Außereuropäische Kunst Wie Kunst gekauft, getauscht, geschenkt oder geraubt wurde

Ein aufwendiger Thron "Mandu Yenu" mit Fußbank aus Kamerun im neu eröffneten Ethnologischen Museum.
© Staatliche Museen zu Berlin / Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss / Foto: Alexander Schippel
Berlin Wenn man von den Besucherströmen ausgeht, so hat das Humboldt Forum schon jetzt seinen legitimen Platz in der Mitte der Hauptstadt erobert. In den ersten zwei Monaten nach der Eröffnung haben 150.000 Interessenten den nur zur Hälfte eingerichteten Schloss-Neubau besucht. Es werden noch weit mehr sein, die die in dieser Woche im Westflügel eröffneten zwei Etagen mit den Sammlungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst durchschreiten.
Schätze der Weltkulturen, rund 10.000 Exponate, sind hier mit skrupulösen, die Erwerbungsgeschichte ansprechenden Begleittexten auf 8.500 Quadratmetern Ausstellungsfläche ausgebreitet. Die Präsentation ist mal locker, mal dicht arrangiert, von meterhohen Vitrinen und Einbauten geprägt. Leider sind viele der neben den Objekten angebrachten Beschriftungen so schlecht lesbar und tief gehängt, dass bei näherer Betrachtung der Alarm losgeht. Noch ist die komplette Bespielung des Hauses nicht abgeschlossen. Erst im Sommer nächsten Jahres wird die erweiterte Schausammlung im Ostflügel eröffnet.
Die Eröffnung des rund 680 Millionen teuren Humboldt Forum wird von der globalen Diskussion über die in der Kolonialzeit gegründeten Ethnologischen Museen überschattet. Die Betrachtung der Objekte wird auf den Unrechts-Faktor einer Vielzahl der vor dem Ersten Weltkrieg einverleibten Artefakte überlagert. Immer steht die Frage im Raum, ob es sich um legal erworbenes, geraubtes oder erzwungenes Museumsgut handelt.
Die Benin-Bronzen, an denen sich die Debatte entzündete, sind Paradestücke. Hier wurde schon eine Einigung mit dem Herkunftsland Nigeria signalisiert, das in Benin-City einen Museumsbau errichtet. Es wurden bereits Objekte aus Australien, Namibia, Neuseeland restituiert. Rückgabe ist auch die Devise in Frankreich, wo im Pariser Museum Quai Branly 26 Beutestücke aus Westafrika fünf Tage lang zum letzten Mal ausgestellt sind, bevor sie restituiert werden.
Die Unrechts-Frage stellt sich nicht nur bei den Benin-Objekten. Gerade hat der Politikwissenschaftler Götz Aly in einem Artikel der FAZ dem Ethnologischen Museum vorgeworfen, die „räuberische Provenienz“ bestimmter Objekte zu beschweigen. Die postkoloniale Provenienzforschung steht noch am Anfang. Vier fest angestellte Provenienzforscherinnen und -Forscher sollen die Erwerbsgeschichte von über 500.000 in beiden Museen gehorteten Objekten klären. Das würde fast zweihundert Jahre dauern, wie eine der Beteiligten errechnete.

