Digitale Spielemesse Politische Gamescom: Zockende Diplomaten und Debatte um Spieleförderung

Die Konferenzen finden im virtuellen Raum statt, die Ergebnisse sollen durchaus real und handfest werden. Auch in Sachen Games-Förderung.
Düsseldorf, Berlin Diplomaten haben einen schweren Job: Sie müssen in angespannten politischen Lagen vermitteln, schwierige Verhandlungen begleiten – und zuweilen Computerspielern Politik erklären. „Wir haben zwei Diplomaten zum Gamen abgestellt“, wird Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) am Freitagmorgen in einer Videobotschaft zum Auftakt des Gamescom Congress sagen.
Es ist eine politische Botschaft wie bestellt zum Auftakt der weltgrößten Spielemesse, die wegen der Pandemie ausschließlich virtuell stattfindet: Jetzt wird sogar in Bundesministerien gespielt – und zwar zu Bildungszwecken. Die Messe und der dazugehörige Fachkongress stehen unter dem Motto „Spielend in die Zukunft“. Die stets um ihr Ansehen besorgte Branche will den Ruf nach mehr Digitalisierung im Bildungssystem nutzen, um sich selbst als Partner für diesen Weg zu empfehlen.
Maas nimmt das Angebot an. Er will mit seinen Gaming-Diplomaten die oft komplizierten Themen aus Brüssel jungen Menschen näherbringen. Sie würden im Rahmen von „Let’s Play”-Formaten mit der Gamerszene über Außenpolitik reden. Gemeint sind Videos, in denen Computerspieler sich selbst beim Spielen filmen und währenddessen über soziale Netzwerke mit anderen darüber sprechen.
„Die diplomatische Sprache hat manchmal das Ziel, mit vielen Worten nichts zu sagen“, gibt Maas freimütig zu. Um Außenpolitik verständlicher zu machen, bringt das Ministerium nun mit zwei Partnern ein Spiel namens „Pathways“ heraus. Die Entwicklung haben der Art Director‘s Club, der Branchenverband der deutschen Werber, und die Agentur Artificial Rome übernommen. Das Augmented-Reality-Game soll angesichts der deutschen EU-Ratspräsidentschaft die demokratischen Prozesse in Europa erlebbar machen, erklärt Maas im Videogespräch den Einsatz von Bundesmitteln für ein Computerspiel. „Gamification“ gilt als Bildungstrend, auch weil es immer schwieriger scheint, junge Menschen über klassische Kommunikationswege zu erreichen.
Neben Außenminister Maas wird auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am Freitag bei der digitalen Gamescom auftreten. Sein Auftritt ist für viele Entwickler in diesem Jahr der wichtigste bei der Spielemesse. Denn der Minister will – mal wieder – Neuigkeiten zur Spieleförderung verkünden.
Projektstau oder nicht?
Die Freude und Erleichterung in der Branche war groß, als das Verkehrsministerium (BMVI) im November 2019 die erstmalige Spieleförderung fest in seinen langfristigen Budgetplan aufnahm. Der Bundeshaushalt sieht nun bis ins Jahr 2023 eine jährliche Fördersumme von 50 Millionen Euro vor.
Insgesamt 250 Millionen vom Bund – das hilft einer Branche, die immer wieder unter Beschuss steht bei Themen wie Jugendschutz, Spielsucht und Gewaltverherrlichung. Doch dann folgte – wie schon so oft in der Debatte – abermals die Ernüchterung. Denn die Förderung läuft schleppend an. Zunächst konnten ohnehin nur Entwicklerstudios ihre Förderwürdigkeit prüfen lassen, die eine sogenannte „De-minimis-Förderung“ bis zu 200.000 Euro pro Projekt beantragen wollen. Doch selbst diese warteten nach eigener Aussage monatelang auf eine Antwort des Ministeriums, verloren dabei Geld, Investoren und Geduld – denn die Projekte dürfen bis zur Antragsgenehmigung nicht gestartet werden.
