Auktionsnachbericht: Unorthodox und gegen den Mainstream

Köln. Henrik Hanstein, Geschäftsführer des Auktionshauses Lempertz, klingt erschöpft, als er nach einer vollen Auktionswoche Bilanz zieht. „Der ganze Markt hat schon mal bessere Jahre gehabt.“ Aber die Auktionen stünden besser da. Hanstein denkt an die vielen Galerien, denen das Wasser bis zum Hals steht, nicht an das eigene Haus. Hinter ihm liegen die Fotoauktion, die Abendauktion – ein Mix mit Altmeistern, drei Juwelen und einem römischen Relieffragment – sowie die Tagauktionen für moderne und zeitgenössische Kunst.
Die unorthodoxe Auswahl von 50 Losen hatte sich der Auktionator zum 50-jährigen Dienstjubiläum genehmigt – 19 Alte und Neue Meister inklusive, die ihrer angestammten Offerte vom 22. November wohl gut bekommen hätten. Doch nun halfen sie dabei, sich den Erwartungen an die Abendauktion zu nähern, die sich auf fast 6,6 Millionen Euro beliefen. Mit Aufgeld kamen vor einem gut gefüllten Saal auch 6,6 Millionen Euro Umsatz zusammen, die Nachverkäufe eingerechnet. Mit den Day-Sales summiert sich das Ergebnis auf 11,49 Millionen Euro für circa 395 Lose ohne die Fotoauktion.

Aus dem traditionell gut bestückten Angebot an Skulpturen der Moderne ging am Folgetag zwar wiederholt etwas zurück. Zahlreiche besondere Stücke von Fritz Klimsch und René Sintenis überrundeten aber locker ihre Schätzwerte oder erzielten ein Vielfaches, wie das Ziegenpaar von Emy Roeder. Ewald Matarés „Tänzelndes Pferd“ ging zum Auktionsweltrekord von 94.500 Euro an einen südwestdeutschen Privatbieter. Den Vogel hatte tags zuvor Matarés 80 Kilogramm schwere, stehende Kuh abgeschossen. Aus Chile eingeflogen, warteten auf sie schon zahlreiche Vorgebote bis 160.000 Euro. Der Hammer fiel bei 280.000 Euro, fast zum Doppelten der oberen Taxe, zugunsten eines ostdeutschen Bieters, der mit Aufgeld 352.800 Euro bezahlen muss. Denselben Preis realisierte eine reizvolle, erotisch verklausulierte, späte Picasso-Zeichnung, die mit 200.000 Euro ins Rennen gegangen war. Teuerstes Los wurde jedoch ein bescheiden mit 120.000 Euro aufgerufener Altmeister. Erst nach langem Hin und Her bekam ein New Yorker Bieter den Zuschlag für Josef von Bredaels „Turmbau zu Babel“, der letztlich 403.200 Euro einspielte.
Schwerer tat sich das Publikum mit den drei Juwelen, auch mit dem Saphirring, der 800.000 bis 1 Million Euro einfahren sollte. Nur ein Diamantring erfüllte mit 289.800 Euro seine Erwartungen. Eine Enttäuschung auch der Rückgang der beiden zeitgenössischen Top-Stücke. Zu sperrig und intellektuell erschienen wohl die beiden Installationen von Franz West und Joseph Kosuth.

Mit großen zeitgenössischen Installationen hatte Van Ham am Abend des 3. Dezember mehr Glück. Frank Stellas spektakuläre, raumsprengende Installation eines sterbenden Wals erzielte 380.000 Euro. Über seinen oberen Schätzwert gelangte Ulrich Rückriems zehn Tonnen wiegende, vierteilige Granitskulptur „Vier Jahreszeiten“ mit 85.800 Euro. Zu preiswert wurde hingegen Ernst Barlachs erster Lebzeitguss „Der singende Mann“ versteigert. Getaxt auf 200.000 bis 300.000 Euro fiel der Hammer schon bei 170.000 Euro. Mit Aufgeld sind 224.400 Euro fällig. Wenig Konkurrenz gab es um das mit fremder Hand bezeichnete Südsee-Bild „Jüngling“ von Hermann Max Pechstein aus einer 29 Lose starken südamerikanisch-deutschen Moderne-Sammlung. So kam ein bayerischer Bieter online schon für 303.600 Euro zum Zuge. Zwei weitere sechsstellig taxierte Gemälde von Jawlensky und Pechstein gingen wie viele Zeichnungen zurück.
Ein langes Gefecht von 50.000 auf brutto 330.000 Euro lieferten sich britische Telefonbieter um Bridget Rileys historisch wichtiges, schwarz-weißes Linienbild. Im Saal fiel ein junger Kölner Bieter auf, der mit sichtlicher Freude in farbkräftige Hingucker investierte. Ein antikisches „Capriccio“ von SALVO (Salvatore Mangione) und Andy Warhols „Beautiful Lady“ bekam er, letztere für 370.000 Euro. Er wolle sein Geld – inspiriert von seinen verstorbenen Eltern – für Kunst, nicht für Autos ausgeben, erzählte er später.

Unter dem Strich zahlten sich die umfangreichen Einlieferungen aus Privatsammlungen der Region aus. Erfolgreich schnitten insbesondere die gegen den Mainstream gesammelten Positionen einer „Rhenish Collection“ ab. Auch einer der Erben der renommierten, seit den frühen Sechzigerjahren aufgebauten „Kölner Sammlung“ dürfte zufrieden sein. Das von ihm eingelieferte, wie in Lehm geritzte skripturale Gemälde „Hieroglyphics No. LXXIV“ von Antoni Tàpies wurde mit 660.000 Euro Top-Los. Von den ersten 16 Losen aus dem 450 Lose großen, disparaten Bestand der pleitegegangenen Galerie Thomas gingen nur zwei zurück. Das Highlight war hier mit rund 170.000 Euro Wojciech Fangors magisches „E 31“.
Insgesamt kamen mit Aufgeld und inklusive Nachverkauf 7,6 Millionen Euro am Abend zusammen. Mit den Tagauktionen wurden es einschließlich der gut verkauften Auswahl aus der Fotosammlung Jagdfeld 15,9 Millionen für 554 Lose, das laut Geschäftsführer Markus Eisenbeis zweitbeste Ergebnis in der Geschichte des Hauses.
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