Kunst- und Antiquitätenmesse: Erhellende
Kontraste

München. Ein Drittel der 52 Aussteller auf der 16. „Highlights“-Messe in der Münchener Residenz sind Experten für Silber, Porzellan, Möbel und Altmeister-Gemälde. Die übrigen widmen sich den beliebten Spielarten und Gattungen von Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts. Eine Veranstaltung, die mal beiläufig, mal explizit auf Kontraste setzt und so das Spezifische jeder Epoche unterstreicht, aber auch verbindende Haltungen und Ansichten vermittelt.
Exemplarisch gelingt das Thomas von Salis mit einer kleinen Version seiner Salzburger Sommer- und Festspielschau. Auch in München stellt der Kurator Salis einem Schlemmer-Kopf im Profil, der einen verstorbenen Freund betrauert, ein kleines Marmorrelief der italienischen Renaissance gegenüber. Gleiche Blickrichtung, gleiche Nachdenklichkeit. Schlemmers Memento mori für den Schweizer Maler Otto Meyer-Amden ist für 380.000 Euro zu haben, das starke Relief einer jungen Frau soll 580.000 Euro kosten. Arnulf Rainers rote Übermalung trifft auf eine Heilige aus Kalkstein des Schönen Stils, die aus der ehemaligen Böhler-Sammlung stammt. Vielleicht ist sie eine Maria Magdalena. Zwei gesicherte Darstellungen der Büßerin hingegen präsentiert Kunstkammer-Chef Georg Laue in einer Minischau zu Leonhard Kern. Das Reliefoval der Heiligen in der Einöde schlägt mit 480.000 Euro zu Buche. Eine kleine Elfenbeinfigur der Magdalena, aus der Zahnspitze geschnitzt, ist mit 120.000 Euro bewertet.

Historisches und Zeitgenössisches erhellt sich auch gegenseitig bei dem Galeristen Michael Zink und dem Altmeisterhändler Marco Pesarese. Rätselhaft zieht Cinta Vidal den Betrachter ins Bild. Denn die 43-jährige Spanierin kombiniert mehrere Perspektiven und Schärfegrade in einem Bild von einem Feld, in dem junge Leute relaxen (12.500 Euro). Was zunächst als Landschaftsmalerei aus dem Italien des 17. Jahrhunderts wirkt, ist auf den zweiten Blick ein Riese, der in Hieronymus-Bosch-Manier ein Ei legt. Diese Metamorphose soll 48.000 Euro kosten.
Die Galerie Lehmann hat Zeichnungen und Aquarelle von Slawomir Elsner dabei, die reißenden Absatz finden. Elsner schafft mit Buntstift Neuinterpretationen von Motiven nach Caspar David Friedrich und anderen Alten Meistern. Die Preisspanne liegt zwischen 2500 und 25.000 Euro. Fotokunst von heute in altmeisterlicher Lichtregie zeigt die Galerie Jarmuschek mit Kleinauflagen von Carina Linge ab 1600 Euro.
Verblüffende Zeichnungen schafft die Konzeptkünstlerin Nadine Fecht mit einem Paket aus 2300 zusammengeschnürten Kugelschreibern. So wie sie sie über das Papier führt, stößt und dreht, entstehen Richtungswechsel, Akzente und Markierungen, die sich auch als Aussage über Gesellschaft und Vielfalt lesen lassen. 5500 Euro erwartet Alexander Sairally dafür. 2026 wird Fecht eine Ausstellung im Kunstmuseum Basel haben.

Erstaussteller ist Henri Neuendorf, einer der Söhne des Artnet-Gründers Hans Neuendorf. Er arbeitet in New York als Kunstvermittler, derzeit ohne Galerieräume, wer wollte sich in diesen Zeiten solche Fixkosten aufladen. Weil die Messen nicht mehr zwingend ein Ladengeschäft und eine bestimmte Anzahl von Ausstellungen vorschreiben, nimmt der 36-Jährige ab jetzt an Messen in Europa teil. Mitgebracht hat er frühe Zeichnungen wie den „Tränenbeutel“ von Baselitz für 45.000 Dollar. Die drei kopflosen Grazien von John Wesley wechseln für 200.000 Dollar die Hände. Beck & Eggeling zeigen erstmals Marmorskulptur von Aljoscha. Seit er in Italien arbeitet, interessiert ihn der Marmor, den er zu vegetabilem Geäst von zarter Anmut werden lässt (15.000 Euro).
Lucio Fontana wird seit geraumer Zeit als Keramiker wiederentdeckt, das Material ist mehrfach Augenfänger auf der Messe. Michael Beck bietet einen unikaten Fontana-„Putto“ von um 1955 für 68.000 Euro an. Auffällig eckige Großvasen aus Porzellan von Johannes Nagel hat Michael Zink mitgebracht (8000 Euro) und auch schon verkauft. Am Stand der Galerie Jordanow ist eine große Keramik-Skulptur von Keiyona Stumpf der Showstopper. Sie versinnbildlicht auf packende Weise schöpferische Prozesse der Natur mit Kelch- und Pflanzenformen, aufstrebend, dynamisch, positiv. Für 22.000 Euro ist „Simulacrum II“ zu haben.

Wer die Stars der Klassischen Moderne sucht, findet bei Utermann Marc Chagalls „Sapin Bleu“. Das Gemälde von 1961 beschwört die Erinnerung an Witebsk in Gelb, Blau und Rot (890.000 Euro). Ein duftig leichtes Aquarell von Nay in glühendem Rot-Orange-Pink, das weniger an Scheiben als an Blütentransparenz erinnert, bietet die Galerie Koch für 68.000 Euro an. Thole Rotermund hat bereits Punkte geklebt an einen Blumenstrauß von Jawlensky aus dem Jahr 1937 und an 27 Entwürfe für Holzschnitte von Lyonel Feininger.
Christian Eduard Franke trumpft mit einem kleinen Tischchen auf, das feinste Intarsien zieren. Das „Guéridon“ hat die Maggiolini-Werkstatt in Mailand 1790 ganz offensichtlich für einen noblen Auftraggeber geschaffen. Der Bamberger Spitzenhändler bietet es für 56.000 Euro an. Auch Peter Mühlbauer beeindruckt mit Skulptur, Malerei und Möbeln. Sein Hauptwerk, ein raffinierter Damensekretär von Heinrich Gambs für ein Schloss in St. Petersburg, war für einen niedrigen sechsstelligen Betrag zeitig verkauft.


Fotokunst findet sich unter anderem bei der Galerie Commeter. Hier war das Hauptwerk mehrfach erfolgreich. Gregor Törzs’ „Phantom“ ist ein großes Schwarz-Weiß-Foto, das mit Wachs überzogen wurde (25.000 Euro). Dargestellt ist ein Uranglas-Flakon, der so rätselhaft leuchtet, dass er die Fantasie der Betrachtenden anheizt.
Zurück zum Anfang und Entree der Münchener Residenz. Hier lässt sich die veränderte Ausstellerzusammenstellung am besten ablesen. Denn der Auftakt wirkt erstmals pur. Die Skulpturenhändler Jungbauer und Julius Böhler fehlen, weil sie keine Messen mehr bespielen, der Porzellanexperte Röbbig ist nicht dabei, weil der Insolvenzverwalter das Zepter übernahm. Die Halle wirkt größer und rückt die feinen Großbronzen aus der Renaissance ins rechte Licht, die hier immer stehen. Sinnbild einer Messe, die bei all der Vorliebe unserer Zeit für die Kunst der Gegenwart eine Lanze bricht für die Alte Kunst. Das ist in Deutschland einmalig.





