Das Wichtigste in Kürze
- Eine Beitragserhöhung der privaten Krankenversicherung (PKV) muss unter anderem nachvollziehbar begründet und gesetzlichen Grenzwerten entsprechend sein, ansonsten kann sie als unwirksam gelten.
- Versicherte können unter bestimmten Bedingungen eine Rückerstattung der unrechtmäßig erhöhten Beiträge beantragen, jedoch gilt eine Verjährungsfrist von maximal 3 Jahren.
- Bei einer Beitragserhöhung haben Versicherte verschiedene Optionen, die aber alle gut überlegt sein wollen. Experten geben Unterstützung.
Bei privaten Krankenversicherungen (PKV) kommt es immer wieder vor, dass die Beiträge stark angehoben werden. Doch bevor Versicherungsnehmer in die Tasche greifen, sollten sie wissen, unter welchen Bedingungen eine Erhöhung überhaupt rechtens ist. Denn sollte sich herausstellen, dass sie nicht rechtmäßig ist, könnten Versicherte sogar Anspruch auf Rückerstattung der überzahlten Beiträge haben – und das mit Zinsen. Das hat der Bundesgerichtshof in seinen Urteilen vom 16. Dezember 2020 bestätigt. Nachzulesen ist das Ganze hier: Az. IV ZR 294/19; IV ZR 314/19.
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In diesen Fällen ist eine Erhöhung unwirksam
- Bevor eine PKV-Beitragserhöhung rechtens ist, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst einmal muss die Versicherung gemäß § 203 Abs. 5 VVG die Gründe für die Erhöhung nachvollziehbar darlegen. Wird sie aber nur mit vagen Formulierungen dargelegt oder gibt sie lediglich den Gesetzestext wieder, könnte dies als unzureichend gelten.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, den Versicherte berücksichtigen sollten, ist die korrekte Berechnung der Versicherungsprämie. Als Neukunde hat man noch eine sehr niedrige Prämie gezahlt, doch zum frühestmöglichen Zeitpunkt wird diese rapide erhöht. Das kann ein Hinweis darauf sein, dass die Versicherung mit Lockangeboten gearbeitet hat, nur um dann schnell wieder auf eine für sie angemessene Kalkulationsbasis zu kommen. Laut § 155 Abs. 3 VAG kann eine solche Vorgehensweise als ungültig angesehen werden.
Ein zusätzlicher Faktor ist die Beachtung gesetzlicher Grenzwerte: Passt der Versicherer die Beiträge an, so muss er nachweisen, dass bestimmte Schwellenwerte bezüglich der Krankheitskosten (um mehr als 10 Prozent) oder der Lebenserwartung des Versicherungsnehmers (um mehr als 5 Prozent) überschritten wurden. All das muss der Versicherer zudem schlüssig begründen. Festgehalten ist diese Bestimmung im Paragraph 203 Abs. 2 VVG, 155 Abs. 3 VAG. Sind die vorliegenden Schwellenwerte jedoch nachweisbar niedriger, kann eine Erhöhung auch aus diesem Grund unwirksam sein.
Übersicht der Faktoren, die eine Beitragserhöhung unwirksam machen können:
Grund für die mögliche Unwirksamkeit der Erhöhung | Nähere Beschreibung | Gesetzesgrundlage |
---|---|---|
Nachvollziehbare Gründe | Versicherung muss Erhöhungsgründe klar darlegen; vage Formulierungen sind unzureichend. | § 203 Abs. 5 VVG |
Prämienberechnung | Schnelle Erhöhungen nach niedriger Anfangsprämie können Lockangebote sein und ungültig. | § 155 Abs. 3 VAG |
Gesetzliche Grenzwerte | Schwellenwerte für Krankheitskosten (> 10%) und Lebenserwartung (> 5%) müssen überschritten und begründet sein. | § 203 Abs. 2 VVG |
Stand: Januar 2025
So lange können Versicherte eine Erstattung beantragen
Klar: Sind Versicherte unrechtmäßigerweise zur Kasse gebeten worden, so können sie eine Erstattung fordern. Allerdings gilt hier eine Verjährungsfrist, die im BGH Urteil 17. November 2021 (IV ZR 113/20) festgelegt wurde. Diese beträgt maximal 3 Jahre. Wer also eine unwirksame Erhöhung im Jahr 2022 von der PKV mitgeteilt bekommen hat, der kann diese Entscheidung bis zum 31. Dezember 2025 anfechten und das zu viel gezahlte Geld zurückfordern.
