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Zeitgenössische chinesische Kunst Kreisen um die Macht

Der Schweizer Sammler Uli Sigg zeigt, wie überraschend zeitgenössische chinesische Kunst mit dem zynischen Realismus umgeht. Die Ausstellung „Chinese Whispers“ ist derzeit in Bern zu sehen.
19.05.2016 - 22:11 Uhr
Zhao Bandi: „China Lake“. Die Reichen machen Party, ohne zu realisieren, dass sie schon knietief im Wasser stehen. „Alles sieht glücklich aus. Aber man kann untergehen“, meint der Maler. Quelle: Zhao Bandi/ Sigg Collection Quelle:
Noch steht das Wasser nicht bis zum Hals

Zhao Bandi: „China Lake“. Die Reichen machen Party, ohne zu realisieren, dass sie schon knietief im Wasser stehen. „Alles sieht glücklich aus. Aber man kann untergehen“, meint der Maler. Quelle: Zhao Bandi/ Sigg Collection

Bern Dreizehn Weltenlenker mit weißen Schöpfen und vielen Allüren kreisen im Berner Museum Zentrum Paul Klee misstrauisch umeinander. Diese politischen, militärischen und religiösen Führer hielten einst jahrzehntelang an ihrer Macht fest, doch nun sitzen sie alle als hilflose Greise im Rollstuhl. Nicht mehr realpolitische Macht treibt sie an, sondern ein Motor – in planloser Bewegung.

Dass die lebensechten Rollifahrer niemals ineinanderkrachen, verdanken sie ihren Erfindern, dem chinesischen Künstlerpaar Sun Yuan und Peng Yu. Wer da denkt, keine der Ex-Führungsfiguren sei vom Phänotypus her asiatisch oder gar chinesisch, ist schon in die Falle getappt, die Uli Sigg den Museumsbesuchern stellt.

Der Schweizer Sammler – einer der besten Kenner zeitgenössischer chinesischer Kunst weltweit – möchte zeigen, wie wenig die aktuelle chinesische Kunst den gängigen Vorurteilen entspricht. „Kunst ist ein Mittel, mit der Welt in Berührung zu kommen“, konstatieren dann auch Sun & Peng im Katalog, den Ausstellungskuratorin Kathleen Bühler als Interviewband angelegt hat.

Sammlung Sigg wächst weiter

Uli Sigg gilt in der Kunstszene als profunder Kenner chinesischer Gegenwartskunst. Baut er doch seit 30 Jahren eine einzigartige Sammlung auf, die aus über 2.200 Einzelwerken besteht. Die flotte Rollstuhlparade „Old People’s Home“, 2007, kam als Schenkung von Uli und Rita Sigg in den Besitz des im Entstehen begriffenen Museums M+ in Hongkong.

Derzeit ist dieses rollende Memento mori eines der zentralen Kunstwerke in der Ausstellung mit dem Titel „Chinese Whispers“ (stille Post) in Bern. 150 Werke von 72 meist jüngeren Künstlerinnen und Künstlern aus den Jahren nach 2005 zeigen eindrücklich, wie vielfältig das Kunstschaffen in China ist. Dieses höchst informative Panorama entfaltet sich an zwei Orten, innerstädtisch im Kunstmuseum Bern und am Stadtrand im Zentrum Paul Klee. Gespeist wird es zu 60 Prozent aus dem Bestand des M+, zu 40 Prozent aus der immer noch wachsenden Privatsammlung Sigg.

Kitsch ist eine Frage der Perspektive

Auch der Auftakt im Kunstmuseum an der Hodlerstrasse ist so gestaltet, dass der ahnungslose Besucher nicht unbedingt auf chinesische Künstler als Autoren schließen kann.

Da versammelt Kuratorin Bühler unter der Überschrift „Global Art from China“ farbgewaltige Abstraktionen von Xue Feng. Sie gehen im Grunde auf Tourismusprospekte zurück, verschleiern aber das ursprüngliche Landschaftsmotiv unter einem abstrakten Vorhang von Farbpartikeln effektvoll. Liu Wei, der Vielseitige, inszeniert in „That’s all“ auf elf Monitoren schlicht graue Bildschirmstörung in Serie – als Reaktion auf die chinesische Zensur.

Liu Weis Streifenbilder hingegen und die einen Raum weiter präsentierten mehrdeutigen Hasenbilder von Shao Fan sind dem Besucher vielleicht von internationalen Messen her bekannt. Mit der latent bedrohlichen Figuration des außerhalb Chinas kaum bekannten Malers Ma Ke, den Wortbildern des ebenfalls noch zu entdeckenden Tian Wei, der absichtsvoll kitschigen Darstellung der Malerin Duan Jianyu, sorgen Bühler und Sigg indes für Verblüffung. „Kitsch ist nicht für alle Kitsch. Das ist immer eine Frage der Perspektive“, entkräftet Sigg den betreffenden Einwand trocken. Comic und Anime gehöre in Asien schließlich die Zukunft.

Gesellschaftliche Umbrüche

„Spuren des Wandels“ heißt die zentrale Sektion im Klee-Zentrum, die gesellschaftliche Umbrüche visualisiert. Hier steht eine weiter markante Großinstallation. He Xiangyu hat dafür detailgenau einen Panzer aus luxuriösem Leder nähen lassen. Schauerlich schön sieht das Kettenfahrzeug immer noch bedrohlich aus, auch wenn seinem ledernen Chassis der Stand fehlt, ganz so, als sei dem Kanonenträger die Luft ausgegangen.
He gibt im Katalog erstaunlicherweise zu Protokoll, dass er sich nicht als politischer Künstler verstehe. Er räumt aber ein, dass der Betrachter „die Atmosphäre des Sich-unterdrückt-Fühlens oder Eingeschränkt-Werdens“ vor seinem zusammengesunkenen Panzer verspüre.

Die Sammlung Sigg als Nationalgalerie
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