Kunstmarkt: Indiens neue Lust auf Kunst
Delhi. Wenn die Zahl der Millionäre in einem Land spürbar zunimmt, brechen in der Regel gute Zeiten für den Kunstmarkt an. Indiens Wirtschaft wächst rasant. Und laut einem Vermögensreport der Immobiliengruppe Knight Frank rangiert dort im Luxussegment der Kunstkauf noch vor dem Erwerb von Autos und Juwelenschmuck.
Die gerade zu Ende gegangene 15. Ausgabe der „India Art Fair“ (IAF) in Delhi ist ein Spiegel dieses Trends. Das wichtigste Kunstevent präsentiert die führenden Galerien des Landes und Indiens. Sammler zeigten sich in Kauflaune.
Zu den Top-Galerien gehört Gallery Nature Morte aus Delhi. Sie meldete, dass bereits während der VIP-Preview 85 Prozent des Standes verkauft wurden. Darunter eine typische Skulptur des weltweit bekannten, indischen Gegenwartskünstlers Subodh Gupka. Die dreidimensionale Collage aus aufgetürmten Hausgerätschaften kostete umgerechnet 250.000 Dollar. An der Skulptur von Alicja Kwade und der Arbeit von Jeppe Hein hatte die Galerie am vorletzten Messetag noch keinen roten Punkt.
Indiens Sammler und Kunstliebhaber suchen in der Kunst vor allem Emotionalität und einen Bezug zur eigenen Kultur, erklärt Neerah Kumar von der Gallery Espace. Beides bietet Manjunath Kamaths Goldgrundierte Leinwand. Der 52-jährige Maler mixt Fragmente von buddhistischen Gottheiten und viktorianische Stoffmuster und verwischt sie, bis sie aussehen wie alte Freskos. Der Preis liegt bei etwa 100.000 Dollar.
Die Direktorin von Espace spricht wie viele Aussteller von einer Boomzeit auf dem Kunstmarkt. Espace hat gut verkauft - im sechsstelligen Bereich, aber auch darunter. „Als wir vor 15 Jahren zum ersten Mal hier ausstellten, hatten wir es mit einem kleinen Kreis wählerischer Sammler zu tun“, erzählt sie dem Handelsblatt.
Die Zahl der Interessenten aber ist stark gestiegen und jünger geworden. Die Erfolgreichen der Tech-Branche bevorzugen die Kunst ihrer Generation, wie etwa die streifigen Materialbilder der 1980 geborenen Mekhala Bahl. Alle drei Arbeiten waren schnell weitergereicht zu Preisen zwischen 13.500 und 20.000 Dollar.
„Wir wollen mit unserer Messe Indien einen Platz auf der Weltkarte der Kunst geben“, sagte Messedirektorin Yaya Asokan zur Eröffnung. Dass die IAF mit ihren rund 80 Galerien nicht die globale Ausstrahlung wie die „Art Basel Hongkong“ besitzt, hat vor allem zwei Gründe. Ein Großteil der angebotenen Kunst wurzelt tief in Indiens Tradition. Sie ist modern, international, aber kaum Impulsgeber.
Und noch sind Indiens Kunstkäufer auf die Stars der eigenen Szene fokussiert. Die monumentalen goldenen Frauenköpfe von Ravinder Reddy, dem Jeff Koons Indiens, scheinen für Indiens Sammler, wie der Besuch in zwei Privatsammlungen zeigt, ein Muss. Auf der Messe bot die Galerie NVYA ein Exemplar an. Reddys Marktwert bewegt sich – in Dollar umgerechnet – im hohen fünf- bis sechsstelligen Bereich.
Preislich ist Indien durchaus auf globalem Niveau. Galerie Continua, die zu den wenigen europäischen Ausstellern gehörte, testete das Interesse für internationale Künstler. Sie konnte Werke Ai Weiweis um die 300.000 Dollar und des amerikanisch-jamaikanischen Künstlers Nari Ward um 400.000 Dollar veräußern.
