Ostseepipeline Bundesregierung protestiert gegen Nord-Stream-2-Sanktionen der USA

Die Pipeline soll auch Gas nach Deutschland transportieren.
Berlin Bis zuletzt wollte Deutschland Strafmaßnahmen der USA wegen der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 abwenden – ohne Erfolg. US-Präsident Donald Trump setzte am Freitag die vom US-Kongress beschlossenen Sanktionen per Unterschrift in Kraft. Die Bundesregierung, die das Projekt unterstützt, protestierte scharf gegen die Entscheidung.
Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von einem „schweren Eingriff“ in die inneren Angelegenheiten Deutschlands und Europas und der eigenen Souveränität. „Das lehnen wir entschieden ab“, sagte Scholz der ARD. Gegenmaßnahmen will die Regierung aber nicht ergreifen, weil die Sanktionen sich nicht gegen Deutschland, sondern gegen privatwirtschaftliche Unternehmen richten.
Tatsächlich zielen die Sanktionen des „Gesetzes zum Schutz von Europas Energiesicherheit“ auf Investoren und Firmen ab, die im Auftrag der Nord Stream 2 AG die Pipelinerohre in der Ostsee verlegen. Nach aktuellem Stand fehlen noch knapp 200 Kilometer der insgesamt 2400 Kilometer umfassenden Leitung, die aus zwei Strängen von je 1200 Kilometern besteht. Die Sanktionen könnten nun den Abschluss der Arbeiten verzögern.
Das schweizerisch-niederländische Unternehmen Allseas, das mit Spezialschiffen die Rohre durch die Ostsee verlegt, setzte bereits seine Arbeit an der Pipeline aus. Zuvor hatten der republikanische Senator Ted Cruz – der das Sanktionsgesetz eingebracht hat – und sein Kollege Ron Johnson in einem Brief dem Verlegespezialisten mit „potenziell vernichtenden rechtlichen und wirtschaftlichen Sanktionen“ gedroht. Das Vorgehen der USA birgt politischen Sprengstoff.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sieht das transatlantische Verhältnis belastet. „Die EU und Deutschland sind für Trump offenbar keine verbündeten Partner, sondern tributpflichtige Vasallen.“ Der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid betonte: „Die europäische Energiepolitik wird in Europa entschieden, nicht in den USA.“
Scharfe Kritik kommt auch aus der Union. „Die Sanktionen sind ein feindlicher Akt der USA gegen seine Verbündeten und ganz Europa“, sagte der CDU-Wirtschaftspolitiker Joachim Pfeiffer dem Handelsblatt. Extraterritoriale Sanktionen seien „völlig inakzeptabel“. „Es ist unsere Sache, welche Energiepolitik wir betreiben. Dafür brauchen wir keine Belehrungen vonseiten der USA.“
Das „Hauruck-Vorgehen“ von Washington sei auch deshalb „höchst befremdlich“, so Pfeiffer weiter, weil es die in dieser Woche unter deutscher Moderation erzielten Fortschritte im russisch-ukrainischen Konflikt konterkariere. „Das Gas-Pipeline-Projekt Nord Stream 2 kann nicht davon losgelöst betrachtet werden“, betonte der CDU-Politiker. „Beide Sachverhalte gehören zusammen.“
FDP unterstützt US-Kritik
Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour hält Nord Stream 2 zwar für „völlig verfehlt“, wie er dem Handelsblatt sagte. Das amerikanische Vorgehen sei aber „vermessen“. Nouripour zog einen Vergleich zum Pariser Klimaabkommen, aus dem die USA ausgestiegen sind. „Man stelle sich vor, wie die US-Administration reagieren würde, wenn wir wegen Paris die US-Souveränität verletzende Sanktionen verhängen würden. Und danach auch noch erklären würden, dass wir das aus reinster Liebe zu den USA tun“, sagte Nouripour. „Dagegen würde Washington Sturm laufen. Aber jetzt tut die US-Regierung genau das.“
Sven Giegold, Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament, forderte die Bundesregierung vor diesem Hintergrund zu einem Umdenken in der Energiepolitik auf. „Die unfreundlichen Sanktionsdrohungen aus den USA zeigen im Grunde nur eines: Europa sollte schleunigst auf 100 Prozent Erneuerbare umsteigen“, sagte Giegold dem Handelsblatt. „Das ist technisch möglich, politisch kluge Souveränität und wahrhaft klimafreundlich.“
Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff pflichtete hingegen dem US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, bei. Dieser habe „mit seiner Einschätzung recht, dass die meisten Europäer Nord Stream 2 ablehnen“, sagte Lambsdorff dem Handelsblatt.
„Ob man an Dänemark denkt, Frankreich oder Polen – alle waren gegen das Projekt, das die Bundesregierung mit dem Kopf durch die Wand durchgesetzt hat.“ Ob man energiepolitisch für oder gegen die Ostseepipeline ist, sei „nicht wichtig, um zu erkennen, dass Nord Stream 2 außenpolitisch eines der größten Debakel der Bundesregierung ist“.
Grenell erinnerte an die seit Jahren geltende amerikanische Position, „für eine Diversifizierung der europäischen Energiequellen zu sorgen und sicherzustellen, dass nicht ein Land oder eine Quelle einen zu starken Einfluss auf Europa mittels Energie aufbauen kann“. Im Übrigen hätten auch 15 europäische Länder, die EU-Kommission und das Europäische Parlament ihre Bedenken an dem Projekt angemeldet, sagte Grenell der „Bild am Sonntag“. Die US-Maßnahmen seien deshalb „eine sehr proeuropäische Entscheidung“.
Brüssel reagierte zurückhaltend. Man prüfe derzeit die möglichen Auswirkungen der Sanktionen auf europäische Unternehmen. „Prinzipiell lehnt die EU Sanktionen gegen EU-Firmen ab, die rechtmäßige Geschäfte betreiben“, betonte ein Sprecher der EU-Kommission. Hinter dem Pipeline-Projekt steht der russische Staatskonzern Gazprom, der die Hälfte der geplanten Kosten von rund zehn Milliarden Euro stemmen soll.
Das russische Außenministerium glaubt nicht, dass die Fertigstellung der Pipeline durch die USA gefährdet werden könnte. „Russland hat seine Wirtschaftsprojekte umgesetzt und wird sie weiter umsetzen – unabhängig von irgendwelchen Sanktionen“, hieß es in einer Mitteilung.
Mehr: Der russische Präsident Wladimir Putin kündigte im Streit um Nord Stream 2 Vergeltungssanktionen gegen die USA an.
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