Münzsammlung in Katar: Per Mausklick 100.000 islamische Gold- und Silberstücke erkunden

Mehr als 1000 Jahre islamische Kultur spiegeln die Münzen aus dem Clan der Al Thanis. Von li.: Golddinar aus dem 10. Jahrhundert aus dem Kalifat der Fatimiden, Gold-Münze aus der im 14. und 15 Jahrhundert herrschenden Berberdynastie der Mariniden und ein Goldstück, das zur Zeit des Sulayhiden-Herrschers Achmad B. Ali im 11. Jahrhundert auf dem heutigen Territorium des Jemen geprägt wurde.
München. Es sieht aus wie ein Spiel. Auf dem Bildschirm erscheint ein Berg von Münzen. Per Filter kann sortiert werden. Ein Klick auf „Ruler“ (Herrscher), und es spalten sich verschiedene Cluster mit kleinen Etiketten auf wie Muhammed III. oder Süleyman I.. Mit weiteren Filtern wie z. B. „Region“ teilen sich die Gruppen ein weiteres Mal in Länder von Marokko bis Syrien auf, in denen sie mitunter vor mehr als tausend Jahren geprägt wurden.
Noch ein Mausklick und die Hartgeld-Haufen erscheinen in Reihen sortiert. Auf diese Weise können die fast 100.000 Stücke der weltberühmten Sammlung islamischer Münzen aus dem Museum of Islamic Art in Katars Hauptstadt Doha erkundet, verglichen und in bestechender visueller Qualität betrachtet werden.
Katar will schon seit Jahren durch eine gezielte Museumspolitik und mit hochkarätigen Sammlungen die Attraktivität des Wüstenstaates erhöhen und so neue Einnahmequellen erschließen. Für die Herrscherfamilie Al Thani, die ein Faible für die monetäre Kulturgeschichte hat, ist die Digitalisierung der islamischen Gold- und Silberstücke ein weiterer Schritt in eine zeitgemäße Museumspolitik.
Für die in Potsdam und München ansässige IT-Firma Collecto, die seit 2013 Konzepte für digitales Sammlungsmanagement in Museen und Privatsammlungen entwickelt, war es hingegen die größte Herausforderung. Für Erfassung und Systematisierung des gigantischen Konvoluts wurde ein automatisierter Produktionsprozess entwickelt. Mit zwei Kamerasystemen wurden die Münzen fotografiert und Beschriftungen auf Arabisch und in lateinischen Lettern eingelesen. Durch sogenannte „learning machines“, eine Kategorie von künstlicher Intelligenz, wird die Systematisierung weiterhin verfeinert und die wissenschaftliche Bearbeitung überschaubarer.

Die Pinakothek der Modernen ist der erste Lizenznehmer der von Collecto entwickelten App Metawalk.
Noch sind nicht alle Stücke erfasst. Aber wie Forscher, Sammler und Interessierte die Sammlung virtuell erleben können, präsentiert bereits die Website des katarischen Kulturprogramms „Yearsofculture“.
Deutschland gilt nicht als führende IT-Nation. Dass Collecto mit dem Münzprojekt beauftragt wurde, hängt vor allem mit seiner Kompetenz im Bereich Kunst und Kultur zusammen. Das Unternehmen hat in den vergangenen zehn Jahren kundengenaue Software unter anderem für die Rudolf-August-Oetker-Stiftung erarbeitet, aber auch die Collecto-App für private Sammler entwickelt.
Viele Apps hätten vor allem Archivcharakter, meint Geschäftsführer Johannes von Mallinckrodt im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Uns hingegen geht es neben der Portfolioverwaltung um die Schnittstellen zu Museen, zum Markt, zu Daten der Provenienzforschung oder zu Zolldokumenten“, erläutert der 38-Jährige.


Um Schnittstellen ging es Collecto auch bei der Entwicklung von Metawalk. Dabei handelt es sich um eine Museums-App, die als Lizenz seit September erstmals von der Pinakothek der Moderne in München genutzt wird. Es ist eine Plattform, die Navigation mit Inhalten verbindet und Nutzern der App museumsübergreifenden Zugang zu Informationen, Daten und Bildern ermöglicht. In der Pinakothek wird das Konzept besonders deutlich. Denn dieses Haus vereint vier selbständige Institutionen, deren komplexe Bezüge durch die App erfahrbar werden.
Selbst Vernetzungen innerhalb einer Region und über Landesgrenzen hinaus sind möglich. „Unsere Stärke besteht darin, dass wir keine Nische besetzen, sondern den gesamten Prozess vom ersten Kundengespräch, über die Software-Architektur bis zum fertigen Digitalauftritt beherrschen“, sagt Mallinckrodt. Nicht nur er ist überzeugt: Ohne digitale Präsenz geraten Museen heute ins Abseits.
Mehr: Virtuelle Sondierung – Was Goethe so alles in den Schubladen liegen hat






