1. Startseite
  2. Arts und Style
  3. Kunstmarkt
  4. Im Streit um eine Rückgabe des Picasso-Porträts „Madame Soler“ fordert der Freistaat Bayern eine gesetzliche Grundlage

RestitutionMadame in der Sackgasse

Im Streit um eine Rückgabe des Picasso-Porträts „Madame Soler“ fordert der Bayerische Staat schnellstens eine gesetzliche Grundlage. Unterdessen werden für Restitutionsverfahren in Düsseldorf und Bonn Lösungen gefunden.Christiane Fricke 20.04.2023 - 17:16 Uhr aktualisiert Artikel anhören

Claudia Roth mahnte die Anrufung der Beratenden Kommission an, um einer Lösung im Streit um die Restitution des Gemäldes näher zu kommen. Der Bayerische Minister für Kunst, Markus Blume, fordert dagegen ein Restitutionsgesetz baldmöglichst.

Foto: Bayerische Staatsgemäldesammlungen; VG Bild-Kunst, Bonn

Düsseldorf. Der Streit um die Restitution von Pablo Picassos Porträt „Madame Soler“ ist in eine Sackgasse gelangt, aus der ihn nun öffentlicher Druck herausholen soll. Seit 2009 fordern die Erben des jüdischen Vorbesitzers Paul von Mendelssohn-Bartholdy das Bildnis zurück. Die Bayerische Staatsgemäldesammlung, der es seit 1964 gehört, lehnt ab.

Zuletzt hatte sich Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), eingeschaltet und das Museum aufgefordert, endlich einer Anhörung durch die unabhängige „Beratende Kommission“ für Restitutionsfragen zuzustimmen (früher Limbach-Kommission). Die kann erst tätig werden, wenn beide Parteien einverstanden sind. Ihr Rat hat keine rechtliche Bindung.

Roths Intervention war nicht die einzige von Seiten des Staates. 2016 hatte es ihre Vorgängerin Monika Grütters bereits einmal versucht, kassierte aber eine Abfuhr. Noch im Herbst 2020 bekräftigte das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, man halte die Anrufung der Kommission für nicht angezeigt.

Die Staatsgemäldesammlungen waren nach den Recherchen ihrer eigenen Provenienzforscher „abschließend“ zu dem Ergebnis gelangt, „dass der dokumentierte Verkauf des Gemäldes aus der Sammlung von Paul von Mendelssohn-Bartholdy an den Kunsthändler Justin Thannhauser, von dem wiederum der Freistaat Bayern das Bild im Jahr 1964 angekauft hat, nicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Verfolgung der Familie Mendelssohn-Bartholdy steht“.

Daher hatten Freistaat und Staatsgemäldesammlungen den Restitutionsanspruch bereits 2010 abgelehnt. Amerikanische Gerichte, die von den Erben 2013 und 2016 angerufen worden waren, hatten die Klage abgewiesen.

Der Bankier Paul von Mendelssohn-Bartholdy starb im Mai 1935 nach Repressalien durch das NS-Regime im Alter von nur 59 Jahren. Wenige Monate später bereits listete die Berliner Filiale der Galerie Thannhauser das Porträt der „Madame Soler“ als verkauft.

Der Rat der Stadt Düsseldorf beschloss am heutigen Donnerstag einstimmig die Restitution.

Foto: Christiane Fricke

So gesehen müsste es reichen, um eine faire und gerechte Einigung herbeizuführen. Doch Bayern bezweifelt, dass das Gemälde, das sich zu diesem Zeitpunkt im Besitz der nichtjüdischen Ehefrau Elsa von Mendelssohn-Bartholdy befand, unter Druck veräußert wurde.

Die Entscheidung, den Fall durch die „Beratende Kommission“ überprüfen zu lassen, liegt nun abermals beim Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst. Das wiederum entscheidet auf der Grundlage der Ergebnisse der Provenienzforschung des Museums und der Empfehlungen des Generaldirektors des Museums.

