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Wiedervereinigung gescheitertAnkara zementiert die Teilung Zyperns

Der Uno-Generalsekretär hat es nicht richten können: Die Verhandlungen über eine Wiedervereinigung Zyperns sind ohne Ergebnis zu Ende gegangen. Die Verantwortung dafür liegt vor allem bei der Türkei. Eine Analyse.Gerd Höhler 07.07.2017 - 13:11 Uhr Artikel anhören

Drei Frauen, die die Wiedervereinigung Zyperns fordern, standen am Rande der Zypern-Konferenz in Crans-Montana (Schweiz) mit ihren Plakaten. Ihre Appelle fanden keine Berücksichtigung.

Foto: dpa

Athen. Die Gespräche über eine Wiedervereinigung der geteilten Insel Zypern sind gescheitert. Uno-Generalsekretär Antonio Guterres verkündete am Freitagmorgen im schweizerischen Crans-Montana den Abbruch der Verhandlungen. Der Fehlschlag kommt nicht unerwartet.

Dafür, dass er von der anderen Seite des Atlantiks in den Schweizer Kurort Crans-Montana gejettet war, hielt Uno-Generalsekretär Antonio Guterres seinen Auftritt vor den Medien sehr kurz. Ganze dreieinhalb Minuten dauerte die improvisierte Pressekonferenz am frühen Freitagmorgen. Es tue ihm „sehr leid, dass trotz großer Entschlossenheit aller Seiten die Zypern-Konferenz ohne Ergebnis beendet wird“, sagte Guterres. Damit ist der bisher aussichtsreichste Anlauf zur Lösung des Zypernproblems gescheitert.

Zypern ist geteilt, seit die Türkei im Sommer 1974 den Inselnorden besetzte, um die geplante Annektierung der Insel durch die damals in Athen regierende Obristenjunta und die befürchtete Vertreibung der türkischen Volksgruppe, die etwa ein Fünftel der Inselbevölkerung ausmacht, zu verhindern. Der griechische Inselsüden, die international anerkannte Republik Zypern, ist seit 2004 EU-Mitglied. Im Inselnorden wurde 1981 die „Türkische Republik Nordzypern“ ausgerufen, die aber nur mit Ankara diplomatische Beziehungen unterhält.

Geteiltes Zypern
Kolonialzeit
Ethnie
Unruhen 1964
Besetzung durch die Türkei
Aufnahme in die EU
Chance zur Vereinigung?

In mehr als zweijährigen Gesprächen hatten der griechisch-zyprische Inselpräsident Nikos Anastasiades und der türkische Volksgruppenführer Mustafa Akinci weitgehende Annäherungen in vielen Streitfragen erreicht. Angestrebt wurde eine Föderation aus zwei Bundesländern mit weitgehender Autonomie für die beiden Volksgruppen. Wichtige Streitfragen waren allerdings noch ungelöst. Das Gipfeltreffen in Crans-Montana sollte den Durchbruch bringen. An der vor zehn Tagen einberufenen Konferenz unter der Schirmherrschaft der Uno nahmen neben Anastasiades und Akinci auch die Außenminister Griechenlands und der Türkei sowie Großbritannien als frühere Kolonialmacht teil. Diese drei Staaten waren seit der Unabhängigkeit 1960 Zyperns Garantiemächte.

Uno-Generalsekretär Guterres hatte bereits am vergangenen Wochenende an den Gesprächen teilgenommen, war dann zunächst abgereist, am Donnerstag aber überraschend nach Crans-Montana zurückgekehrt, als sich ein Scheitern der Verhandlungen abzuzeichnen begann. Doch auch Guterres konnte die Konferenz nicht mehr retten. Nachdem es in der Nacht zum Freitag am Verhandlungstisch zu offenem Streit und sogar „lautem Gebrüll“ gekommen sei, wie Teilnehmer berichteten, brach Guterres die Konferenz um zwei Uhr früh ab. Es gebe „bedeutende Meinungsunterschiede in bestimmten Fragen“, sagte der Uno-Chef anschließend vor der Presse.

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Alle wussten, was er meinte: Das Thema „Sicherheit und Garantien“ hat sich einmal mehr als der gordische Knoten erwiesen, an dem die Einigung scheiterte. Die Regierung in Ankara besteht darauf, dass die Türkei auch in Zukunft Garantiemacht eines wiedervereinigten Zypern sein und dort mit Truppen präsent sein müsse. Die Inselgriechen argumentieren, ein EU-Staat wie Zypern brauche keine Schutzmacht – und in dieser Rolle schon gar nicht die Türkei, die der Europäischen Union überhaupt nicht angehört.

