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  4. Die deutsche Künstlerin Anne Imhof schickt die Besucher ihrer Pariser Schau in ein finsteres Labyrinth aus rohem Beton

Anne Imhof in ParisDüstere Großausstellung im rohen Beton

Mit unheimlicher Atmosphäre hat Anne Imhof ihre Werkschau im „Palais de Tokyo“ aufgeladen. Nicht verborgen bleiben ihre Verbindungen zu François Pinault.Olga Grimm-Weissert 22.07.2021 - 12:09 Uhr Artikel anhören

Acrylglaswände und Gemälde „Untitled. (Natures Mortes)“ führen die Besucher durch ein Labyrinth.

Foto: Galerien Buchholz und SprüthMagers ; Foto: Andrea Rossetti

Paris. Anne Imhof bekam in Paris eine „Carte blanche“. Das „Palais de Tokyo“ hat die deutsche Künstlerin eingeladen und ihr völlig freie Hand für die Gestaltung ihrer Megaschau gelassen. Der Tempel für zeitgenössische Kunst akzeptierte sogar, dass Imhof an die Bausubstanz ging, um die 10.000 Quadratmeter Ausstellungsräume umzugestalten. Seit ihrem Triumph bei der Kunst-Biennale in Venedig 2017 mit der Performance „Faust“ ist sie weltbekannt und beweist Radikalität.

In Paris riss sie dem Bau der 1930er-Jahre quasi die Haut ab, öffnete den Blick in die Dachstruktur und schuf neue Perspektiven. Hemmungslos schickt die empfindsame Powerfrau ihre Besucher in ein echtes, immer finsterer werdendes Labyrinth aus rohem Beton.

In ihrer Jugend frequentierte die heute 43-jährige Imhof den kreativen Underground. Harte Musik und Performance, Tanz und Malerei beschäftigten sie da. Ihre an überdimensionierte Sportgeräte erinnernden Metallskulpturen beschwören diese raue Vergangenheit.

Drei an eine Fabrikausstattung erinnernde Glas-Podeste, die man bereits im Deutschen Pavillon in Venedig sah, sind in Paris an die Wände geschraubt und überdies sogar käuflich. Tatsächlich aus einer Fabrik stammen die enormen Glasplatten, die Imhof zu transparenten Wänden umfunktioniert, um die Riesenräume visuell zu strukturieren. Die Installationskünstlerin baut so elegante Kurven und transparente Raumtrennungen.

Ihre Gemäldeserie „Sunset“, von hellgelb bis braun schattierte Bildflächen, platzierten die Kuratorinnen Emma Lavigne und Vittoria Matarrese im ganzen Palais.

Die Künstlerin lud viele Künstlerinnen und Künstler nach Paris ein.

Foto: BrauerPhotos / S.Brauer

Zu der durch den Lockdown beträchtlich verlängerten Vorbereitungszeit meint die in Berlin lebende Künstlerin: „Im Moment der Pandemie war ich ganz auf mich alleine gestellt. Das war sehr schwierig. Ich nahm die Herausforderung an, indem ich die Papierarbeiten machte und mich auf eine tiefe Auseinandersetzung einließ: What matters? Was ist bedeutsam? Was ist schwerwiegend?“

Imhof begann mit dem Titel ihrer Monsterschau: „Natures mortes“, im unüblichen Plural. „Das Übersetzungsproblem stellt sich weniger, denn ‚Stillleben‘ auf Deutsch ist der Genrebegriff für Malerei. Es geht mir auch um lebendig / nicht-lebendig, was die beiden Sprachen ausdrücken. Die Werke, die hier zu sehen sind, haben eine zirkuläre Zeitlichkeit“.

Der Sound beeinflusst die Stimmung

Die Stimmung der Monsterschau beeinflusst eine Sound-Installation: Über Imhofs Glaswand-Installationen gleiten Lautsprecher auf kurvigen Schienen. Diese „Sound Rails“ verbreiten die Musik, die Anne Imhof und ihre Partnerin Eliza Douglas am Computer mixten.

