Erstes globales Museums-Netzwerk: Gesamtkunstwerk Ludwig Stiftung in Aachen: Puppenhaus oder Bordell?

Eine Besichtigung ist auf Anfrage möglich.
Aachen. Die Villa der Ludwigs liegt ziemlich versteckt im Aachener Süden. Dem Taxifahrer sagt die Adresse nichts, und von der Stiftung hat er auch noch nie gehört. Einen schmalen Weg geht es hinauf, die kurvige Auffahrt ist gesäumt von auffälligen Figuren und verzierten Mauern, es hat etwas von einer extravaganten Kulisse.
Oben angekommen, traut man seinen Augen kaum. Denn die Villa von Peter und Irene Ludwig sieht nach ihrer Verwandlung durch den Künstler Andreas Schmitten so unwirklich aus, als hätte der exzentrische Filmemacher Tim Burton sich für die Fortsetzung seines Films „Charlie und die Schokoladenfabrik“ ein neues Set gebaut: In schreiendem Pink leuchten die Außenwände, die wulstigen, zitronengelb-weiß-gestreiften Markisen sehen aus, als seien sie aus Marshmallow-Teig. Ein Puppenhaus oder ein Bordell?
Die Assoziationen sind vielfältig und irritierend. Aber je näher man Schmittens kraftvoller Installation im Spannungsfeld mit dem Innenleben der Villa tritt, desto stimmiger wird der Dialog.
Das Wohnhaus ist erstaunlich bescheiden dimensioniert. Heute ist es Sitz der Stiftung. Sie gab zum 25-jährigen Bestehen den Auftrag, das Gebäude temporär zu verwandeln.
Carla Cugini, seit 2021 Leiterin der Stiftung, berichtet im Gespräch mit dem Handelsblatt, den Künstler habe die Obsession der Ludwigs fasziniert: „Diese Setzung als Gesamtkunstwerk, das fanden wir toll. Und je länger wir darüber diskutiert haben, desto begeisterter waren wir. Aber ich muss gestehen, ein bisschen Mut hat es mich als neue Stiftungsleiterin schon gekostet.“
Betritt man die Villa, die nach dem Willen der neuen Leitung behutsam der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll, staunt man kaum weniger, als beim Anblick von Schmittens Installation. Denn in und an der 1953 erbauten Villa gibt es nichts, das nicht aus dem Geist des Sammlerehepaars gestaltet wäre.

Sie sammelten nahezu alles, um es ganz direkt in ihr privates, alltägliches Umfeld zu integrieren.
Im Sinne eines erweiterten Kunstbegriffs sammelten die Ludwigs nahezu alles, um es ganz direkt in ihr privates, alltägliches Umfeld zu integrieren. In der Küche finden sich alte Delfter Kacheln, sie kauften Bodenbeläge aus alten, kriegszerstörten Aachener Häusern auf, ebenso Türen, antike Schlösser, natürlich auch Mobiliar, ganz zu schweigen von der reichen Porzellan- und Silber-Sammlung, der ersten Leidenschaft des Sammlerpaares. Eine faszinierende, wimmelnde Mixtur, die man auch als Sammelsurium verstehen könnte. Wäre da nicht die ausgeklügelte Ordnung all dieser Artefakte.
Die Ludwigs verbindet man eher mit Kunst des 20. Jahrhunderts, besonders Pop-Art, die man natürlich auch in der Villa findet. Die Basis aber der Sammelleidenschaft der beiden Kunstwissenschaftler war ein immenses kunsthistorisches Wissen. Kenntnisreich wussten sie ästhetische Bezüge über die Epochen hinweg herzustellen, die erstaunlich aktuell wirken – wenn etwa über einer barocken Sitzgruppe ein kubistisches Gemälde prangt.
Die Sammlung Ludwig umfasst 14.000 Werke
Die Sammlung von Peter und Irene Ludwig ist ein Imperium: Sie umfasst 14.000 Kunstwerke, zwölf Museen tragen ihren Namen, und zwischen Peking, Havanna und St. Petersburg haben sich viele von ihnen reich beschenken lassen. Allein in Köln sind fünf städtische Museen mit den Ludwigs verbunden.
Carla Cugini hat die Internationalität ihrer Aufgaben gereizt, wohl wissend, dass es nicht leicht ist, alles im Blick zu behalten: „Unterschiedliche politische und kulturelle Kontexte haben mich immer schon interessiert. Dazwischen zu vermitteln, ist mir ein großes Anliegen.“ Gleichzeitig sieht sie ihre Aufgabe darin, die Stiftung in die Zukunft zu führen und jedes Museum gut zu kennen und zu unterstützen: „Manchmal bedeutet das auch, Lobbyarbeit in den Kommunen zu machen, damit sie verstehen, welche Schätze sie da eigentlich unter ihren Fittichen haben.“
Irene Ludwig bekannter machen
Für die Stiftung wünscht sie sich, dass sie in der Öffentlichkeit präsenter wird. Auch durch die Erforschung der Sammlung und der eigenen Geschichte: „Die Story der Ludwigs ist ja exemplarisch: Es geht um eine große Passion für Kunst, um ein erstes globales Netzwerk im Kunstbetrieb, um die Anfänge des Kunstsammelns im großen Stil.“
In der Satzung der Stiftung sind die Zukunfts- und Weltoffenheit festgeschrieben. Weiterhin sollen Brücken geschlagen werden zwischen verschiedenen Kulturen, um zur Verständigung der Nationen beizutragen.

Und ein weiteres Anliegen ist Carla Cugini besonders wichtig: „Irene Ludwig hat sehr bald nach dem Tod ihres Mannes die gemeinnützige Stiftung, die auf Ewigkeit angelegt ist, gegründet. Sie wollte, dass dieses Gebäude nicht zu einem Mausoleum wird. Sie stand ja immer ein bisschen im Schatten ihres öffentlich sehr präsenten Mannes.“ Cugini möchte Irene Ludwigs Rolle erforschen und etwas mehr in den Vordergrund rücken.
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