kombination mit der Jahreszeit scheinen die Sorglosigkeit der Bevölkerung anzukurbeln.
Ungeachtet dessen gaben 98,7 Prozent der bisher einmal geimpften Befragten an, sich „auf jeden Fall” bzw. „eher” ein zweites Mal impfen lassen zu wollen.
YouGov: Impfbereitschaft bei etwa drei Viertel der Deutschen
Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitut YouGov würden sich fast drei Viertel der Deutschen über 18 Jahre gegen das Coronavirus immunisieren lassen. Bereits 36 Prozent der Befragten haben schon mindestens eine Spritze bekommen, weitere 38 Prozent haben vor, den Ärmel hochzukrempeln. Im Juni 2020 lag die Impfbereitschaft laut Befragung noch bei 49 Prozent. Sie ist seither also deutlich gestiegen und tendiert in Richtung Herdenimmunität, die auch diejenigen vor Ansteckung schützen soll, die am Ende nicht geimpft sind.
Und genau an dem Punkt wird es zweischneidig. Zwar sinkt mit höherer Impfquote die Gefahr, sich als Ungeimpfter anzustecken. Zugleich dürfte aber auch die Bereitschaft sinken, sich bei niedrigen Fallzahlen überhaupt noch impfen zu lassen – was umgekehrt wiederum zu höheren Ansteckungen führen könnte. Dieses Problem benennt in der Form auch Viola Priesemann, Leiterin einer Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, in einem Positionspapier.
Letztendlich befeuert eine mangelnde Impfbereitschaft auch die aktuelle Diskussion um die Impfung von Kindern und Jugendlichen. „Solange diese noch nicht geimpft werden können, ist die für Herdenimmunität benötigte Impfquote noch höher“, zitiert das Redaktionsnetzwerk Deutschland die Leiterin der Cosmo-Studie, Cornelia Betsch. So dürfte am Ende entscheidend sein, dass auch dieser Teil der Herde ausreichend geimpft wird.
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Kurz und knapp meine Frage: Warum wird nur auf diese neuen, noch nicht ausreichend erprobten Impfstoffe gesetzt?
Ich glaube mit einem klassischen Tot-Impfstoff könnte man noch viele Leute von der Impfung überzeugen. Dazu zähle ich mich auch.
Wieso wird die Immunität von Genesenen nicht eingerechnet? Es waren doch inzwischen sehr viele Menschen und besonders Kinder und Jugendliche infiziert und haben natürliche Immunität durch Antikörper bzw. T-Zellen, die der der Impfung sogar haushoch überlegen ist, weil sie lang anhaltend und breit gegen alle Mutationen schützt. Warum rechnet man die nicht mit ein? Es wäre relativ einfach, per Bluttest eine repräsentative Studie zu machen. Dabei käme vermutlich raus, dass wir längst 80-90% Herdenimmunität haben.
Es stellt sich auch zunehmend heraus, dass sehr viele Geimpfte von der Delta Variante erkranken. Da muss auch die Frage erlaubt sein, ob die Immunität, die man durch die Injektion dieser genbasiereten "Software of Life" (wie Moderna es ganz offen auf ihrer Homepage nennt) überhaupt was taugt. Und auch die Frage, ob es hier überhaupt um unsere Gesundheit geht.
Laut Prof. Dr. Kurt Wittkowski (Epidemiologe) verzögern Masken, Abstand halten, Lockdowns und alle anderen Maßnahmen (sinnvoll nur für alte Menschen, solche mit Vorerkrankungen und deren Pfleger) das Erlangen der natürlichen Herdenimmunität in alle Ewigkeit. So können wir - Impfung hin, Impfung her - im Herbst mit dem nächsten Lockdown rechnen. Sehr sehenswertes Interview: Beitrag von der Redaktion editiert. Bitte achten Sie unsere Netiquette: „Kommentare sind keine Werbeflächen.“ http://www.handelsblatt.com/netiquette