Galerie: Marlborough Gallery – Das Ende eines Imperiums

London. Nach 78 Jahren Galerietätigkeit kündigt die Leitung der bedeutenden Marlborough Gallery an, dass die Firma geschlossen wird. Das Ausstellungsprogramm wird im Juni eingestellt und der Werkbestand in den nächsten Monaten verkauft, wie die Galerie bekannt gab und das „Art Newspaper“ zuerst berichtete. Die aktuellen Galeriestandorte in New York, London, Madrid und Barcelona werden schließen.
Mit der Schließung des Galeriebetriebs geht eine epochemachende Geschichte zu Ende. Von jüdischen Emigranten aus Wien gegründet, wurde die Galerie zur globalen Großgalerie, die phasenweise Zweigstellen in New York, Rom, Madrid, Barcelona, Vaduz, Toronto, Montreal, Tokio und Monte Carlo unterhielt.
Sogar für die preisgünstigeren Editionen gab es einen eigenständigen Bereich wie auch für Fotografie. Heutige Blue-Chip-Künstler wie Mark Rothko, Henry Moore, Paula Rego und Frank Auerbach waren im Programm. Sie prägten das Profil der Galerie.
Marlborough wurde von Harry Fischer (1903-1977) und Frank Lloyd (1911-1998) direkt nach dem Zweiten Weltkrieg 1946 in London gegründet. Fischer musste im Krieg aus Wien emigrieren und machte die Bekanntschaft von Kurt Levai, ebenfalls ein Wiener Emigrant, der seinen Namen in Frank Lloyd umbenannt hatte. Sie gründeten Marlborough Fine Art in der prestigereichen Bond Street und handelten mit Kunst und Büchern.
David Somerset, bald danach Duke of Beaufort, wurde als Partner gewonnen. Die Galerie zeigte zunächst französische Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts. Vorausschauend erweiterte sie aber ihr Programm in den 1960er-Jahren mit bedeutenden Ausstellungen zur deutschen Avantgarde der Vorkriegszeit. Künstler wie Kurt Schwitters, Paul Klee und Käthe Kollwitz fanden damit in London ein Schaufenster.
Globalisiert, bevor es den Begriff gab
Schon 1960 wurde die Galerie international: Einer Filiale in Rom folgte 1963 New York, die Maler wie Mark Rothko und Jackson Pollock zeigte und handelte. In England kamen unter anderen Francis Bacon, Henry Moore, Oskar Kokoschka und Barbara Hepworth zum Galerieprogramm. 1969 zog sich die Fischer Familie aus dem Geschäft zurück.
Die Galerie expandierte weiter in den 1990er-Jahren und zeigte schon früh chinesische Kunst wie Chen Yifei. Darüber hinaus arbeitete sie an vielen Museumsausstellungen ihrer Künstler mit. Auf der aktuellen Webseite verzeichnet Marlborough 22 Künstler in London, 27 Künstler und Künstlernachlässe in New York und 18 in Spanien. Die Galerie nahm über Jahrzehnte an allen großen Kunstmessen auf der Welt teil und beschäftigt um die 50 Mitarbeiter.
Skandal und Prozess
Mit der Bekanntheit kamen allerdings auch die Skandale. In den 1970er-Jahren die sogenannte Rothko-Affäre. Dabei ging es um Preismanipulationen des Nachlasses, die zu einem Gerichtsverfahren führten. Das beeinträchtigte den Ruf der Galerie und zog fast zehn Millionen Dollar Schadensersatzzahlungen nach sich.
Auch 2020 endete ein familieninterner Streit vor Gericht in New York. Die Auseinandersetzungen zwischen Gilbert Lloyd, Sohn des Gründers und lange Zeit an der Spitze der Londoner Galerie, und dem Großneffen Max Levai führten zur temporären Schließung der New Yorker Galerie.
Max Levai wurde gefeuert, und einige Künstler verließen daraufhin die Galerie, wie der Nachrichtendienst „Artnet“ damals berichtete. Es bezeichnete die Galerie als „New Yorks Galerie mit den meisten Problemen“.
Die Geier kreisen schon
Die Probleme dürften noch nicht vorbei sein. Es wird einige Zeit dauern, bis die Geschäfte abgewickelt sind. Die Immobilien der Galeriengruppe müssen veräußert werden, der Werkbestand, der laut „Art Newspaper“ auf 250 Millionen Dollar geschätzt wurde, wird ebenfalls verkauft.
Zum Inventar an Werken verstorbener Künstlerinnen und Künstler kommt das Inventar der lebenden Künstler, das zurückgeführt werden muss. Die Angestellten werden wohl entlassen. Ein Ende ist noch lange nicht in Sicht. Wie immer bei Neuigkeiten in der Kunstwelt – die Geier kreisen schon.






