Dorotheum und Im Kinsky: Wiener Auktionshäuser kommen gut durch das erste Halbjahr

Wien. Eine Sensation läutete das erste Halbjahr im Wiener Auktionsgeschehen ein: Mitte Januar verlautbarte das Auktionshaus Im Kinsky, ein spätes Porträt Gustav Klimts wiederentdeckt zu haben. Das „Bildnis Fräulein Lieser“, das der Star der österreichischen Moderne 1917 gemalt hatte, galt bis dahin als verschollen.
Und bis heute ist es geheimnisumwittert: So blieb, trotz intensiver Forschung durch das Auktionshaus, unklar, wer das Werk beauftragte – der jüdische Industrielle Adolf Lieser oder seine Schwägerin, Henriette Lieser? Daran knüpft sich die ebenfalls unbeantwortete Frage, welche der Töchter der beiden Kunstmäzene es darstellt.
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Noch komplizierter machte den Fall, dass der Verdacht auf Raubkunst im Raum steht. Im Kinsky fand die Rechtsnachfolger von Henriette und Adolf Lieser. Vor der Auktion einigte man sich, den Erlös zwischen den Erben und den Einliefernden aufzuteilen. Das Auktionshaus schätzte das Porträt auf 30 bis 50 Millionen Euro. Michael Kovacek, der Co-Geschäftsführer des Hauses, hoffte sogar auf bis zu 70 Millionen Euro.
Nachdem das Sensationsbild an mehreren internationalen Stationen präsentiert worden war, meldete kurz vor der Auktion am 24. April ein Münchener Erbansprüche an. Sollten sich diese als berechtigt erweisen, änderte dies – jedenfalls laut Rechtsanwalt und Im-Kinsky-Miteigentümer Ernst Ploil – nichts an dem Verkauf. Dennoch sprangen, wie die Wiener Tageszeitung „Der Standard“ herausfand, in letzter Minute zwei angemeldete Bieter ab. Und so blieb der Preis früh bei 30 Millionen Euro hängen.

Den Zuschlag erhielt Patti Wong, eine Kunstberaterin, die im Auftrag einer Privatsammlung in Hongkong geboten hatte. Mit Aufgeld und Steuer kostete das Werk 38,5 Millionen Euro. Damit ist das Los immer noch das teuerste je in Österreich auktionierte Kunstwerk. Bis dahin hatte diesen Platz ein Altmeistergemälde von Frans Francken II eingenommen, das 2010 im Dorotheum 7,02 Millionen Euro kostete.
Das Dorotheum ist mit Abstand Wiens größtes Auktionshaus. Es setzte 2023 fast 200 Millionen Euro um; ein Vielfaches vom Im Kinsky, das im Vorjahr 23 Millionen bilanzierte. Gute Ergebnisse erzielte das Dorotheum mit einigen Klimt-Zeichnungen am 22. Mai. Alle vier gingen zu sechsstelligen Summen weg, drei davon am oder über dem oberen Schätzwert. Die „Sitzende von vorne“ aus dem Jahr 1908 kletterte auf 520.000 Euro (mit Aufgeld und Steuer) bei einem Schätzwert von 120.000 bis 200.000 Euro. Die mythologische Figur „Silene“ von Francis Picabia kam auf 481.000 Euro, weit über der Taxe; eine Papierarbeit Egon Schieles indes blieb liegen.
Tags darauf kam im Dorotheum die zehnteilige Siebdruckserie „Ten Portraits of Jews of the Twentieth Century“ von Andy Warhol aus dem Jahr 1980 auf 1.087.500 Euro, ebenfalls deutlich über dem oberen Schätzwert von 600.000 Euro. Weniger Glück hatte man mit Arnulf Rainer, von dem vier Lose verkauft wurden und drei liegen blieben.
Auch am 24. April wanderte vieles zurück, und zwar in der Altmeister-Auktion. Dort wurden 76 Lose verkauft, 75 fanden keinen Abnehmer – eine Verkaufsquote von mageren rund 50 Prozent ist selbst bei den nicht ganz so einfachen Alten Meistern selten. Weder Jusepe de Riberas „Heiliger Franziskus im Gebet“ noch Paul Brils Waldlandschaft noch eine „Heilige Familie mit dem Johannesknaben“ von Francesco Guardi stießen auf Interesse. Dagegen überflügelte eine halbfigurige Porträtskizze der Infantin María Isabel von Goya den oberen Schätzwert und kam auf 712.500 Euro.
Eine erstaunliche Steigerung erlebte das „Brustbild von Sultan Süleyman I.“ aus dem Umkreis des Cristofano di Papi: Bei einer Taxe von 8000 bis 12.000 Euro kam das Los auf 247.000 Euro. Ebenso unbekannt ist der Schöpfer oder die Schöpferin aus dem Umfeld Botticellis: Eine Madonna aus dieser Hand erzielte 663.875 Euro.
Alte Meisterinnen überrunden ihre Schätzungen
Auch einige Alte Meisterinnen kamen zum Aufruf: Barbara Longhis „Heilige Justina von Padua“, die mit 91.000 Euro das rund Siebeneinhalbfache ihres oberen Schätzwerts erzielte, sowie Sofonisba Anguissola, deren doppelseitig bemalte Kupfertafel mit Edelfrau und rückseitiger Heiliger Maria Magdalena 169.000 Euro erreichte.

Insgesamt kann das Dorotheum über das erste Halbjahr 2024 nicht klagen. Den Umsatz teilt es zwar nicht mit. Eine Sprecherin sagte aber dem Handelsblatt, dass dieser nicht schlechter als im Vorjahr sei. Damit stemmt sich das Haus dem internationalen Trend entgegen, der einen leichten Abschwung im Auktionsgeschäft verzeichnet. Ob dies dem Mitbewerber Im Kinsky auch im zweiten Halbjahr gelingt, muss sich noch weisen. Den Gesamtumsatz von 2023 hat der kleinere Versteigerer schon im ersten Halbjahr 2024 mit 48 Millionen Euro übertroffen.





