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  4. Wiens Kunsthistorisches Museum sorgt mit seiner Baselitz-Schau für Unterhaltung ohne Tiefsinn

Ausstellung in WienUnterhaltsam: Baselitz’ Rendezvous mit Alten Meistern

Wiens Kunsthistorisches Museum spendiert Baselitz zu seinem 85. Geburtstag eine optisch überwältigende Zusammenschau mit alten Meisterwerken. Auf Tiefsinn kann sie verzichten.Regine Müller 15.04.2023 - 10:04 Uhr Artikel anhören

Blick in Saal 2 der Ausstellung „Baselitz. Nackte Meister“ im Kunsthistorischen Museum Wien.

Foto: KHM-Museumsverband

Wien. Diese Ausstellung fällt mit der Tür ins Haus. Schon der erste Saal geht selbstbewusst zurück an den Ursprung der Welt und überrascht die Sehgewohnheiten: Denn da hängen neben dem filigranen „Adam und Eva“ von Hans Memling aus dem späten 15. Jahrhundert und dem zart getönten „Sündenfall“ von Lucas Cranach d. Ä. aus dem frühen 16. Jahrhundert wuchtige, um ein Mehrfaches größere Akte von Georg Baselitz. Es sind Fingermalereien aus den 1970er-Jahren in hellen, leuchtenden Farben, auf dem Kopf stehend, den Maler selbst und seine Frau Elke abbildend.

Auf den braunroten Wänden des Kunsthistorischen Museums, auf denen sich sonst unaufgeregt die Altmeister reihen, sind Baselitz’ Akte schon im Kontrast mit dem gediegenen Untergrund und mit ihren ungestümen Formaten eine Herausforderung. Erst recht aber im Dialog mit der altmeisterlichen Feinmalerei und deren Einbettung der Nacktheit in christliche oder mythologische Narrative.

Die Wiener Schau „Nackte Meister“ im Kunsthistorischen Museum ist nur eine von sechs Ausstellungen aus Anlass von Baselitz’ 85. Geburtstag und sicher die spektakulärste. Sie ist die größte Ausstellung, die das ehrwürdige Wiener Museum in der Reihe „Modern & Contemporary“ jemals einem Künstler der Moderne oder Zeitgenossen gewidmet hat. 73 Gemälde und zwei seiner Skulpturen aus den Jahren 1972 bis 2022 treten in Dialog mit Ölbildern Alter Meister (bis 25.6.).

Fünf seiner riesigen Säle hat das Museum für diese Schau freigeräumt. Die Auswahl der Werke hat Baselitz selbst getroffen, auch inhaltlich hatte er „Carte Blanche“. Aber schnell wurde klar, dass er ausschließlich Aktbilder zeigen wollte. „Ein Fleischsalat“, so Kurator Andreas Zimmermann nicht ohne Selbstironie beim Pressegespräch.

Die Ausstellung ist im Hinblick auf Baselitz’ Werk chronologisch aufgebaut. Sie beginnt mit den frühen Fingermalereien, gefolgt von Werken an der Grenze zur Abstraktion aus den 1980er-Jahren im Dialog mit Bildern von Tizian und Paolo Fiammingo.

Frühe Fingermalereien in Saal 1 der Ausstellung „Baselitz. Nackte Meister“ im Kunsthistorischen Museum Wien.

Foto: KHM-Museumsverband

Der dritte Saal bringt Werke aus den 1990er-Jahren mit ungleich leichterer, luftiger Malweise, vorzugsweise Liebespaare in Bezug zu Werken der rudolfinischen Manieristen aus dem 16. Jahrhundert, vor allem von Bartholomäus Spranger. In dieser Phase häufen sich auch Baselitz’ Anspielungen auf die Kunstgeschichte, auf Werke von Albrecht Dürer, François Boucher oder Frida Kahlo.

Im vierten und fünften Saal und den benachbarten Kabinetten breitet sich schließlich triumphal Baselitz’ Spätwerk aus den Jahren 2010 bis 2022 aus. Es beharrt auf monumentalen, bis zu vier Meter breiten Formaten.

