Auktionsnachbericht: Dem Kunsthandel fehlt die Kauflust

Berlin. Das Berliner Auktionshaus Grisebach hatte schon bessere Tage. In den Frühjahrsauktionen am 30. und 31. Mai hielten sich Käufer stark zurück. Das ist ein Zeichen ökonomischer Zurückhaltung, aber wohl mehr noch eine Folge der Materialschwäche, die sich diesmal deutlicher als sonst auf das Angebot in allen Sparten auswirkte.
Zwar gab es mit der für insgesamt 670.000 Euro versteigerten Zeichnungen-Sammlung des emeritierten Händlers Rudolf Zwirner einen Lichtblick unter den Einlieferungen. Aber die Auktion „Ausgewählte Werke“ konnte mit ihren 34 gemischten Losen, von denen 16 zurückgingen, keinen vom Stuhl reißen. In der Versteigerung zeitgenössischer Kunst lag der höchste Zuschlag bei 139.700 Euro für eine frühe Aktstudie von Gerhard Richter.
Der Gesamtumsatz beläuft sich nach Angabe des Hauses auf 11 Millionen Euro, ein starker Abfall gegenüber den im Frühjahr 2023 erzielten 18 Millionen Euro. Die Abendauktion erlöste magere 3,8 Millionen Euro. Im letzten Jahr war es doppelt so viel. Grisebach-Gesellschafter Daniel von Schacky registrierte „eine unübersehbare Zurückhaltung im Bereich der Moderne und extreme Zurückhaltung des Handels“.
Ermüdende Bietgefechte in kleinen Preisschritten und Zuschläge am unteren Schätzrand betrafen so manche Passage, aber neben markanter Enthaltsamkeit gab es auch einzelne Lichtblicke. Das von fünf ausgebotenen Caspar-David-Friedrich-Losen nur eine Baum-Radierung des subtilen Zeichners für 19.500 Euro abgesetzt wurde, mag eine Folge von Verunsicherung nach dem Ausfuhrverbot für das hier im Herbst versteigerte Skizzenbuch sein.
Aber auch das einsame Gebot von 200.000 Euro – mit Aufgeld sind das 254.000 Euro – eines französischen Sammlers für das Paradestück der Zwirner-Sammlung, Pierre-Paul Prud’hons Zeichnung „L’Enlévement du Psyché“, ist ein Indiz der Zurückhaltung. Denn dieses im besten Sinne museale Blatt ist eine Vorzeichnung zu dem noch sinnlicheren Gemälde im Louvre.

Mehr Bieter engagierten sich bei Zwirners ungeheuer modern wirkenden Tintenzeichnung „Carnet Guernsey“ des französischen Dichters Victor Hugo. Sie war 1856 während seiner Verbannung auf der britischen Kanalinsel Guernsey entstanden. Das Blatt wurde für 177.800 Euro einem Berliner Sammler zugeschlagen, der sich als Letzter in das Bietgefecht eingeschaltet hatte.
Heiß begehrt war eine in Aquarell übermalte Autotypie des Surrealisten Max Ernst, die dank süddeutschem Privatgebot von 25.000 Euro auf 76.200 Euro stieg. Das folgende Blatt aus dieser 1921 entstandenen Serie wurde für 44.450 Euro von einem Schweizer Bieter übernommen.
Bei der Kunst des 19. Jahrhunderts aus gemischtem Besitz gab es einige brillante Zuschläge für herausragende Arbeiten, die das Friedrich-Fiasko fast vergessen ließen. So kam das auf maximal 30.000 Euro geschätzte Pastell einer Sitzfigur zu Schillers Drama „Wallensteins Lager“ von Adolph Menzel auf stattliche 330.200 Euro. Das nur 16,8 mal 13,2 Zentimeter große Blatt war durch die Vorbesitzer Max Liebermann und Robert von Hirsch geadelt.
Aus dem Nachlass und von der Hand des sächsischen Malers Georg Friedrich Kersting stammte das aquarellierte Freundschaftsporträt „Caspar David Friedrich auf dem Felsen“, welches schätzpreisgemäß für 190.500 Euro einem süddeutschen Sammler zugeschlagen wurde.
In der Abendauktion ausgewählter Werke wurden von 34 ausgebotenen Werken nur 18 abgesetzt. Es war eine ermüdende Sitzung, in der es gleichwohl einige Lichtblicke gab. Zwar blieb Ernst Ludwig Kirchners Mitte der Zwanzigerjahre entstandenes Gemälde „Heuernte“, das seit 1967 als Leihgabe im Museum Biberach hing, mit einem Hammerpreis von 650.000 Euro (mit Aufgeld 825.500 Euro) deutlich unter seiner Preiserwartung.
Aber dafür kam Günther Ueckers Nagelrundbild „Phantom“ von 1962 nach langer Wartezeit auf einen Telefonkunden und in langen, kurzen Bietschritten auf 685.800 Euro. Die bewilligte ein norddeutscher Sammler. Gute Preise sind die je 190.500 Euro, die für ein frühes Interieur mit Blumenstillleben von Gabriele Münter und für ein kleines Mädchenporträt von Paula Modersohn-Becker geboten wurden.
Dass Helmut Middendorfs farbtrunkener „Sänger“ von 1980 von 40.000 auf 114.300 Euro stieg, war die Initialzündung für den problemlosen Absatz von Vertretern der ‚wilden Malerei‛ in der Auktion zeitgenössischer Kunst.
Die geometrische Abstraktion „Violet Times“ des afroamerikanischen Malers Stanley Whitney kam aus Berliner Privatbesitz und wurde für 342.900 Euro nahe der oberen Taxe von einem norddeutschen Käufer erstritten. In letzter Minute schaltete sich ein Sammler in die Gebote für das Gemälde „Figur mit blauem Arm 2“ von Horst Antes ein und blieb mit dem Einsatz von 133.350 Euro Sieger.
Angemessen sind die 228.600 Euro für die 1938 konzipierte und 1952 vollendete lebensgroße Bronze „Schwimmerin II“ von Gerhard Marcks. Sie kam aus der Sammlung des Ullstein- und Propyläen-Verlegers Wolf Jobst Siedler. Diese Provenienz hatten in der Auktion „Moderne Kunst“ auch zwei weitere Marcks-Plastiken zu je 88.900 Euro und eine Reihe von Skulpturen des 20. Jahrhunderts. Aus diesem Konvolut ging nur die Pomona-Bronze von Aristide Maillol zurück; Georg Kolbes Bronze „Kopf der Tänzerin“ stieg von 10.000 auf 95.250 Euro.
Die Tagauktion für Moderne am 31. Mai war von stabilem Zuspruch für dieses zur Kategorie der Mittelware zählende Material geprägt. Eine fast antizyklische Erscheinung: Hier lassen sich noch viele Käufer verführen.13 Lose wurden in der Preiskategorie 50.000 bis knapp 100.000 Euro abgesetzt.


Am Ende der Versteigerung gab es noch den Überraschungspreis von 66.000 Euro für das kurz vor der Wende 1989 entstandene großformatige Gemälde „Fête in Leipzig II“ des ostdeutschen Malers Sighard Gille. Sein 1979 entstandener Vorläufer ist im Besitz der Aachener Ludwig-Stiftung. Käufer dieses Wimmelbildes, das an vielen Telefonen gefragt war, ist ein baden-württembergischer Sammler.
» Lesen Sie auch: Christie’s sagt die Londoner Sommerauktionen ab