Der türkische Volksgruppenchef Akinci hatte noch zur Wochenmitte appelliert, die „historische Chance“ für eine Wiedervereinigung zu nutzen. Aber nicht Akinci, sondern der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu gab in Crans-Montana den Ton an. Und der hatte klare Weisungen von Staatschef Recep Tayyip Erdogan. Dass Erdogan keinerlei Anreiz hat, in der Zypernfrage Zugeständnisse zu machen, war schon vor Beginn der Konferenz abzusehen. Das Thema Zypern ist eng mit den Beziehungen der Türkei zur EU verknüpft. 2006 wurden die erst ein Jahr zuvor aufgenommenen Beitrittsverhandlungen weitgehend eingefroren, weil sich die Türkei weigerte, die der EU angehörende Republik Zypern völkerrechtlich anzuerkennen und ihre See- sowie Flughäfen für Schiffe und Flugzeuge aus Zypern zu öffnen. Die Erwartung der EU und der griechischen Zyprer, Ankara werde sich zu Konzessionen in der Zypernfrage bewegen lassen, um die Beitrittsverhandlungen voranzubringen, hat sich nicht erfüllt.

Jetzt, wo die Beziehungen zur EU ohnehin auf dem Nullpunkt sind und das Europäische Parlament gerade erst den Abbruch der Beitrittsverhandlungen gefordert hat, sieht Erdogan erst recht keinen Anlass, in der Zypernfrage nachzugeben.

Bereits Mitte der Woche hatte der türkische Außenminister unterstrichen, Ankara bestehe auf einer militärischen Präsenz in Zypern und auf dem Recht, mit den dort stationierten Truppen notfalls einzugreifen. Damit hätte die Türkei das Recht bekommen, in einem EU-Staat militärisch zu intervenieren – nicht nur aus griechischer Sicht eine absurde Vorstellung. Der griechische Außenminister Nikos Kotzias schrieb auf Twitter, ein türkisches Recht auf militärische Interventionen in ganz Zypern sei nicht akzeptabel.

Für die beiden Gemeinschaften auf Zypern, aber auch für die EU und die USA, die im Hintergrund intensiv auf eine Einigung hinarbeiteten, ist das Scheitern der Verhandlungen ein herber Rückschlag. Eigentlich hatten alle Beteiligten brennendes Interesse an einer Lösung, allen voran die Zyprer selbst: Die Wirtschaft der Insel bekäme durch eine Vereinigung starke Wachstumsimpulse. Davon hätte vor allem der bisher wirtschaftlich zurückgebliebene und politische isolierte Inselnorden profitiert. Die Türkei könnte hoffen, ein großes Hindernis in ihren Beziehungen zur EU auszuräumen, wenn der Zypernkonflikt beigelegt wird. Das wäre auch ein wichtiger Schritt zur Entspannung im Verhältnis zu Griechenland, woran die Nato Interesse hat.

Vor dem Hintergrund der Krisen im Nahen Osten könnte ein vereintes Zypern in der Sicherheitsarchitektur des Westens eine wachsende Bedeutung bekommen. Die Insel gilt als „Flugzeugträger“ im östlichen Mittelmeer. Die Briten unterhalten schon seit Kolonialzeiten zwei exterritoriale Militärbasen auf Zypern, die in Krisenfällen auch von den USA genutzt werden. Die USA und die EU waren aber noch aus einem anderen Grund hinter den Kulissen stark in den Verhandlungen engagiert: Im östlichen Mittelmeer gibt es große Erdgasvorkommen, die teils in der Wirtschaftszone Israels, teils in der Zyperns liegen. Die bereits diskutierten Pläne zum Bau einer Gaspipeline aus den Fördergebieten nach Europa kämen durch eine Zypern-Einigung einen großen Schritt voran. Damit würde die EU unabhängiger von Erdgasimporten aus Russland.

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Am frühen Freitagmorgen gaben sich alle Konferenzteilnehmer Mühe, den Fehlschlag herunterzuspielen. Ungeachtet des Endes der Konferenz könne man „andere Initiativen“ zur Lösung der Zypernfrage entwickeln, sagte Uno-Chef Guterres. Insel-Präsident Anastasiades werde seine Bemühungen um eine Wiedervereinigung fortsetzen, erklärte dessen Sprecher Nikos Christodoulides. „Der Traum einer Zypernlösung lebt weiter“, twitterte Griechenlands Außenminister Nikos Kotzias. Auch sein türkischer Kollege Cavusoglu will sich „weiter um eine Lösung bemühen“.

Aber bei nüchterner Betrachtung ist mit dem Scheitern dieser Konferenz die Zypernteilung auf weitere Jahrzehnte zementiert. Die Verantwortung dafür liegt vor allem bei der Türkei. Ihre nicht akzeptable Forderung nach einem militärischen Interventionsrecht im EU-Staat Zypern führte zum Schiffbruch. Erdogan hat damit sein Land im Westen weiter isoliert.

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