Viele Jobs in Deutschland gefährdet Telekom steht vor großem Umbau
Telekom vor Konzernumbau? Das Unternehmen dementiert Stellenabbau
Berlin, Düsseldorf Der sonst oft so gelassene Niek Jan van Damme wirkt extrem unruhig. Es ist Freitag der vergangenen Woche bei der Eröffnungspressekonferenz der Deutschen Telekom auf der Ifa in Berlin. Der Chef der Deutschlandgesellschaft der Telekom spricht von Investitionen, die der Konzern hierzulande vornehmen werde. Und er berichtet von vielversprechenden, neuen Angeboten für die verehrte Kundschaft.
Dabei verbreitet er kaum Fröhlichkeit, er wirkt abgelenkt. Da hilft auch nicht der leinwandgroße Satz „Wir können stolz sein“, mit dem hinter ihm die Bühne illuminiert ist.
Ähnliche große Worte benutzte zuletzt auch Konzernchef Timotheus Höttges. „Wir sind zufrieden mit dem, was wir uns in den ersten sechs Monaten erarbeitet haben“, sagte er kürzlich bei der Präsentation der Bilanz des ersten Halbjahres.
Dabei scheint es mit der Zufriedenheit bei der Telekom hinter den Kulissen nicht allzu weit her zu sein. Wie das Handelsblatt erfuhr, steht der Bonner Konzern womöglich vor einem weitreichenden Umbau. In der vergangenen Woche haben sich Vorstand und Aufsichtsrat zu einem Strategietreffen versammelt, um über die Neuausrichtung des Konzerns zu beraten. Auch die Arbeitnehmervertreter des Kontrollgremiums waren anwesend. Die Führungszirkel diskutierten folgende Fragen: Wie kann das Unternehmen kostengünstiger arbeiten? Welche Auslandsengagements tragen künftig zum Erfolg des Konzerns bei? Und: Soll die Geschäftskundensparte T-Systems als Einheit erhalten bleiben?
Teilnehmer der Zusammenkunft berichten von weitgehenden Überlegungen, ohne dass es allerdings schon formale Beschlüsse geben würde. Danach könnten im Deutschlandgeschäft bis 2022 mehrere Tausend Stellen wegfallen. Die Telekom müsse verschärft auf Effizienz achten, weil potenzielle Innovationstreiber noch nicht die gewünschte Wirkung entfaltet hätten, heißt es. Überprüft würden auch die Engagements in Osteuropa sowie in Griechenland. Selbst ein Teilverkauf der Geschäftskundensparte T-Systems könnte bis Weihnachten vollzogen werden. Bei Konzernchef Höttges sei die Geduld in der jetzigen Form erschöpft.
Bei der Deutschen Telekom hieß es dazu: „Der Umbau ist ein kontinuierlicher Prozess.“ Es gebe kein neues Abbauprogramm. Technologiebedingt würden zwar auch Stellen abgebaut, aber immer sozialverträglich.
Der deutsche Markt ist weiter das Kerngeschäft der Telekom, deren Ziel es immer noch ist, Europas führender Telekommunikationskonzern zu werden. Doch in den vergangenen Jahren ist es für die Telekom zunehmend schwieriger geworden in ihrer Heimat: Eine verschärfte Regulierung, eine höhere Wettbewerbsintensität und ein verändertes Kundenverhalten drücken auf die Margen. Ein Plan für die Zukunft muss deshalb her, am besten eine neue Cash Cow. Doch ist diese bisher noch nicht gefunden. Deshalb muss die Deutschland-Tochter effizienter und schneller werden.
Warum, das zeigen die Zahlen: Der Umsatz der Telekom in Deutschland ging im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 2,8 Prozent auf 10,8 Milliarden Euro zurück. Damit trägt das Deutschlandgeschäft nur noch 28,8 Prozent zum gesamten Konzernumsatz bei. Dagegen liefert die US-Tochter T-Mobile 45,2 Prozent der Erlöse. Und das vor dem Hintergrund, dass die Telekom konzernintern hierzulande mit Abstand die meisten Mitarbeiter beschäftigt: rund 68.300. In den USA sind es gut 20.000 weniger. Zum Vergleich: Wettbewerber Vodafone beschäftigt in Deutschland 14.000 Mitarbeiter.
Rund 500 Millionen Euro für Personal hat die Telekom Deutschland im ersten Halbjahr von ihrem Betriebsergebnis (Ebitda) abgezogen, um auf eine bereinigte Ebitda-Marge von 40,5 Prozent zu kommen. Berechnet man diese Kosten und weitere Sondereffekte in Höhe von 38 Millionen Euro mit ein, fiel die Ebitda-Marge im Vergleich zum Vorjahr um 2,2 Prozent auf 35,6 Prozent.
Zwar versucht die Telekom bereits seit einigen Jahren, die Zahl der Beschäftigten zu reduzieren. Innerhalb eines Jahres wurden 1.307 Stellen gestrichen. Das entsprach einem Minus von 1,9 Prozent. Ein Vergleich aber zeigt: In den anderen europäischen Landesgesellschaften wurden im gleichen Zeitraum 5,6 Prozent der Jobs abgebaut.
Oder anders ausgedrückt: Der Personalstand erscheint bei T-Deutschland auch im konzerninternen Vergleich immer noch sehr hoch. Mehr noch: Die vielen Mitarbeiter vermögen es nicht, den Kundenschwund im Festnetz zum Stillstand zu bringen. So fiel die Zahl der Telekom-Kunden im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 2,4 Prozent auf 28,6 Millionen Kunden.
Das war zwar politisch nach der Liberalisierung des Marktes ein Stückweit so gewollt. Allerdings geraten im heimischen Mobilfunkmarkt die Einnahmen der Telekom unter Druck. Nachdem kostenlose Kurznachrichtendienste den Umsatz mit SMS nivelliert haben, treibt zudem der Wettbewerb den Preisverfall voran.
Auf Nachfrage sagte Telekom-Chef Höttges bei Vorlage der Bilanz Mitte August, man müsse es schaffen, die Netzinfrastruktur besser zu monetarisieren. Wie das gelinge, müsse man auch ausprobieren.
Doch ausprobieren dauert - und für die Telekom wird die Zeit knapp. Branchenbeobachter erklären, sie seien besorgt, dass die Telekom bei der Digitalisierung nicht mithalten könne. Prozesse seien zu langsam, Besitzstandswahrer wehrten sich gegen Neuerungen.
Um neuen Schwung zu bringen, hat Höttges bereits beschlossen, die Innovationen aus dem Deutschlandgeschäft von Niek Jan van Damme herauszulösen. Ab Oktober ist Claudia Nemat, bisher Europa-Vorständin, dafür zuständig. „Sie übernimmt eine große Aufgabe“, erklärte Konzernchef Höttges. Und Aufsichtsratschef Ulrich Lehner fügte hinzu: „Mit der neuen Vorstandsstruktur schaffen wir wichtige Voraussetzungen, um die Digitalisierung erfolgreich zu gestalten.“
Zu hören ist, dass Deutschland-Chef van Damme nun stärker in den Fokus gerät. Der Holländer gilt „als Manager mit ruhiger Hand“. Zu ruhig sagen die einen. Andere meinen, er sei ein guter Gegenpol zum ständig fordernden Höttges.
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