Laut dem am Donnerstag vom Branchenverband Game veröffentlichten Jahresreport gingen rund 380 Projektskizzen zur Prüfung ein – das sei deutlich mehr als zuvor angenommen und unterstreiche den großen Förderbedarf der Branche. Allerdings habe dieser hohe Andrang auch zu Verzögerungen bei der Bearbeitung geführt.
Aus Sicht des Verkehrsministeriums wiederum gibt es keine außerordentlichen Verzögerungen. Im Schnitt würde die Bearbeitungszeit neun Wochen betragen. 267 der 380 Anträge seien bereits vollständig bewilligt. Bis Anfang August seien 17,3 Millionen Euro an Mitteln gebunden worden.
Allerdings: Bisher sind nur 4,1 Millionen Euro geflossen, 3,7 Millionen davon in diesem Jahr. Wenn es doch mal länger dauert, liegt das laut BMVI mitunter auch an unvollständigen Unterlagen seitens der Antragsteller. „Eines ist klar: Wir wollen, dass mehr Spiele in Deutschland produziert werden“, erklärt das Ministerium auf Anfrage. Man habe mit der Förderung die Voraussetzungen dafür geschaffen, im internationalen Wettbewerb aufzuholen. Die richtet sich aber an etablierte Unternehmen, nicht an Gründungen.
Die Förderung größerer Projekte musste zunächst von der EU notifiziert werden. Verkehrsminister Scheuer soll am Freitag nun endlich den Start dieses Programms ankündigen. Diese Förderung soll laut dem Branchenverband „einen entscheidenden Wachstumsimpuls geben und international vergleichbare Rahmenbedingungen für die Games-Unternehmen in Deutschland schaffen“.
Politische Debatten im Rahmen der Gamescom
Kritik am Stand der Umsetzung kommt aus der FDP. Mit den Antworten auf eine kleine Anfrage von Anfang August zum Stand der Dinge war die Bundestagsfraktion unzufrieden. „Das BMVI versteht die Bedürfnisse der Games-Branche nicht und verneint daher jeglichen Projektstau – von dem die Branche aber tagtäglich berichtet“, kritisiert Thomas Hacker, digitalpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag.
In einem nun zur Gamescom veröffentlichten Positionspapier fordert die FDP, dass die digitale Gameswirtschaft international „vom passiven Zuschauer zum aktiven und wettbewerbsfähigen Player“ gemacht werden müsse. Auch das Bildungspotenzial dürfe dabei nicht ungenutzt bleiben. „Kanzlerin Merkel sollte die Verantwortung für die Games-Förderung zu ihrer Kultur-Beauftragten ins Kanzleramt holen“, sagt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Katja Suding. Gemeint ist die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters.
Am liebsten würde sich womöglich Gamescom-Dauergast Dorothee Bär (CSU) der Sache annehmen. Die Digitalstaatsministerin ist erklärter Gaming-Fan. Mit den verbesserten politischen Rahmenbedingungen und der Förderung kämen neben der führenden Spielemesse bald noch viel mehr Games-Aushängeschilder aus Deutschland, sagte Bär dem Handelsblatt. Sie ist sich sicher, dass die digitale Gamescom „auch international neue Maßstäbe setzen wird“. Besonders freue sie sich, dass bei der Fachkonferenz Gamescom Congress dieses Jahr Digitales Lernen und Games im Schulalltag als Schwerpunkt diskutiert werden – für dieses Thema ist sie bereits zuständig.
Über Games und die Politik diskutieren am Freitag auch Paul Ziemiak (CDU), Lars Klingbeil (SPD), Linda Teuteberg (FDP), Jörg Schindler (Die Linke) und Michael Kellner (Grüne) bei einer „Debatt(l)e royale“. Virtuelle Besucher sollen sich einschalten dürfen – einige Entwickler dürften Redebedarf haben.
Mehr: Zukunftsinvestition im Corona-Jahr: Digitale Gamescom testet Geschäftspotenziale.
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