Corona Italien will mehr Schulden machen

Italien will die EU davon überzeugen, dass in der aktuellen Lage neue Schulden angemessen sind.
Rom Noch feilt die Regierung in Rom an ihren beiden Dekreten, mit denen sie den wirtschaftlichen Schaden durch das Coronavirus begrenzen will. Das erste, mit Maßnahmen für Menschen und Unternehmen in den elf Städten, die unter Quarantäne stehen, soll noch vor dem Wochenende im Kabinett beraten und anschließend umgesetzt werden. Darin geht es um Schadenersatz und Ausgleichszahlungen.
Das zweite Gesetzesdekret, in dem es um größere Hilfsmaßnahmen für die gesamte Wirtschaft und um Investitionen gehen soll, soll nächste Woche fertig sein.
Doch schon jetzt sondiert Italien in Brüssel wegen einer neuerlichen Überziehung des Defizits. „Wir sind bereit, alle Möglichkeiten der Flexibilität auszunutzen, die die Bilanzregeln der EU bei außerordentlichen Ereignissen wie dem Coronavirus zulassen“, sagte Wirtschafts- und Finanzminister Roberto Gualtieri am Donnerstag im Radio. Ein „konzertierte Antwort“ auf europäischer Ebene sei nötig.
Rom pocht auf mehr Freiraum für neue Schulden und das nicht zum ersten Mal. So konnte Ende 2018 ein Strafverfahren wegen der Überziehung des Defizitziels erst in letzter Minute verhindert werden. Damals regierten noch die Populisten in Rom.
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Jetzt signalisiert Brüssel Verständnis. „Es gibt eine entsprechende Klausel im Stabilitätspakt, um bei solchen Notfällen gerüstet zu sein“, erklärte Valdis Dombrovskis, Vizepräsident der EU-Kommission. Wenn ein Land konkret frage, sei man offen für Verhandlungen.
„Ein Konflikt mit der EU-Kommission wegen der Maastrichter Defizitgrenze dürfte nicht entstehen, da Flexibilitätsklauseln höhere Ausgaben bei Einwirkung ‚höherer Gewalt‘ zulassen. Diesen Spielraum dürften die italienische Regierung und die EU-Kommission sehr weit interpretieren“, meint Marco Wagner, Senior Economist der Commerzbank.
Italien steht bereits am Rand einer Rezession, es wäre die vierte seit 2009. „Eine technische Rezession kommt mit Sicherheit“, sagt der Ökonom Lorenzo Codogno. Er fürchtet einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um bis zu einem Prozent. Im vierten Quartal 2019 schrumpfte die Wirtschaft nach ersten Schätzungen um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Das erste Quartal 2020 wird nicht viel besser sein.
Das mit der EU-Kommission verhandelte Defizitziel von 2,2 Prozent wird Italien vermutlich deutlich verfehlen. Es beruhe auf optimistischen Annahmen hinsichtlich der Einnahmen aus Privatisierungen und dem Kampf gegen Steuerhinterziehung sowie einem unterstellten Wirtschaftswachstum von 0,6 Prozent, so Commerzbank-Ökonom Wagner.
Minister Gualtieri bleibt vorsichtig optimistisch. Die Zahlen für 2019, die in der nächsten Woche kommen, werden besser als erwartet sein, sagte er.
Die Unternehmer und die Sozialpartner in Italien fordern von der Regierung konkrete Hilfe. In einer gemeinsamen Erklärung des Industrieverbands Confindustria, des Bankenverbands, der Gewerkschaften und der Berufsverbände heißt es: „Wir brauchen Unterstützung für die Firmen und für die Löhne und Gehälter. Jetzt ist der Moment für einen großen Investitionsplan für Italien gekommen, in dem starke und außerordentliche Maßnahmen enthalten sind, damit unsere Wirtschaft zurück auf einen stabilen und andauernden Wachstumskurs kommt.“
Optimismus verbreitet Jerome Adda, Forschungsdekan der Mailänder Wirtschaftsuniversität Bocconi. „Die Untersuchung früherer Epidemien zeigt, dass der ökonomische Schaden relativ schnell wieder aufgefangen wird, so dass langfristig gesehen Werksschließungen nicht so wichtig sind wie viele Menschen glauben.“ Außerdem würden die meisten Viren mit steigenden Temperaturen im Frühling und Sommer absterben.
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