Auf diese Ergebnisse bezieht sich das Ministerium nach wie vor, wie eine Nachfrage des Handelsblatts ergibt. Die Frage, ob Bayern die Kommission nach der vernehmlichen Intervention durch Claudia Roth nun doch anrufen wird, blieb jedoch unbeantwortet. Stattdessen fordert Kunstminister Markus Blume dringend „eine verlässliche gesetzliche Grundlage – für eine konsequente Umsetzung der Washingtoner Erklärung auf Basis einheitlicher, transparenter Kriterien“. „Hier ist der Bund in der Pflicht, noch in dieser Legislaturperiode ein Restitutionsgesetz auf den Weg zu bringen.“

In vier anderen Fällen von Picasso-Verkäufen seitens Mendelssohn-Bartholdy an den Kunsthändler Thannhauser kam es bereits zur Einigung. Das MoMA, das Guggenheim-Museum und die Andrew-Llloyd-Webber-Stiftung erzielten Vergleiche mit den Erben. Die National Gallery Washington entschloss sich zur Rückgabe.

Unterdessen entschied die Stadt Düsseldorf, den noch immer nicht gelösten Streit mit dem kanadischen Nachlass des jüdischen Kunsthändlers Max Stern zu beenden und damit das im Fall Max Stern ramponierte Image wieder aufzupolieren. Friedrich Wilhelm von Schadows Bildnis „Die Kinder des Künstlers“ soll nun doch restituiert werden, jedoch gegen Zahlung eines „angemessenen“ Preises für die Sammlung der Stadt zurückerworben werden.

Im Streit um die Rückgabe des bäuerlichen Stilllebens aus dem LVR LandesMuseum Bonn soll die „Beratende Kommission“ angerufen werden.

Foto: LVR LandesMuseum Bonn

Zum Zeitpunkt der 2021 eröffneten Stern-Ausstellung im Düsseldorfer Stadtmuseum fehlte noch der Nachweis, dass das Bild auch nach 1933 Eigentum der Galerie Stern war. Nun heißt es, die Stadt könne „nicht belegen, dass es kein Restitutionsfall ist“, bestätigte die neue Kulturdezernentin Miriam Koch auf Nachfrage des Handelsblatts. Die Beratende Kommission soll hier nicht mehr angerufen werden.

So sah es auch die Mehrheit im Rat der Stadt. Er fällte an diesem Donnerstagnachmittag einstimmig den endgültigen Beschluss zur Restitution, wie Falk Velten, Sprecher in städtischen Kulturangelegenheiten, dem Handelsblatt mitteilte.

Der nachgereichten Presseerklärung zufolge folgte Düsseldorf damit dem vierten Grundsatz der Washingtoner Konferenz von 1998. Wer demnach faire und gerechte Lösungen anstrebt, möge berücksichtigten, „'dass aufgrund der verstrichenen Zeit und der besonderen Umstände des Holocaust Lücken und Unklarheiten' in der Provenienz unvermeidlich sind“.

Am LVR LandesMuseum in Bonn wiederum ist es im Fall eines niederländischen Gemäldes bislang nicht zu einer Einigung mit den Erben der jüdischen Vorbesitzer gekommen. Hier soll die Kommission angerufen werden.

Nur zwei Rückgabeersuchen, aber wohl drei Geschädigte

Verwandte Themen
Claudia Roth
Markus Blume
Bayern

Es geht um die Restitution eines Frühstücksbildes von Pieter van der Plas. Zwei Herausgabebegehren gibt es, aber möglicherweise drei Geschädigte: erstens ein noch nicht identifizierter Eigentümer, der das Gemälde 1934 dem Kunsthändler Max Stern lieh. Zweitens Stern selbst, der es anschließend erwarb. Drittens den jüdischen Unternehmersohn Hugo Heinemann, der es Stern abkaufte, und 1943 ins KZ Auschwitz-Birkenau deportiert und ermordet wurde.

Bleibt es bei den zwei Anspruchstellern, bliebe nach wie vor eine Einigung der Parteien zu erwägen. Eigentlich müsste die Kommission nicht eigens eingeschaltet werden. Anstatt juristisch korrekt an die Erben des glücklich überlebenden Erstgeschädigten Max Stern zu restituieren, könnte das Museum das Gemälde zurückkaufen und den Erlös unter beiden Parteien teilen.

Mehr zum Thema
Unsere Partner
Anzeige
remind.me
Jetziges Strom-/Gaspreistief nutzen, bevor die Preise wieder steigen
Anzeige
Homeday
Immobilienbewertung von Homeday - kostenlos, unverbindlich & schnell
Anzeige
IT Boltwise
Fachmagazin in Deutschland mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Robotik
Anzeige
Presseportal
Direkt hier lesen!
Anzeige
STELLENMARKT
Mit unserem Karriere-Portal den Traumjob finden
Anzeige
Expertentesten.de
Produktvergleich - schnell zum besten Produkt