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BuchkritikWie viel Realität steckt in Science-Fiction?

Eine KI-Koryphäe und ein Schriftsteller schreiben darüber, wie die Welt 2041 aussehen könnte. Das Ergebnis: Zehn Zukunftsvisionen für Künstliche Intelligenz.Thomas Jahn 13.02.2022 - 08:00 Uhr Artikel anhören

Aufsicht und Regulierung verhindern negative Auswirkungen von KI.

Foto: Stone/Getty Images

Science-Fiction übt einen großen Einfluss auf Technologie aus. Viele Visionen aus dem Silicon Valley wurden in Zukunftsromanen vorweggenommen. So stammt die Idee eines Metaversums aus dem 1992 erschienenen Roman „Snow Crash“. Elon Musk zitiert oft das mehr als 40 Jahre alte Fantasybuch „Per Anhalter durch die Galaxis“.

In dem neuen Buch „KI 2041 – zehn Zukunftsvisionen“ drehen die Autoren den Spieß um. Der Wissenschaftler Kai-Fu Lee schreibt wichtige Entwicklungen in der Künstlichen Intelligenz um 20 Jahre in die Zukunft fort: sei es Computervision, Sprachverarbeitung oder autonomes Fahren.

Die zehn ausgewählten Trends setzt Qiufan Chen in Science-Fiction um. Der Romanschriftsteller entwirft zehn Kurzgeschichten, die in einem anschließenden Kapitel von Lee aus technologischer Sicht aufgearbeitet werden.
Das Resultat ist erstaunlich lehrreich. Die abstrakten Ideen von Lee erfüllt Chen mit Leben, macht sie auf unterhaltsame Weise anschaulich. In Indien weigert sich die junge Nayana, sich ihre große Liebe von einer KI-App ausreden zu lassen. Ein Zwillingspaar in Korea kommt sich durch KI-Lehrer trotz verschiedener Charakterzüge und Lebenswege näher.

Kai-Fu Lee ist vielen in der Fachwelt ein Begriff. Der Experte für Künstliche Intelligenz (KI) arbeitete bei Microsoft oder Apple, war China-Chef von Google und ist seit seinem Bestseller „AI Superpowers“ vielen ein Begriff.

Kai-Fu Lee, Qiufan Chen: KI 2041. Zehn Zukunftsvisionen. Übersetzung: Thorsten Schmidt Campus Verlag Frankfurt 2022 534 Seiten 26 Euro Foto: Handelsblatt

Lee und Qiufan Chen kennen sich von Google. Dort arbeitete Chen bis 2017. Dann kündigte der Chinese, um sich als Schriftsteller zu versuchen. Sein Roman „Die Siliziuminsel“ stieß auch in Deutschland auf Interesse. Chen gewann einige Literaturpreise in China, ist Präsident der „World Chinese Science Fiction Association“.

Das Duo ist ein gutes Team. Die Geschichte „Götter hinter Masken“ erzählt von Deepfakes, „Das gespenstische Idol“ von virtuellen und erweiterten Realitäten, in „Der Jobretter“ geht es um die Angst der Menschen, ihren Arbeitsplatz durch KI zu verlieren. Es macht Spaß, nach jeder Geschichte die Erläuterungen von Lee zu lesen.

Dadurch werden komplizierte technische Zusammenhänge anschaulicher. So nutzt in „Götter hinter Masken“ der Fälscher sogenannte „Generative Adversarial Networks“ (GAN), um seine manipulierten Videos immer besser werden zu lassen. Das GAN-Tennismatch ergibt durch die Geschichte viel mehr Sinn und erklärt, warum man bald schon nicht mehr seinen Augen bei Videos trauen darf.

Die Kurzgeschichten wirken manchmal allerdings etwas hölzern, was an der Übersetzung liegen kann. Aber viel wahrscheinlicher sind es die technologischen Vorgaben von Lee, die den Erzählfluss von Chen manchmal stocken lassen.

Dann werden technische Prozesse ausführlich erzählt, was nicht immer zu den Handelnden, etwa den jungen Zwillingen, passt. Auch sind manche Zusammenhänge in den Geschichten schwer nachzuvollziehen. In „Der goldene Elefant“ lässt sich beispielsweise eine ganze Familie durch die Höhe der Versicherungsprämien in ihrem Verhalten beeinflussen – was wichtig für die Handlung ist, aber nur schwer zu glauben.

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Eine echte Stärke ist die Vielzahl der Schauplätze in den Geschichten. Möglicherweise hat das damit zu tun, dass beide Autoren Chinesen sind und ihre Sicht auf die Welt damit eine andere als unsere ist. Sie entführen den Leser nach Nigeria, Sri Lanka oder Island, und Chen gelingt es überzeugend, Kultur und Umstände der jeweiligen Länder darzustellen und in die Geschichte einfließen zu lassen.

Was vielleicht für einige ungewohnt sein mag, ist der Optimismus von Lee und Chen. Für sie sind Technologie und Künstliche Intelligenz ein Segen und werden etwa Schulen und das Lernen grundlegend und vorteilhaft verändern. Negative Auswirkungen, im Buch „Externalitäten“ genannt, werden nicht ausgespart, aber das Fazit ist fast immer positiv, Regulierung und Aufsicht werden ihrer Ansicht nach die Lösung bringen.

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Ein Tipp zum Schluss: Die Geschichten muss man nicht in einem Rutsch lesen. Vielleicht ist es sogar besser, sich ein Thema herauszusuchen, um sich damit zu beschäftigen. Denn sonst schwirren schnell die Charaktere und Technologien durcheinander, wirken die Figuren von Technologie überlastet. „KI 2041“ ist mit mehr als 500 Seiten ein gelungenes Lesebuch für die Zukunft.

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