Sie führen zu einem Highlight der Schau, neun auf Metallgestelle montierte Gemälde von Sigmar Polke „Axial Age“, aus der Pinault Collection. Sie waren bereits 2016 im venezianischen „Palazzo Grassi“ zu sehen.

Anne Imhofs Verbindungen zu François Pinault sind eng. Nicht nur, dass der Megasammler eine Werkgruppe von der Deutschen ankaufte, als sie den Goldenen Löwen der Biennale von Venedig erhielt. Zur Verleihung trug sie ein schwarzes Basecap mit der Wortmarke „Balenciaga“. Die Modemarke gehört zur Luxusgruppe Kering, der Familienholding von Pinault.

Imhofs Partnerin, die androgyne Eliza Douglas, wird gerne als „Muse“ des Balenciaga-Kreativdirektors Demna Gvasalia bezeichnet. Das greift die Performerin und Malerin ironisch auf und malt schon einmal Sneakers der Luxusmarke auf ihre von Comics und Science Fiction-Figuren geprägten Leinwände.

Weitere Höhepunkte der Ausstellung sind zwei neue Videofilme, in denen die halb nackte Eliza Douglas wie eine Zirkusdompteuse am Meeresstrand eine Peitsche kreisen lässt und regelmäßig gegen die Wellen knallt. Oder konzentriert nur wenige Schrittfolgen in einer Begräbnisatmosphäre mit Blumen unendlich wiederholt.

In „Untitled. Wave“ und in „Deathwish“ bringt Douglas die Rigorosität des New Yorker Minimal-Tanzes seit den 1960er-Jahren in das Gesamtwerk ein. Die Filme behandeln die Geschlechterüberschreitende Realität; dafür bietet sich der tendenziell maskuline Körper der Eliza Douglas an. Sie evozieren von Sadismus geprägte Machtverhältnisse, eingeschlossen die gegen die Betrachtenden. Ein wesentlicher Faktor in Imhofs Werk, der ihr Publikum masochistisch fasziniert.

Ausstellung in der Stoschek Collection in Berlin

Medienkunst zwischen Gewalt und Befreiung

Je weiter man dem Parcours in die dunklen Untergeschosse des Gebäudes folgt, umso unheimlicher wird die Atmosphäre. Installationen evozieren Grabsteine, ein Bronze-Helm – halb Totenkopf, halb Brancusi-Skulptur – dazu Gemälde von Eliza Douglas.

Nochmal wird die Nähe zu François Pinault deutlich: Hier sieht die Betrachterin eine Videoarbeit von David Hammonds, die Pinault gerade in der Pariser Handelsbörse zeigt. Da kickt der Afro-Amerikaner Hammonds eine dröhnende Büchse in Endlosschleife vor sich her.

Neben den eigenen Werken zeigt Anne Imhof Künstler, die sie beeinflussten. Die Liste ist lang und kunsthistorisch weit gesteckt: von Théodore Gericault über Elaine Sturtevant bis Mohamed Bourouissa und Wolfgang Tillmans. Es macht jedoch wenig Sinn, nur je ein Werk von Eva Hesse, Joan Mitchell oder Rosemarie Trockel aufzuhängen.

Man könnte die Auswahl als eine Hommage an François Pinault interpretieren, der sich lange über seinen Status als Trendsetzer lustig machte, inzwischen jedoch eindeutig Ausstellungsmacher beeinflusst. Inzwischen stellt sich die Frage, ob es noch möglich ist, eine Schau ohne seine Leihgaben zu realisieren.

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Je mehr Ausstellungen eine Künstlerin hat, desto höher steigen ihre Preise. Die Pariser Galerie Air de Paris erklärt, dass Gemälde von Eliza Douglas bereits 20.000 Euro kosten. Anne Imhofs Preise setzt die Galerie Buchholz zwischen 4.000 bis 60.000 Euro an. An den Kosten der Realisierung der Schau beteiligten sich die Berliner Galerien Buchholz und SprüthMagers, die die Künstlerin gemeinsam vertreten.

Die Ausstellung „Anne Imhof – Natures mortes“ läuft bis 24. Oktober in Paris im „Palais de Tokyo“.

Mehr: 57. Kunst-Biennale in Venedig: Laufsteg des Lebens

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