Meine PKV hat die Beiträge erhöht – was nun?
Wenn dem Versicherten eine Beitragserhöhung der PKV ins Haus flattert, hat er mehrere Optionen:
- Prüfung der Erhöhung: Es muss sichergestellt werden, dass die Beitragserhöhung rechtlich korrekt ist. Ist die Erhöhung ausreichend begründet und wurden die gesetzlichen Schwellenwerte für eine Anpassung eingehalten? Da dieses Vorgehen jedoch sehr viel Wissen voraussetzt, ist es in diesem Punkt ratsam, einen Experten um Hilfe zu bitten. Anwälte und Rechtsschutzversicherungen sind hier die richtigen Ansprechpartner. Sollte es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen, übernimmt die Rechtsschutzversicherung in der Regel die Kosten für Anwalt, Gericht und mögliche Gutachter.
- Tarifwechsel innerhalb der PKV: Es ist möglich, sich beim Versicherer nach anderen Tarifen zu erkundigen, die möglicherweise günstiger sind oder bessere Leistungen bieten. Oftmals kann der Versicherte innerhalb der PKV wechseln, ohne seine Alterungsrückstellungen zu verlieren. Ob das zutrifft, sollte jedoch sorgsam geprüft werden.
- Selbstbehalt erhöhen: Eine weitere Möglichkeit, um die Beiträge zu reduzieren, ist die eventuelle Erhöhung des Selbstbehalts. Dadurch trägt der Versicherte einen größeren Anteil an den Krankheitskosten selbst und kann im Gegenzug niedrigere Versicherungsbeiträge zahlen.
- Leistungen reduzieren: Versicherungsnehmer können auch erwägen, die Versicherungsleistungen zu reduzieren, um die Beiträge zu senken. Es sollte jedoch keineswegs auf wichtige Leistungen verzichtet werden.
Alternative: Wechsel des Versicherers
Wer mit seinem aktuellen Anbieter unzufrieden ist, kann natürlich auch den Versicherer wechseln. Dabei ist jedoch zu beachten, dass man unter Umständen unter Umständen Alterungsrückstellungen verlieren kann. Auch ist es möglich, dass eine erneute Gesundheitsprüfung notwendig ist. Je nach aktueller gesundheitlicher Verfassung kann dies zu höheren Beiträgen oder sogar zu Ablehnungen führen.Bei einem Wechsel zu einer neuen PKV können außerdem Wartezeiten für bestimmte Leistungen anfallen.
Der letzte Schritt: Ist eine Kündigung ratsam?
In einigen Fällen kann es möglich sein, von der PKV zurück in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zu wechseln. Die Voraussetzungen dafür sind jedoch von verschiedenen Faktoren abhängig, wie etwa vom Alter und vom Einkommen. Diese Möglichkeit ist jedoch riskant. In einigen Fällen können die Beiträge in der GKV höher ausfallen als in der PKV, insbesondere wenn der Versicherungsnehmer als Selbstständiger oder Freiberufler tätig ist. Des Weiteren bietet die GKV im Vergleich zur PKV häufig weniger umfassende Leistungen. Insbesondere bei Zusatzleistungen, wie beispielsweise alternativen Heilmethoden, kann es zu Einschränkungen kommen. Auch gibt es in der GKV Beitragserstattungen bei Nichtinanspruchnahme von Leistungen, wie dies in der PKV häufig der Fall ist.