Kritiker des Humboldt Forums möchten das Auslegerboot von der Insel Luf an die beraubte Herkunftsgesellschaft bei Papua Neuguinea zurückgegeben sehen.
© Staatliche Museen zu Berlin / Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss / Foto: Alexander Schippel
Der gute Wille ist unbestritten. Die Zusammenarbeit mit Repräsentanten der Herkunftsgesellschaften schlägt sich in den Ausstellungen und ihren Texten nieder. In einem Modul wird der Kolonialismus als gesamtgesellschaftliches Problem dargestellt. In einer Begleitbroschüre zur Provenienzforschung wird die Problematik bestimmter Exponate herausgestellt.
Die Ereignisse, die den Erwerb ermöglicht haben, werden beleuchtet: der Kriegszug der Briten gegen das Königreich Benin, die deutsche Marine-Expedition in Papua-Neuguinea, die Ankäufe aus Pfandleihanstalten 1941 und das Staatsgeschenk der Volksrepublik China an die DDR im Jahr 1959.
Nur bei 69 dieser 251 Objekte konnte eine Herkunft aus dem Pekinger Palastmuseum nachgewiesen werden. Der Rest der Stücke und ihr damaliges Auswahlkriterium sind bis heute ungeklärt.
Der Ausstellungsführer zu den Schausammlungen beider Museen verschweigt nicht, dass viele Objekte vor allem des Ethnologischen Museums nicht nur durch Kauf, Tausch und Schenkung, sondern auch durch militärische Gewalt und wirtschaftlichen Druck erworben wurden. Das gilt vor allem für die Objekte aus Ozeanien, die Kultobjekte und Bauten wie das mit Schnitzerei und Malerei reich dekorierte Versammlungshaus aus Palau repräsentieren.
Hier begeistern die farbigen Masken und Kultkrokodile, die am Sepik-Fluss entstanden und die kraftvollen Uli-Figuren ebenfalls aus Papua-Neuguinea, die Bestattungen ritualisierten. Das Hochzeitsgewand der Fidschi und der rot-gelbe Federmantel, ein Geschenk des Königs von Hawaii an Friedrich Wilhelm III. von Preußen, sind die Augenfänger in der Abteilung polynesischer Artefakte.

Blick in das dicht bestückte Schaumagazin mit dem Titel "Afrika. Objektaneignung und Afrika-Illusionen“ des Ethnologischen Museums.
© Staatliche Museen zu Berlin / Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss / Foto: Alexander Schippel
Ein Saal ist überfüllt mit afrikanischen Schau- und Depotstücken, die den jeweiligen Sammlern und Ankäufern zugeordnet sind. Das vermittelt einen Eindruck, welche Materialmassen in den drei Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg in den Besitz des Museums gelangten. In der Kamerun-Abteilung steht der mit Glasperlen und Muscheln besetzte Thron aus Kamerun, den Kaiser Wilhelm II. als Geschenk des Sultans Njoya an das Museum weitergab. Auch bei diesem Schaustück wird heute die Frage gestellt, ob diese Gabe ohne Druck erfolgte.
Kunstschätze des Buddhismus prägen den Rundgang im Museum für Asiatische Kunst. Schlanke pakistanische Buddha-Figuren des 2. bis 3. Jahrhunderts mit weichem bogenförmigem Faltenwurf, ein westindischer Haustempel und ein südindischer Prozessionsstier des 17. Jahrhunderts sind Prachtstücke, vor denen man gerne verweilt. Auch die chinesische Tonskulptur eines farbig glasierten, fast ein Meter hohen Buddha-Schülers aus dem 16. Jahrhundert zieht in der Sektion „Kunst und Kult“ den Blick auf sich. Wo es um die nördliche Seidenstraße geht, erschlägt die Ausstellungsarchitektur die Objekte.
Rollbilder der vom 17. bis ins 19. Jahrhundert reichenden Edo-Zeit und goldgrundige Stellschirme mit hinreißender Malerei sind Hauptstücke in der Japanschau. Hier wurde auch ein japanisches Teehaus nachgebaut, das die Objektparade einladend unterbricht.
Für die europäische China-Mode des 18. Jahrhunderts steht eine um 1740 in der preußischen Manufaktur Charles Vigne entstandene Tapisserie mit vier Chinesen vor einer Pagode. Auch Arita-Porzellane aus der Ostasien-Sammlung des Hohenzollernmuseums fehlen nicht. Ein Foto aus dem chinesischen Porzellan-Kabinett in Schloss Charlottenburg belegt, dass nicht nur August der Starke von Sachsen ein fanatischer Sammler solcher Porzellane war, sondern auch die preußischen Herrscher.
Bis zum Sommer 2022 sollen 27.000 Objekte im Haus sein. Hier ist schon jetzt, wie Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz betont, „eine Lerngemeinschaft eingezogen“, die die Rolle des Museums neu definiert.
Auch die Dekonstruktion des Museums ist eine Aufgabe, die in tiefschürfender Recherche koloniales Unrecht wiedergutmacht. Das erscheint im Licht globaler Ansprüche genauso wichtig wie die angemessene Präsentation seiner Schätze.
Mehr: Koloniale Raubkunst: Der Kampf um die Paradestücke verschärft sich
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