Auktionsnachbericht: Onlinebieten setzt sich immer mehr durch

Berlin. Es war eine todsichere Sache. Als Max Beckmanns 1938 im frühen Amsterdamer Exil entstandenes Gemälde „Quappi mit grünem Sonnenschirm“ mit 2,4 Millionen Euro ausgeboten wurde, prägten ein deutscher, ein schweizerischer und ein amerikanischer Sammler das Bietgefecht.
Zum Hammerpreis von 4,4 Millionen Euro fiel das auf vier bis sechs Millionen Euro geschätzte Spitzenwerk der Abendauktion bei Grisebach am 28. November online an einen Sammler aus Niedersachsen. Das sind mit dem Aufgeld 5,39 Millionen Euro, was für eine starke Aufwertung dieser Bietmethode spricht. Grisebach-Gesellschafterin Micaela Kapitzky betont: „Online ist ein wichtiges Medium für private Bieter geworden. Dafür nehmen Telefongebote kontinuierlich ab.“
Dank des Glanzlichts Beckmann wurden in der Abendauktion 14 Millionen Euro umgesetzt, was den Gesamterlös der November-Versteigerungen auf brutto 18 Millionen Euro hebt. Der Jahresumsatz des Berliner Hauses liegt bei 41 Millionen Euro.
Das Quappi-Gemälde und Beckmanns als Lot 21 katalogisiertes „Stillleben mit Orchideen und Birnen“ aus dem Nachkriegsjahr 1946 kommen aus dem Nachlass eines 2006 in die Schweiz gezogenen Bremer Rechtsanwalts, der ein starkes Faible für diesen weltläufigsten der deutschen Expressionisten hatte.
Aus seiner Sammlung stammt auch das im Herbst 2022 im gleichen Saal versteigerte Selbstbildnis Beckmanns, das mit 22,3 Millionen Euro den bis heute höchsten Preis in einer deutschen Auktion erzielte. Ein Berliner Sammler ersteigerte das Stillleben für 1,8 Millionen Euro. Eine aquarellierte Strandansicht Beckmanns ging allerdings bei 110.000 Euro zurück.
In der knapp zweistündigen Sitzung gab es, wie zurzeit gewohnt, viele Zuschläge an der unteren Schätzgrenze, aber auch stark umworbene Lose. Ein Beispiel liefert Carl Blechens museales Gemälde „Mühlental bei Amalfi“, das, ursprünglich aus der Berliner Sammlung Goldschmidt stammend, in diesem Jahr restituiert wurde. Ein hessischer Sammler ließ sich die auf maximal 150.000 Euro geschätzte Landschaft 431.800 Euro kosten.
Für eines der Remix-Bilder von Georg Baselitz („Schön gelb“, 2009) begeisterte sich ein deutscher Sammler, der schon vor der Auktion ein die höchste Schätzung übersteigendes schriftliches Gebot abgegeben hatte. Der Hammer fiel bei brutto 889.000 Euro.

Über der Höchsttaxe wurde auch Wilhelm Lehmbrucks „Geneigter Frauenkopf” für brutto 457.200 Euro an einen süddeutschen Sammler abgegeben. In zermürbenden 5000-Euro-Schritten vollzogen sich die Gebote für Günther Ueckers Spiralbild von 2005, bis die Zielmarke von brutto 400.000 Euro erreicht war. Die Taxe hatte bei 300.000 Euro gelegen.
Der Pariser Handel war mit 419.100 Euro Adressat einer heiteren Sommerlandschaft mit Sitzfigur von Henri Manguin, der als Verfechter der reinen Farbe den Fauvisten nahesteht. Mit 241.300 Euro engagierte sich ein Berliner Sammler für Max Pechsteins um 1934 entstandenes Ölbild „Sonnenaufgang am Mühlengraben“. Über der Schätzung wurde für 330.200 Euro Alexej von Jawlenskys Frühwerk „Murnau – Rote Dächer“ in norddeutschen Privatbesitz gegeben. Eine 1906 in pastoser Manier entstandene Ölstudie mit Rapallo-Ansicht von Wassily Kandinsky erreichte 177.800 Euro.
Ein Schweizer Sammler näherte sich der oberen Schätzung, als er Paul Klees Aquarell „Später Wintertag am Horn zu Weimar“ (1923) für 292.100 Euro ersteigerte. Auch Katharina Grosses Großleinwand mit sich überlagernden Farbbögen von 2002 blieb mit 152.400 Euro im vorgegebenen Preisrahmen. Dieselbe Summe gab ein Berliner Sammler für Lovis Corinths von Herbstblumen umranktes Jugendstil-Mädchen aus und investierte einen Tag später in der Auktion zeitgenössischer Kunst 101.600 Euro in eine der Mick-Jagger-Serigrafien von Andy Warhol.
Überwiegend fünfstellige Zuschläge für zeitgenössische Kunst
Die neun Zustandsdrucke von Picassos Farblithografie „La femme à la resille“ wurden aus der Auktion genommen, um sie nicht zu trennen. Teuerstes vom Rückgang betroffenes Los ist eine gelbgrundige Abstraktion des in Frankreich berühmt gewordenen Chinesen Zao Wou-Ki. Auch weniger hoch Bewertetes ignorierten die wählerischen Bieter. Arbeiten von Hans Uhlmann, Emil Nolde, Hermann Nitsch, Kurt Schwitters, Paul Klee und Willi Baumeister gingen mangels Gebot in den Nachverkauf.
Nachdem Blechens Landschaftsbild in die Abendauktion genommen wurde, fehlte der Auktion mit Losen des 19. Jahrhunderts der Glanz. Der höchste Zuschlag von 29.210 Euro galt hier einer Gouache von J. H. Hintze mit dem Zimmer der Prinzessin Wilhelm von Preußen.

Auch bei der zeitgenössischen Kunst fehlten die „Knaller“. Ein griechischer Sammler ließ sich hier das farbselige Gemälde „Lunapark“ seines Landsmanns Alexis Akrithakis 139.700 Euro kosten. Die Taxe lag bei 24.000 Euro. Die meisten Zuschläge gab es hier im fünfstelligen Bereich.