Optionen des Versicherten nach einer Beitragserhöhung der PKV auf einen Blick:
Option | Vorteile | Nachteile |
---|---|---|
Prüfung der Erhöhung | Möglichkeit der Anfechtung bei fehlerhafter Erhöhung | Expertenwissen erforderlich; eventuelle Kosten für Anwalt und Gericht |
Tarifwechsel innerhalb PKV | Erhalt von Alterungsrückstellungen; günstigere Tarife | Sorgfältige Prüfung erforderlich |
Selbstbehalt erhöhen | Reduzierte Beiträge | Höhere Selbstbeteiligung an Krankheitskosten |
Leistungen reduzieren | Reduzierte Beiträge | Verzicht auf möglicherweise wichtige Leistungen |
Wechsel des Versicherers | Neuer Anbieter, ggf. bessere Konditionen | Möglicher Verlust von Alterungsrückstellungen; eventuell erneute Gesundheitsprüfung; Wartezeiten möglich |
Kündigung & Rückkehr in GKV | Zugang zu gesetzlicher Versorgung | Höhere Beiträge möglich; eingeschränkte Leistungen; keine Beitragserstattungen |
Stand: Januar 2025
Achtung: Es ist also wichtig, die Risiken und möglichen Nachteile der verschiedenen Wechseloptionen sorgfältig abzuwägen, bevor eine Entscheidung getroffen wird. Eine individuelle Beratung durch einen Versicherungsexperten oder einen unabhängigen Versicherungsberater kann dabei helfen, die beste Lösung für die persönliche Situation zu finden!
So urteilten Gerichte über Beitragserhöhungen
In den letzten Jahren haben verschiedene Gerichte in Deutschland einige Beitragserhöhungen privater Krankenversicherungen für unwirksam erklärt. Zu diesen Versicherungen gehören Axa, DKV und Barmenia.
Die Gründe für die Unwirksamkeit waren unter anderem unzureichende Begründungen für die Erhöhungen, fehlende Unabhängigkeit des Treuhänders und unzulässige Anpassungen aufgrund von Alterssprüngen. Trotzdem gibt es weiterhin Rechtsstreitigkeiten, insbesondere in Bezug auf die Unabhängigkeit des Treuhänders, der die Erhöhungen prüfen und bestätigen muss.
Die andere Seite: Kritik am BGH Urteil
Kritik am Urteil des Bundesgerichtshofes gab es allerdings auch – und zwar vom Bund der Versicherten (BdV). Der damalige BdV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein betonte, das Urteil würde bestenfalls zu einem Nullsummenspiel für die meisten Versicherten führen, da zukünftige Beiträge stärker steigen könnten. Er plädierte für eine grundlegende Reform der PKV-Kalkulation, um hohe Beitragssprünge zu verhindern, indem etwa die medizinische Inflation von Anfang an berücksichtigt werden könnte. Dies führe zu höheren Beiträgen zu Vertragsbeginn und könnte Preis-Leistungsvergleiche mit der gesetzlichen Krankenversicherung transparenter machen. In jüngster Zeit hat es eine solche Reform jedoch nicht gegeben.
Der Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. schlägt in dieselbe Kerbe und verteidigt aktuelle Beitragserhöhungen. Da die Kostensteigerungen eben nicht in jedem Jahr die Schwellenwerte überschreiten würden, käme es zu einer aufholenden Anpassung der Beiträge, sobald der Schwellenwert dann letztlich überschritten wird. Die gesetzlichen Vorgaben verhinderten also eine stetige Beitragsentwicklung ohne größere Sprünge. Ein großer Teil der Beitragserhöhungen fließe außerdem in die Vorsorge für höhere Gesundheitskosten im Alter, die jedoch durch die europäische Niedrigzinspolitik belastet sei. Die fehlenden Zinserträge müssen durch höhere Beitragszahlungen ausgeglichen werden, um die wachsenden Ausgaben zur medizinischen Versorgung im Alter abzusichern.
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Häufig gestellte Fragen zu Beitragserhöhungen der PKV
Eine Beitragserhöhung ist unwirksam, wenn sie nicht nachvollziehbar begründet ist, die Prämienberechnung fehlerhaft ist oder die gesetzlichen Grenzwerte nicht eingehalten wurden.
Versicherte können eine Erstattung innerhalb einer Verjährungsfrist von maximal 3 Jahren beantragen.
Zunächst sollten Versicherte die Erhöhung eingehend überprüfen. Danach kann erwogen werden, den Tarif zu wechseln, den Selbstbehalt zu erhöhen, die Versicherungsleistungen zu reduzieren, den Versicherer zu wechseln oder gar in die gesetzliche Krankenversicherung zurückzukehren. Es ist jedoch wichtig, die Risiken und möglichen Nachteile jeder Option sorgfältig abzuwägen und gegebenenfalls eine individuelle Beratung in Anspruch zu nehmen.