Diese Werke zeigen aber nun oft auch waagerecht schwebende Figuren – nach wie vor Aktporträts seiner selbst und seiner Frau – schemenhaft reduziert und zerbrechlich. Sie stellen in der Reduktion die eigene Gebrechlichkeit zugleich aus und überhöhen sie abstrahierend. Mit ganz anderen Mitteln als in den 1970er-Jahren entfaltet Baselitz’ Malerei hier erneut eine bannende, noch überzeugendere Vitalität.
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Von Altersmilde kann freilich keine Rede sein: Georg Baselitz ist als Künstler ein Sonderfall und streitet bis heute öffentlich über Kulturpolitik. Als die Münchener Pinakothek der Moderne zu ihrem 20. Geburtstag vor einem guten halben Jahr das Gemälde „Die Vier Elemente“ des Nazi-Malers Adolf Ziegler ausstellte, forderte Baselitz in einem Brief an den Landeskunstminister, dass Zieglers Werk abgehängt wird, und befeuerte damit eine wichtige Diskussion über den Umgang mit Nazi-Kunst.

2015 zog er unter vehementer Kritik am 2016 installierten Kulturgutschutzgesetz demonstrativ seine Leihgaben aus deutschen Museen ab. Denn er befürchtete, nicht mehr frei über sein Eigentum verfügen zu können.

Baselitz scheut sich auch nicht vor Äußerungen misogynen Starrsinns, wenn er behauptet, Malerinnen fehle es an körperlicher Kraft und Leidenschaft. Das Widerborstige, keiner Richtung Zugehörige seiner Kunst machte ihn schon früh zum Außenseiter, als er der in der DDR geborene Künstler zum Studium nach Westberlin wechselte und seine figürlichen Bilder so gar nicht in jene Zeit passen wollten. Abstraktion war die dominierende Bildsprache. Er stellte daraufhin seine Motive auf den Kopf – ein Markenzeichen, dem er treu blieb.

Kulturpolitik

Privatsammlungen im Museum: Prekäre Interessen

Doch das Etikett des Umstrittenen konnte seinem Erfolg nichts anhaben. Der aktuelle Kunstkompass von 2022 führt ihn auf Platz drei der wichtigsten lebenden zeitgenössischen Künstler. Auf den bedeutenden Auktionen zeitgenössischer Kunst rangieren seine Werke weit vorn:

Erst vor einem guten Monat erzielte in London bei Christie’s die 1994 geschaffene Holzskulptur „Frau Paganismus“ 4,6 Millionen Pfund. Auf der letzten Art Basel verkaufte die Londoner Galerie White Cube das Werk „Hirtenkopf“ für 5,5 Millionen Dollar. Und seine wichtigste Galerie, Ropac, erzielte für das Bild „X-ray lila“ 1,38 Millionen Dollar.

In der Wiener Ausstellung beeindruckt am nachhaltigsten Baselitz’ Spätwerk, sieht man einmal von den neueren Collagen ab. In sie arbeitet er Nylonstrümpfe ein, offenbar eine Reminiszenz auf eine jugendliche Faszination in der Nachkriegszeit.

Der dritte Saal kombiniert Werke aus den 1990er-Jahren, vorzugsweise Liebespaare mit manieristischen Werken aus dem 16. Jahrhundert.

Foto: KHM-Museumsverband

Der Dialog mit den Altmeistern ist vor allem unterhaltsam, denn er ist spürbar nach dem Lustprinzip des Künstlers konzipiert und kein Produkt kuratorischen Tiefsinns. Zumal Baselitz’ Werke nicht nur im Hinblick auf ihre Formate, sondern allein von der Zahl her die Altmeister deutlich überbieten. Außerdem wurden die Riesenformate nicht nur neben, sondern auch über die Altmeister gewuchtet, was der ehrwürdigen Wiener Ausstellungsarchitektur von Gottfried Semper eine ganz neue Dimension verleiht.

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Die Parallelen zu den Altmeistern sind tatsächlich rein formal, oberflächlich, wenn man so will. Die Ausstellung will also nichts „erzählen“, keine ikonografischen Bezüge herstellen, sie zeigt keine Spurensuche im eigenen Werk nach mythologischen oder biblischen Motiven. Ebenso wenig wie Baselitz’ Werke selbst eigentlich nichts erzählen, sondern zeigen wollen. Sein Rezept „Vereint meine Nackerten und eure Nackerten“ geht genauso simpel auf, wie es klingt.

Mehr: Georg Baselitz: „Ich bin gegen Wände gelaufen“

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