Mit einem Wandfüllenden Lego-Mosaik von Ai Weiwei, das Claude Monets Seerosen adaptiert, zog die Berliner Galerie Neugerriemschneider die Blicke an. Der Preis für Ais Arbeit lag im siebenstelligen Bereich. „Es ist ein großer Markt, auf dem man sich vortasten muss,“ erklärte Burkhard Riemschneider ihre dritte Teilnahm in Delhi.
Das Hoch des Kunstmarktes wird auch durch den Bauboom befördert. Kunst und außergewöhnliches Design gehören zum neuen Lifestyle der Oberschicht. Die IAF hat reagiert. Mondän, kultiviert und nobel sah das Angebot der ersten eigenen Sektion Design aus. Delhis Top-Designer Vikram Goyal zeigte extravagante Metallmöbel. Sein sieben Meter langes Wandpaneel aus Messingguss war für 300.000 Euro zu haben.
Die Pariser Galerie Carpenters Workshop, die Möbel im Stil raumgreifende Skulpturen vertreibt, setzte insgesamt 1,5 Millionen Euro um. Ein Tisch in der bizarren, astartigen Manier von Nacho Carbonell ging für 350.000 Euro in neue Hände.
BMW India als Hauptsponsor der Messe hatte den passenden Slogan zu dieser Entwicklung: Lasst uns die Fusion von Kunst und Luxus feiern. Thomas Girst, Leiter des globalen Kulturengagements BMW, machte aber im Gespräch mit dem Handelsblatt deutlich: „Wir sind nicht nur Markenbotschafter eines Autokonzerns, wir möchten mit unserem Engagement positiv in die Gesellschaft wirken. Und Kunst ist sowohl kritisch als auch politisch.“
Ein Barometer für den Aufschwung des Marktes sind die gestiegenen Preise für die Klassiker aus Indiens Moderne. Galerie Sanchit Art aus Delhi präsentierte Werke des heute 88-jährigen abstrakten Malers Ganesh Haloi, dessen Gemälde entfernt an Klee und Feininger erinnern. Sein Marktwert liegt zwischen 1 und 25 Millionen Dollar, so ein Mitarbeiter der Galerie.
Mit einer Soloshow von Maqbool Fida Husain, berühmt für seine vom Kubismus beeinflussten Bilderzählungen, konterte die Crayon Art Gallery. Die Gemälde kosteten zwischen 100.000 und 1 Million Dollar.
Profitiert vom Wertzuwachs der Moderne haben auch die Auktionshäuser. Saffronart, Pundole´s und Astaguru sowie die Globalplayer Christie´s und Sotheby´s fuhren 2023 gemeinsam einen Umsatzrekord von 144 Millionen Dollar ein. Glanzlicht war der Erlös von 7,5 Millionen Dollar bei Saffronart für das 1937 entstandene Gemälde „The storyteller“ von Amrita Sher-Gil. Sie wird verehrt wie Frida Kahlo im Westen.
Während der IAF hatte Christie‘s India, die im letzten Jahr 24 Millionen Dollar umsetzten, sowie die Auktionshäuser Saffron Art und Pundole´s zur Vorbesichtigung eingeladen. Es war ein Aufmarsch teurer Klassiker: 750.000 Dollar betrug die untere Taxe für F. N. Souzas „Nude“ von 1950. Auf 350.000 Dollar war die Leinwand „Mirage“ von Jehangir Sabavala geschätzt. 1,5 Millionen Dollar wurden für Amrita Sher-Gils „Porträt of Danyse“ erwartet. Das sind nur drei Lose der Top-Kategorie.
Die Kunstszene ist dank indischer Mäzene im Aufbruch. Im Januar machte die Messe „Art Mumbai“ erstmals der IAF Konkurrenz. Im Februar eröffnete die Milliardärsfamilie Jindal „Hampi Art Labs“ im südlichen Hampi. Schon jetzt ist dieser Ort für Ausstellungen und Stipendien junger Künstler ein architektonisches Wahrzeichen. Indiens Kunstmarkt wird davon profitieren.