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Kommentar zum Weltklimagipfel Vorreiter brauchen Mitstreiter

Die COP 26 in Glasgow hat wieder mal gezeigt, dass es im Kampf gegen die Erderwärmung zusätzlicher Instrumente bedarf. Das Format der Klimakonferenzen allein führt nicht zum Ziel.  
13.11.2021 - 21:30 Uhr Kommentieren
Noch fünf Jahre vor dem Rest der Welt, nämlich im Jahr 2045, will Deutschland komplett klimaneutral sein. Quelle: Reuters
COP 26 in Glasgow

Noch fünf Jahre vor dem Rest der Welt, nämlich im Jahr 2045, will Deutschland komplett klimaneutral sein.

(Foto: Reuters)

Jedes Veranstaltungsformat folgt bestimmten Mustern. Bei den Weltklimakonferenzen ist es seit Jahren gelebte Praxis, dass das Gastgeber-Land die Gipfel-Ergebnisse rosig darstellt, die zivilgesellschaftlichen Organisationen sich hingegen enttäuscht zeigen.

Exakt diesem Schema folgte am Samstag die Äußerung von Alok Sharma, Gastgeber und Präsident der COP 26, man habe die Dinge vorangebracht. Klimaaktivistin Lisa Neubauer hingegegen wusste schon kurz vor Ende der Konferenz, es sei verpasst worden, den globalen Wendepunkt zu organisieren. Am Ende, nach der üblichen Verlängerung, kamen dann die meisten Beteiligten zu dem Ergebnis, es sei ein kleines Wunder, dass man sich überhaupt auf etwas geeinigt habe – zum Beispiel darauf, Subventionen für Öl, Gas und Kohle abzuschaffen, was Klimaschützer seit vielen Jahren fordern.

Weltklimakonferenzen sind bis zu ihrem regelmäßig theatralischen Ende nach Verlängerung streng ritualisierte Prozesse. Doch Rituale retten das Klima nicht. Auf der einen Seite steht eine Reihe feierlicher Bekenntnisse, wolkiger Absichtserklärungen und unverbindlicher Selbstverpflichtungen, auf der anderen Seite werden unerfüllbare Erwartungen geweckt. Unbestritten ist, dass Klimakonferenzen wie die in Glasgow ungeahnte gruppendynamische Prozesse auslösen, zu Erkenntnisgewinnen führen und zusätzliches Engagement anregen.  

Die daraus erwachsenden Zusagen sind aber nicht belastbar. So bleibt es am Ende jedem Land selbst überlassen, ob es sich mehr oder weniger vorbildlich verhält. Deutschland hat sich entschieden, besonders vorbildlich zu sein – ganz unabhängig davon, was die anderen tun.

Zuletzt hat sich das erst in diesem Frühjahr in einer Gesetzesänderung niedergeschlagen, die global ohne Vorbild ist: Noch fünf Jahre vor dem Rest der Welt, nämlich im Jahr 2045, will Deutschland komplett klimaneutral sein. Eine ernstzunehmende Folgenabschätzung hat es nicht gegeben. Auch Fragen nach der Effizienz, nach den Kosten und der technischen Umsetzbarkeit hat niemand gestellt. Mit der Frage, ob andere mitmachen, hat sich niemand befassen wollen.

Die Vorbildrolle wird teuer, daran besteht kein Zweifel. Schon in der Vergangenheit hat Deutschland sich im Klimaschutz für Sonderwege entschieden, die kostenträchtig und ineffizient sind und ganze Branchen im internationalen Wettbewerb schwächen.

Viele Unternehmen sitzen in einer Falle. Sie wollen auf dem Weg zur Klimaneutralität voranschreiten. Bei der Umsetzung werden sie aber im Stich gelassen. Dafür gibt es konkrete Beispiele.

Horrende CO2-Kosten

Tausende industrielle Mittelständler in Deutschland tragen horrende CO2-Kosten, die ihre Mitbewerber jenseits der deutschen Grenzen nicht oder nicht in diesem Umfang kennen. Für wärmegeführte Prozesse, die Kern ihrer Arbeit sind, sind fossile Brennstoffe oft die einzige Lösung. Ausweichmöglichkeiten haben die Unternehmen in vielen Fällen nicht. Wer mangels entsprechender Leitungen nicht einmal den Zugang zu Erdgas hat und deshalb Kohle einsetzen muss, muss es als Zynismus empfinden, wenn er darauf verwiesen wird, er könne ja klimaneutralen Wasserstoff verwenden. Den gibt es schlicht nicht.

So werden viele Unternehmen noch über viele Jahre für CO2-Emissionen bestraft, die sie nur vermeiden können, indem sie ihren Betrieb stilllegen. Wettbewerber aus dem Ausland springen gerne in die Bresche – und produzieren oft zu klimaschädlicheren Bedingungen.

So gefährdet Deutschland als einsamer Vorreiter seine industrielle Basis und schwächt den Klimaschutz. Das Format der Weltklimakonferenzen ist nur bedingt geeignet, das zu ändern. Für viele Länder ist die Aussicht, sich immer dann wegducken zu können, wenn es ernst wird, zu verlockend. Sie machen es sich im Windschatten der Vorreiter bequem.

Solange das so ist, müssen Vorreiter Mitstreiter suchen, die ebenfalls bereits sind, verbindliche Verpflichtungen einzugehen. Die Idee, Klima-Clubs zu gründen, in denen sich Staaten gemeinsam verbindliche Ziele setzen und diese auch umsetzen, ist das richtige Instrument dazu. Bislang sind die Klima-Clubs allerdings nicht mehr als eine vage Idee. Deutschland ist gut beraten, das möglichst schnell zu ändern. Wer sich allein auf die Weltklimakonferenzen verlässt, handelt fahrlässig.

Mehr: Warum Frankreich auf Mini-Atomkraftwerke setzt

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