Auktionsnachbericht: Gemischtes Gesamtbild

Berlin. Bedingt durch überwiegend flaue Auktionen mit 19. Jahrhundert und Klassischer Moderne sowie Zeitgenössischer Kunst gingen 31 Prozent des gesamten Angebots bei Grisebach zurück. Daniel von Schacky, Geschäftsführer und Partner des Auktionshauses, zieht dennoch ein positives Fazit. Angesichts des politischen Umfelds spüre man derzeit Zurückhaltung bei klassischen Käuferkreisen wie Selbstständigen, Unternehmern und Angehörigen des Mittelstands. Außerdem bringe der Generationswechsel bei den Sammlern auch Veränderungen bei Interessen und Geschmack mit sich, was zum Beispiel im Bereich der Klassischen Moderne Auswirkungen habe.
Ein Clou des Angebots war die Sammlung des Unternehmers Walter Bauer (1901–1968), die nach Jahrzehnten im Verborgenen von den Enkeln auf den Markt gebracht wurde. Bauer hatte in den 1920er-Jahren begonnen, Kunst zu sammeln, wesentlich unterstützt durch den Museumsdirektor Carl Georg Heise. Sein Interesse galt der Moderne. Während der NS-Zeit erwarb er mit Heises Hilfe Werke der damals Verfemten. Aufgrund von Kontakten zu den Umstürzlern des 20. Juli 1944 wurde Bauer verhaftet, vor dem Volksgerichtshof angeklagt, aber in den Kriegswirren nicht mehr verurteilt. In den 1950er-Jahren erweiterte sich sein Interesse auf Papierarbeiten des 19. Jahrhunderts, die nun in äußerst frischer Qualität aus den Grafikschränken auftauchten. „Fast so etwas wie ein Dachbodenfund“, wie von Schacky sagt.

Nicht zuletzt dank der Sammlung Bauer konnte Grisebach einen Gesamtumsatz von 20,8 Millionen Euro erzielen, von denen allein 5,7 Millionen auf die 115 Lose der Kollektion fielen, der Grisebach einen eigenen Nachmittagstermin widmete. Spitzenlos war hier das kleine „Selbstbildnis nach halblinks“ aus dem Jahr 1906 von Paula Modersohn-Becker, eine reduzierte, intensive Öltemperaarbeit auf Papier auf Pappe, die Bauer 1942 in der Galerie Ferdinand Möller erworben hatte. Möller zählte zu den vier deutschen Kunsthändlern, die als „entartet“ verschriene Kunst eigentlich nur im Ausland verkaufen durften. Jetzt ging das Werk für den Rekordpreis von 1,3 Millionen Euro an eine europäische Privatsammlung.
Zahlreiche Werke erzielten hohe Preissprünge, wie das Selbstbildnis in Tusche von 1891 der damals 24-jährigen Käthe Kollwitz, das mit einer unteren Taxe von 30.000 Euro an den Start ging und am Ende 215.900 Euro einspielte. Ein internationaler Sammler gewährte 355.600 Euro für die schaurig-düstere Pinselzeichnung „Gruft der Liebfrauenkirche in Halberstadt“ von Adolph Menzel aus dem Jahr 1853, die mit 40.000 bis 60.000 Euro angesetzt war. Und auch das sehr frische historische Aquarell „Ulrich I. bringt das Haupt des Sultans ins Lager“ von 1813/14 des früh verstorbenen romantischen Malers Carl Philipp Fohr, für das bescheidene 6000 bis 8000 Euro erwartet worden waren, ging für stattliche 45.720 Euro in den britischen Handel.

Höhepunkt der Abendauktion mit ausgewählten Werken war ein bemerkenswertes Bietergefecht um die anmutige Bronzeplastik einer nackten „Stehenden Frau“ aus der Zeit 1915/16 von Georg Kolbe. Gegen einen schriftlichen Auftrag steigerten drei Bieter den auf 250.000 Euro geschätzten letzten von drei Lebenszeitgüssen, der sich noch in Privatbesitz befand, auf den Kolbe-Rekord von 1,4 Millionen Euro. Nun besitzt ein deutscher Privatsammler neben Museen in Mannheim und Wien eines der seltenen Exemplare.
Rasantes Tempo hatte auch die Versteigerung des vielfach ausgestellten und publizierten Aquarells „Hausvogteiplatz“ aus dem Jahr 1926 von Rudolf Schlichter, ein pessimistisches Gesellschaftsporträt, das aus den Beständen der in Köln ansässigen Sammlung Christian und Volker Huber eingeliefert wurde. Einem US-amerikanischen Privatsammler war dieses starke Werk zwischen Neuer Sachlichkeit und greller Zeitkritik schließlich 495.300 Euro wert – ein Rekord für Schlichter-Arbeiten auf Papier. Weitere Blätter Schlichters, der in der Wahrnehmung im Schatten von Dix und Grosz steht, erzielten bei der Auktion zur Klassischen Moderne bemerkenswerte Preise.

Ein Schweizer Privatsammler bewilligte für Lyonel Feiningers leuchtendes Ölbild „Düne im Lichtstrahl“ von 1933, das aus einer New Yorker Privatsammlung eingereicht wurde, 736.600 Euro – weit über der oberen Taxe von 400.000 Euro. Günther Ueckers wogendes Nagelbild „Weißer Wind“ von 1986 ging für mehr als eine Million Euro in die Schweiz. Neo Rauchs großes Querformat „Stationen“ aus dem Jahr 1995 bestätigte mit einem Ergebnis von 190.500 Euro, dass die Sammler auch Frühwerke des Leipziger Malers schätzen, auf denen der typische surreale Rauch-Touch noch nicht so ausgeprägt ist.
Schon im Voraus auf großes Interesse gestoßen war die für die Berliner Stadtgeschichte bedeutsame Vedute „Die Lange Brücke von den Mühlen aus gesehen“ aus dem Jahr 1856 von Eduard Gaertner. Zwei Telefonbieter aus Süddeutschland trieben das Bild, das seit seinem Entstehungsjahr nie öffentlich ausgestellt war, schließlich auf einen Endpreis von 469.900 Euro. Eine Rarität, die offenbar auch außerhalb der Hauptstadt begeisterte.


Mit diesen Auktionen konnte Grisebach seinen Gesamtumsatz für 2025 auf bis dato 47 Millionen Euro steigern.
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