Verkehrswende Verkehrsminister der Länder fordern Milliarden für den Nahverkehr

Die Verkehrsminister fordern eine Bahnreform und Milliarden für den Nahverkehr.
Berlin Beim Klimaschutz stehen die Bundesländer fest an der Seite des Bundes. Gemeinsam wollen sie die Zahl der Fahrgäste im Nah- und Fernverkehr der Bahnen bis 2030 im Vergleich zu 2019 trotz Pandemie verdoppeln. So hielten es die Minister Mitte April bei ihrer letzten Konferenz mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) in Bremen fest.
Die damit verbundenen Kosten in Milliardenhöhe aber soll der Bund allein tragen, wie das Handelsblatt aus Kreisen der Bundesländer erfuhr. Hinter vorgehaltener Hand ist bereits davon die Rede, die Mittel von heute rund neun auf dann 18 Milliarden Euro im Jahr zu verdoppeln, um das Ziel zu erreichen.
Der Bund hatte die Regionalisierungsmittel erst Anfang 2020 um mehr als fünf Milliarden Euro auf 8,9 Milliarden Euro bis 2030 erhöht, um „eine klimafreundliche Mobilität“ im Rahmen des Klimapakets zu fördern. Ohnehin gibt es jedes Jahr 1,8 Prozent mehr, um Inflation und steigende Baukosten auszugleichen.
Doch das reicht den Ländern nicht mehr. Es gehe um eine „adäquate Aufstockung“, sagte Maike Schaefer, Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz und zuständige Senatorin der Grünen in Bremen, dem Handelsblatt.
Das Ziel war schon vor der Coronakrise ambitioniert und ist es heute im Lockdown umso mehr, da kaum noch Menschen mit dem Nahverkehr fahren. Viele Beschäftigte arbeiten von zu Hause und werden auch nach der Krise im Homeoffice bleiben. Andere meiden gut gefüllte Bahnen und nehmen lieber das Auto, das Rad oder gehen zu Fuß. Allein für dieses und das vergangene Jahr rechnen die Länder mit einem Minus von insgesamt sieben Milliarden Euro im Nahverkehr.
In einem ersten Rettungsschirm hat der Bund bereits 2,5 Milliarden Euro übernommen. In der aktuellen Krise fordern die Länder mindestens eine weitere Milliarde Euro. „Hier sind Bund und Länder gefordert, den ÖPNV-Rettungsschirm weiter gemeinsam fortzuführen und hälftig zu finanzieren“, sagte Bremens Bürgermeisterin Schaefer.
Der Bund soll langfristig Milliarden in den Nahverkehr stecken
Nach der Krise aber soll es um weit mehr gehen. Der Forderungskatalog findet sich im Protokoll der Minister, das dem Handelsblatt vorliegt. Um doppelt so viele Menschen zu transportieren, müssten sie mit „sinnvollen Tarifmaßnahmen“, mit einem besseren Angebot, mit mehr Fahrzeugen und mehr Personal angelockt werden. Zudem sollen auf digitalisierten und elektrifizierten Netzen mehr Züge fahren können.
Und weil all das viele Milliarden Euro kostet und die Umsetzung viele Jahre dauern wird, schließen die Verkehrsminister ihre Auflistung mit der Bitte, „die Regionalisierungsmittel ab 2022 aufzustocken“. Und zwar dauerhaft.
„Doppelt so viele Fahrgäste bis 2030 sind nicht zu haben, wenn keiner Züge bestellt und Personal bezahlt“, stellte Anke Rehlinger, Verkehrsministerin im Saarland, klar. „Deshalb muss der Bund den Ländern auch die notwendigen Regionalisierungsmittel zur Verfügung stellen“, sagte die SPD-Politikerin dem Handelsblatt.
Ohnehin vertreten die Länder die Meinung, dass es sich bei den Mitteln nicht um Bundesmittel handelt, schließlich hat der Bund die Aufgabe, den Regionalverkehr zu organisieren, Mitte der 90er-Jahre auf die Länder übertragen. Diese erhalten dafür „als Vorwegabzug“ vom Bund festgelegte Mittel aus dem Mineralölsteueraufkommen, wie Bernd Buchholz, zuständiger Minister der FDP in Schleswig-Holstein, erklärt.
So koste der Nahverkehr in seinem Land jährlich 700 Millionen Euro: 300 Millionen nähmen die Unternehmen durch die Fahrkarten ein, weitere 300 Millionen Euro flössen aus Regionalisierungsmitteln des Bundes. 100 Millionen schießt das Land zu und finanziert eigenständig mit den Kommunen den Busverkehr. „Wenn wir die Verkehrswende tatsächlich realisieren wollen, brauchen die Länder einen deutlich höheren Anteil aus dem Mineralölsteueraufkommen für die Finanzierung des ÖPNV“, sagte Buchholz dem Handelsblatt.
Länder fordern eine Reform der Deutschen Bahn AG
Doch damit nicht genug. So hält CDU-Kollege Bernd Althusmann aus Niedersachsen bei der Finanzierung „eine stärkere Beteiligung des Bundes für unerlässlich“ und fordert, dass „eine kritische Bestandsaufnahme der Strukturen innerhalb der Deutschen Bahn“ erfolgt. In der Tat wollen die Verkehrsminister prüfen, ob die Bahn in ihrer Struktur als Aktiengesellschaft und Konzern in der Lage ist, die Verkehrswende zu meistern.
Niedersachsen habe sich „gemeinsam mit den anderen Bundesländern auf der Verkehrsministerkonferenz bereit erklärt, im Arbeitskreis Bahnpolitik entsprechende Vorschläge zu entwickeln und sich in den Prozess mit einzubringen“, sagte Althusmann dem Handelsblatt.

„Hier sind Bund und Länder gefordert, den ÖPNV-Rettungsschirm weiter gemeinsam fortzuführen und hälftig zu finanzieren.“
Grünen-Senatorin Schaefer verwies auf das Problem, dass es bei der Bahn im Vergleich zur Autobahn viel zu lange dauere, bis eine Strecke gebaut werde. Es gebe zu viele Engpässe an den großen Bahnknotenpunkten, in Metropolen wie Frankfurt oder auch beim Seehafenhinterlandverkehr. Die Verkehrsminister würden auf ihrer Herbstsitzung „Anforderungen an die zukünftigen Strukturen der Deutschen Bahn AG und Vorschläge für grundsätzliche Verbesserungen bei der Organisation des Schienenverkehrs aus Sicht der Länder formulieren“.
Grüne und FDP wollen das Bahnnetz staatlich organisieren
In der Tat könnte es nach der Bundestagswahl zum Umbau der Bahn kommen. Schließlich gibt es in den Ländern Minister der Grünen, der FDP, der Union und der SPD. Im Bundestag haben die Grünen bereits vorgeschlagen, die Aktiengesellschaft aufzulösen und das Netz vom Unternehmen zu trennen.
Und auch die FDP fordert nun, die Bahn solle sich auf ihr Inlandsgeschäft konzentrieren und der Bund das Netz in eine eigene Gesellschaft überführen und aus einem Fonds finanzieren. „Fahrgäste sollten mit attraktiven Preisen, Service und Pünktlichkeit für die Bahnnutzung begeistert werden, nicht mit schlechtem Gewissen und der Klimakeule“, sagte der FDP-Politiker Torsten Herbst.
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"Doch das reicht den Ländern nicht mehr. Es gehe um eine „adäquate Aufstockung“, sagte Maike Schaefer, Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz und zuständige Senatorin der Grünen in Bremen, dem Handelsblatt."
Adäquat = Doppelt so viel?